Nessie auf dem Walensee

Nessie schaukelt auf dem Zürichsee. (Foto: Oliver Weber)

Oliver Weber, schon immer mit dem Segeln verbunden, kannte die Bootsklasse der Drachen von Bildern – diese Segelboote waren bis 1972 olympisch, sind aber selten geworden. Dann besuchte er den 1972er Drachen am Bodensee. Das Segelboot hat die perfekte Grösse für Schweizer Alpen-Seen – nicht zu gross, nicht zu klein. Heute restauriert Oliver Weber seine Nessie selbst, zumindest soweit es geht.

Bis Oliver Weber auf Nessie traf, kannte er sich nicht sonderlich mit Bootsrestaurierungen aus, er ist auch in keinem handwerklichen Beruf tätig. Mit Nessie startete sein völlig neues Abenteuer. Das Restaurieren eines alten Segelbootes? Faszinierend. «Man liest sich einiges an Wissen an, macht Fehler und lernt dazu, die Lernkurve ist zu Beginn sicherlich etwas steiler.» Für Weber ist die Restaurationsarbeit an Nessie ein zeitintensives Ganzjahreshobby. Von Frühling bis Spätherbst ist das Segelboot im Wasser, im Winter werden Unterhaltsarbeiten gemacht.

Originaler Zustand
Nessie ist bereits über 50 Jahre alt und wurde in der Børresen-Werft in Dänemark gebaut. «Man kauft ein Segelboot für das, was es ist. Dabei spielt nicht immer unbedingt der Zustand die grösste Rolle, sondern eher Potential, Substanz und die Geschichte, welche es aufweist.» Nessie ist ein dänischer Børresen-Drache. Die Werft ist für ausgezeichnete handwerkliche Arbeit und Qualität bekannt. In Nessie sah Weber grosses Potential, auch wenn man bei manchen Stellen nicht so genau hinschauen durfte. Das Besondere an ihr ist aber gerade der originale Zustand. Es wurde nicht viel erneuert, was für diese Bootsklasse eher untypisch ist, da Drachen als Regattaboote normalerweise modernisiert und fortlaufend auf den neusten Stand gebracht wurden. Viele Alterserscheinungen wies Nessie auch nicht auf, ein zusätzlicher Bonus. Das Boot wurde von seinen Vorbesitzern eher an schönen Tagen gesegelt. Auch heute achtet Oliver Weber sehr auf die originale Gestalt seines Drachens. Wo immer möglich, belässt er die ursprünglichen Teile oder baut sogar ins Original zurück. Ganz klar eine Frage der Haltung und Philosophie für ihn. Da diese Boote nicht zu Tausenden gefertigt wurden, sondern eher zu Hunderten, ist es nicht einfach, originale Teile zu organisieren. So reiste Weber für ein Teil sogar nach England.

Emotionale Komponente
Wenn man bedenkt, wie lange das Holz zum Wachsen braucht, steckt viel in einem Boot. Seine Geschichte reicht weiter zurück, als die Jahre, welche das Boot als solches existiert. Im gesamten Prozess zur Herstellung, dem Verarbeiten eines Baumstammes zu einem Boot, steckt Schweiss und Herzblut. Die Besonderheit spürt Weber auch bei Nessie. Dieser Drachen ist ein Stück in der Geschichte und in der Zeit stehen geblieben. Es hat eine andere Ausstrahlung als etwa ein modernes Segelboot. Dieses besondere Gefühl macht es für ihn aus. Weber versucht, alles in einem guten Zustand zu halten, aber auch jeder neue Kratzer erzählt seine eigene Geschichte. Es gibt eine emotionale Komponente, welche sich für Weber mit dem Boot verbindet. Nessie befindet sich nun in dritter Hand. Aus der Børresen-Werft in Dänemark wurde sie 1974/75 nach Deutschland an den ­Bodensee transportiert. Von dort ging es im Sommer 2016 an den Zürichsee und bald wird Nessie auf dem Walensee unterwegs sein.

Kreativität
Für Oliver Weber ist das Restaurieren von Nessie auch ein kreativer Output. Er kann mit den Händen arbeiten. Bei vielen heutigen Arbeiten sind die Dinge, die man erschafft, nicht mehr wirklich greifbar – bei der Arbeit an Nessie ist es genau das Gegenteil. Das Ergebnis ist zu sehen und spürbar, man kann es praktisch in der Hand halten. Zwangsläufig werden Holzsegelboote weniger werden, gerade wegen des grossen Bedarfs an Fürsorge. Dafür kann das Projekt an einem Holzsegelboot immer weitergehen. Auch Weber könnte sich in den nächsten Jahren problemlos mit Nessie beschäftigen. Trägt man einem Holzsegelboot Sorge, kann es auch den 70. Geburtstag feiern. Wird es vernachlässigt, erreicht das Abenteuer schneller sein Ende. Sind einst alle Teile ersetzt, stellt sich auch für Weber die Frage, ob das dann nicht ein anderes Boot ist. Ein Dilemma, welches sich nicht auflösen lässt. Auch bei Nessie wird der Punkt kommen, wo alle Planken ersetzt wurden. Oliver ­Webers Ziel: Auch diese Zeit mit Nessie noch erleben, in vielleicht knapp 50 Jahren. Grundsätzlich kann man alles reparieren. Wie auch immer es kommen mag, der FRIDOLIN wünscht immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel!

Juliane Bilges

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