Frauenportrait: Catia Bello, Kaiserin aus Mollis

Catia Bello mit dem Harnisch des Hadrian. (Foto: FJ)

«Demut, Intelligenz, Fruchtbarkeit, Tradiererin der Weisheit …» – wenn Catia Bello über die Frauen der Römerzeit spricht, funkeln ihre Augen. Geboren in Walenstadt und aufgewachsen in Murg verkörpert die zierliche Sizilianerin im Verein «Augustus Caesar Praetoria» die Kaiserin Vibia Sabina, Ehefrau des römischen Kaisers Hadrian, mit dem sie im heutigen Leben verheiratet ist.

Wer auf den Spuren des römischen Kaisers Hadrian sein Reich inspiziert, kommt etwa über Nizza und Vaison-la-Romaine bis nach Lyon, nach London, ja bis hinauf zum Hadrianswall. Oder aber er reist über Piacenza hinauf nach Rhätien und von dort – am Glarnerland vorbei – nach Kaiseraugst hinauf nach Köln zu den Langobarden und Cheruskern. Diesen Wegen folgen Catia Bello und ihr Mann Valerio Bello. So durften sie 2023 nicht nur in Rom im Panthéon eine Weihezeremonie durchführen, sondern auch in Kaiseraugst, wo Catia zudem – als Kaiserin Sabina – in drei Sprachen die römische Modeschau moderierte und die anderen Frauen vorstellte. Für solche grossen Events arbeitet der Verein Augustus Caesar Praetoria mit Museen und anderen Vereinen zusammen, etwa mit Museumsleiterin Lilian Raselli von Augusta Raurica und den Vereinen Pax Augusta, Gruppo Storico Romano oder Augusta VIII Tessin.

Vorbild und Abbild
Catia machte bei Migros in Sargans eine Lehre als Textilfachverkäuferin und interessiert sich noch immer für Webtechnik, für den Schnitt der Kleider, aber auch für römische Frisuren. «Was die hochstehenden Frauen vom Hof trugen, hat man nachgemacht. Diese Vorbildfunktion gibt es auch heute noch. Nehmen wir die Königin von Spanien: Sie setzt die Trends, lässt sich von Modedesignern einkleiden, und diese Kleider werden später für die Allgemeinheit produziert. In Rom war die Kaiserin auch so ein Vorbild, sie trug Seide, Purpur, Gold. Frauen aus dem Volk trugen eine Wolltunika und Glasperlen, aber der Schnitt ihrer Tunika war wie bei der Kaiserin.» Catia Bello stellt sich neben eine Kleiderbüste, die den golden schimmernden Brustharnisch des Kaisers trägt. «Fortbildung hat für mich einen hohen Stellenwert. Sowohl in meinem kaufmännischen Beruf im E-Profil als auch im Bereich Geschichte habe ich kontinuierlich meine Kenntnisse erweitert.» Heute lebt sie mit diesem Kaiser Hadrian – ein waschechter Südfranzose mit sizilianischen Wurzeln – seit vier Jahren oberhalb von Mollis, seit sieben Monaten ist sie als Sachbearbeiterin beim Grundbuchamt tätig. Auch bei ihrer beruflichen Tätigkeit stosse sie oft auf die Geschichte, jene des Eigentums. Doch ihr Blick geht weiter in die Vergangenheit.

Forschen und sichtbar machen
«Geschichte faszinierte mich schon immer. Dank meines Mannes habe ich mich in die Geschichte des 2. Jahrhunderts eingearbeitet, denn man muss die Geschichte des Kaisers kennen, um seine Frau nachzustellen. Es gibt wenig Funde zu Vibia Sabina, also denke ich mich allgemein in die römische Frau ein.» Denn an einer Zeremonie in einem antiken Theater oder im Panthéon teilzunehmen ist weit mehr, als sich zu verkleiden. «Es ist historisch nachgestellt. Man liest etwas, studiert die Frisuren und Kleidungen der antiken Statuen und will die Geschichte lebendig machen. Man arbeitet sich ein. Ich nähe alles selber, mein Mann macht die Metallbearbeitung. Wir wissen von den Römern, wie sie genäht haben. Das kann man dem Publikum zeigen, man experimentiert und kommt der Römerzeit nahe, man erlebt, wie es gemacht wurde in einer Zeit, wo es dafür keine Maschinen gab.»

Emotionen für Klein und Gross
Einer der diesjährigen Auftritte des Paars war in Lyon – dem einstigen Lugdunum, wo bei der Lego Expo am Lego-Soldat Brickius Maximus die römische Geschichte für Kinder in riesigen, aus Lego erbauten Szenen lebendig wird. Hier präsentierte der Verein die Reise des Kaisers Hadrian nach Lyon. «Die Kinder haben grosse Fantasie, sie wollen wissen, wie hat damals ein Soldat ausgesehen? Wie sahen die Prätorianer aus? Wie das normale Volk? Man hat zwar in der Schule römische Geschichte, aber hier kann man sie erleben. Das macht es spannend, und die Kinder lieben es. Ob in Lyon oder in Kaiseraugst, man kommt in die Arena, und der Kaiser wird von allen mit Vivatrufen empfangen.»

