Zum Palmsonntag: Der Baum aus Psalm 1

Wie der Baum, so braucht der Mensch einen Ort der Zugehörigkeit, wo er wurzeln kann. (Foto: 123rf.com)

Es war ein triumphaler Empfang, als Jesus mit Jubel und Königswürden in Jerusalem einzog. Diejenigen, die ihn noch nicht kannten, waren vielleicht etwas enttäuscht. Jesus war so gar nicht der mächtige König, sondern ritt auf einem jungen Esel. Die Bevölkerung war trotzdem begeistert. Sie schwenkten Palmzweige und riefen: «Hosianna. Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn.» 

Einige Pharisäer, die das Treiben beobachteten, ärgerten sich sehr. Der Einzug Jesu steht am Anfang der Passionsgeschichte, seiner Leidenszeit: erst der Jubel mit Klatschen und Gesang, dann der schwere Weg zum Kreuz; sein Weg nach Golgatha.

Die Geschichte vom Einzug in Jerusalem zeigt, dass Jesus eine faszinierende Person gewesen sein muss, von der man viel erwartet hat. Seine spektakulären Worte und Taten berührten die Herzen des Volkes.

Werden unsere Herzen noch heute von ihm berührt? Fragt man Jugendliche, was sie von Jesus halten, so sagen sie: »Jesus war ein Wunderheiler und Prediger.» «Jesus hat sicher gelebt. Nur seine Taten bezweifle ich.» Zwiespältig ist unser Verhältnis zu Jesus. Ob es damals eindeutiger war? Jesus wollte den Menschen zeigen, worin der Sinn ihres Lebens besteht, indem er ihnen sagte: Liebe Gott, liebe deinen Nächsten, wie dich selbst – mit allen Konsequenzen. Was es mit den Konsequenzen auf sich hat, hat nur nicht jedem gefallen.

An Palmsonntag finden im Glarnerland wieder Konfirmationsgottesdienste statt. Zur Konfirmation stellen sich den Jugendlichen auch die Fragen nach dem eigenen Standpunkt und den eigenen Zielen, und wie man auf seinem Lebensweg diese Ziele verfolgen will. Gut ist es, wenn man eine Orientierung hat!

Die Konfirmation hat etwas mit einer Standortbestimmung zu tun. «Wollt ihr euer Leben als Christen führen und zu dieser Gemeinde gehören?» Dahinter stecken auch die Fragen, wie man auf seinem Weg seine Ziele verfolgen will. «Welche Massstäbe, welche christlichen Werte sind dir dabei wichtig?»

Das ist gar nicht so einfach zu beantworten! Und das gilt nicht nur für unsere Konfirmanden; auch wir Erwachsenen tun uns immer wieder schwer, gerade in den heutigen Krisenzeiten. 

Die Ziele, die man sich als Mensch für sein Leben steckt, können unterschiedlicher nicht sein. Der eine will einmal richtig viel Geld haben. Will Macht. Der andere sehnt sich danach, beliebt und anerkannt zu sein. Oder man will einmal einen liebevollen Partner finden und eine Familie gründen, um die man sich sorgen kann. Oder wieder einer möchte am Ende seines Lebens einfach etwas zum Guten bewegt haben; oder einfach mit den Menschen in Frieden auskommen dürfen.

Wir wollen die Konfirmanden begleiten mit unseren guten Wünschen und Gebeten. Für ihren Lebensweg haben sie einige Bilder auf dem Grund ihrer Seele, die ihnen Halt geben: die Familie, ihr Elternhaus, dazu gehört auch ihre Kirchgemeinde. Diese Bilder stehen für Heimat, Herkunft.

Doch da gibt es ein Bild für ihre Zukunft, was einmal aus ihnen werden soll. Im Psalm 1 wird dieses Bild beschrieben. Da ist Gott, der einen jeden von uns liebt und der uns Menschen brauchen will; so heisst es: Selig der Mensch, der über Gott nachsinnt und danach handelt, der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl.

Jeder hat ja einen Lieblingsbaum, vielleicht ein Apfelbaum mit den rosa Blüten und duftenden Früchten. Oder ein Walnussbaum, der zwanzig Jahre braucht, bis seine ersten Früchte kommen. Ist es eine Linde, Birke, Buche? Schauen wir unseren Baum an: Wunderbare Entwicklungskraft steckt in ihm; so auch in uns. Ein schönes Bild, um den lebensnotwendigen Dialog zwischen Gott und Mensch zu beschreiben. Wie der Baum, so braucht der Mensch einen Ort der Zugehörigkeit, wo er wurzeln kann. 

Doch was fasziniert uns an Bäumen? Wohl das, dass sie uns in ein Gespräch darüber ziehen, wer wir sind und was wir sein möchten. Um eben diese Frage geht es auch im ersten Psalm. Wie eine Überschrift über alle weiteren Psalmen stellt er die Grundsatzfrage: Wie willst du, Mensch, dein Leben einrichten? Die Antwort lautet ganz schlicht: Indem du an der Quelle bleibst, an der Quelle jener Weisung in ein gelingendes Leben.

Die Quelle bildet die Lebensader, die der Baum mit seinen Wurzeln aufnehmen kann. Gut, wenn die Wurzeln kräftig sind; sie helfen uns, den Stürmen des Lebens standzuhalten. Und Äste wollen wir haben, Zweige, in denen wir uns verwirklichen, Kinder ins Leben rufen. Und Früchte wollen wir bringen, Früchte der Liebe und der Sorge, Früchte der Arbeit und der Freude, damit es auf der Welt ein klein wenig besser wird.

Bäume bedeuteten früher viel mehr als heute; sie waren Orte des Gesprächs, des Miteinanders. Da hat man sich zusammengesetzt, hat eine Bank unter den Baum gestellt, hat dort geplaudert, getanzt, sich geküsst, vielleicht Namen in die Rinde geritzt. Bäume spenden Schatten, sind angenehm. Wo Menschen das Leben nicht aushalten können und sich nach einem lauschigen Fleckchen sehnen, bieten Bäume ihnen Schatten. Wohl dem, der nachdenkt über das, was dem anderen helfen kann; der weiss, was er glaubt und wofür er lebt. 

Ich wünsche unseren Konfirmanden und uns allen, dass unsere Herzen berührt werden und wir die kleinen und grossen Wunder in unserem Leben sehen können. Gottes Segen und frohe Feiertage.
Pfarrerin Almut Neumann

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