Die Arbeit mit Kindern erfüllt Catia Bello schon seit jeher. «Vor einigen Jahren war ich Kassierin bei der Pfadi Rauti und habe die Kleinen geführt, die Biberli. Sie sind sehr begeistert, man schaut dann die Welt mit ihren Augen an, das faszinierte mich und es erfüllte mich, ehrenamtliche Arbeit zu leisten.»

Ein neuer Blickwinkel
Wie reagiert die etablierte Geschichtsforschung auf solche Nachstellungen? «Wir zelebrieren im Panthéon – es wurde von Hadrian konstruiert – einen Weihekult und geben damit ein Bild, wie eine Kaiserweihe vor 2000 Jahren hätte aussehen können. Die Museen reagieren sehr offen, da sie das Museale zum Leben erwecken wollen, sie wollen die Kinder in die Museen bringen, deshalb mischen sie archäologische Funde und gegenwärtige Nachstellung.» Bis im März etwa zeigte das archäologische Museum von Nice-Cimiez die Ausstellung «Gold und Purpur» von Romain Lavalle, an den Wänden aufgezogen raumgrosse Bilder von Hadrian und Sabina in ihren römischen Kleidern. «In Vaison-la-Romaine werden wir zum 100-jährigen Jubiläum– in Zusammenarbeit mit der Kommunikationsabteilung der Gemeinde – die archäologischen Stätten zum Leben bringen. Es gibt dort grosse Paläste und ein riesiges Zelt, wo Audienzen stattfinden, wo erklärt wird, woher dies alles kommt und das kann historisch belegt werden. Wir hoffen, dass wir das auch einmal im Glarnerland zeigen können, zum Beispiel im Freulerpalast. Das wäre interessant für die Schule, für die Glarner. Kunst und Geschichte, die man mal anders zeigt, das kommt in Frankreich und auch in Italien gut an.»

Herkunft und Zukunft
«Als Kind hat mich meine Neugier geprägt. Als ich mit den anderen Kindern spielte, wollte ich wissen, woher sie kommen. Meine Eltern sind Sizilianer. 1999 kam ich in den Kanton Glarus, wegen der Arbeit. Meine Eltern lebten normale Rollenbilder, doch meine Mutter managte zu Hause viel, um Arbeit und Familie unter einen Hut bringen, die Frau war die Chefin zu Hause. So war es auch im römischen Reich, die Frauen der Kaiser engagierten sich in der Familie und bei den Kindern, waren im Hintergrund aber auch politisch aktiv. Das möchte ich hervorbringen, die traditionelle Rolle der Frau und ihre Bedeutung. Es ist schon ein Hobby und ich lebe es vor allem in den Ferien, die jeweils zur Kulturreise werden.» Da sie einige Sprachen spreche, komme sie mit vielen anderen Menschen in Kontakt, sagt Catia Bello. «Alles, was ich dabei lerne, kann wieder einfliessen.»

Für die Zukunft ist Catia Bello optimistisch: «Ich wünsche mir für die Gesellschaft, dass sie die Welt mit anderen Augen anschaut – selbst wenn es jetzt im November düster ist. Die Gesellschaft sollte positiv denken und jeder sollte – wie wir – auch seine Passion leben dürfen.» Die Welt mag sich verändern, heisst es unter einem ihrer Bilder auf Facebook. Aber Leidenschaft und Weisheit der Welt bleiben bestehen. Wer also mit offenem Herz schaut, erkennt die Schönheit der Welt. «Genau, das wünsche ich mir. Die Frau, mit ihrer bemerkenswerten Vielfalt, Stärke, Demut und Intelligenz ist von entscheidender Bedeutung für die facettenreiche Struktur unseres Daseins. Von Wissenschaft über Kunst bis hin zur Politik und Wirtschaft prägen Frauen durch einzigartige Fähigkeiten und Hingabe alle Bereiche. Ihre Erfolge tragen nicht nur individuell zur Gesellschaft bei, sondern bereichern und balancieren sie auch aus. Die Anerkennung der Frau ist nicht nur gerecht, sondern ein Schlüssel zu einer harmonischen und inklusiven Welt. Die Betonung von Vielfalt, Inklusion und der Stärkung von Frauen formen eine Zukunft, in der jedes Individuum sein Potenzial entfalten kann.»

FJ

Wer sich für das Leben als Römer interessiert, findet auf augustus-caesar.com die Agenda 2024, wer Prätorianer werden möchte: Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
Museen und Vereine:
Augusta Raurica. ­Museumsleiterin Lilian Raselli, augusta­raurica.ch
Musée d’archéologie de Nice-Cimiez, Romain Lavalle, musee-archeologie-nice.org
Vaison-la-Romaine; Pax Augusta, paxaugusta.ch
Gruppo Storico Romano, gruppostoricoromano.it; Augusta VIII Tessin, facebook.com/LegioVIIIAugusta

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