Mit Sensibilisierung zu Spitzenleistungen

Als Trainer weiss Gregor Hagmann, welcher Druck gut ist und wie man die richtigen Ziele setzt. (Foto: Delia Landolt)

Es sei ein schmaler Grat, hiess es am Donnerstag, 16. November, auf der Aulabühne immer wieder. Die Beziehung zwischen Athleten und Trainern, die Frage, ab wo Handeln übergriffig ist. Das Sportforum nahm sich des Themas «Ethik im Sport» an und Gregor Hagmann erklärte, wie er seit 35 Jahren nachhaltig Spitzenleistungen aus Sportlern holt.

Gregor Hagmann scheiterte am Lebensziel Eiger-Nordwand, sein Kletterniveau 6+ reichte dafür nicht aus. Der Trainer aus Obstalden vermittelt auch seinen Athleten und Athletinnen die Botschaft: «Misserfolge im Sport sind viel häufiger als Erfolge.» Es ist vielleicht der Kern des Themas «Ethik im Sport» und der Frage, wie man richtig Ziele setzt, ohne am Eigendruck zu zerbrechen. «Wer gewinnen will, den lähmt der Gedanke, es allenfalls nicht zu schaffen.»

Turnerin, Trainer, Direktor
Druck, Missbräuche und Ethik im Sport sind mit den «Magglinger Protokollen» zum Medienthema geworden. Deshalb brachte der Dachverband Sport Glarnerland die ehemalige Kunstturnerin Ariella Käslin, den Direktor der Missbrauchsmeldestelle «Swiss Sports Integrity» Ernst König und Gregor Hagmann auf die Aulabühne. Der 67-jährige Obstalder gründete die Sportschule Glarnerland, tüftelt stets an neuen Trainingsformen und verhalf sechs Talenten – darunter ­Patrik Küng – zu neun Weltmeistertiteln. ­Hagmann spürt die Sensibilisierung und den bewussteren Umgang mit den Sportlern. Handlungen – wie eine Berührung beim Sichern eines Saltos – sind durchdacht und werden den Athletinnen kommuniziert.

400 Missbrauchsmeldungen
Hagmann erinnert sich an einen Trainerkollegen von 1980 und dessen grobe, verletzende Sprache: «Diesen Zeiten trauere ich nicht nach.» Denn er konnte sich damals nicht illoyal gegenüber seinem Kollegen verhalten, sondern lediglich versuchen, die Lage zu entschärfen und die Athletin aus dem Schussfeld zu nehmen. Damals musste die Person selbst das Gespräch mit dem Trainer suchen. Seit zwei Jahren gibt es eine neutrale Missbrauchsmeldestelle. Auch Hagmann ist als strikter Trainer bekannt, der sich nicht mit dem Mittelfeld zufriedengibt. Wegen zu harten Trainings sei jedoch noch nie eine Missbrauchsmeldung bei «Swiss Sports Integrity» eingegangen, so Direktor Ernst König: «Die Athleten wollen hart trainieren!» Doch 2022 seien es 265 Meldungen gewesen, 2023 bereits doppelt so viele. Ziel sei, «dass es langfristig keine Übergriffe mehr gibt. Bis dahin müssen wir diese sichtbar machen und Athleten auf das Thema sensibilisieren. Viel wichtiger als Intervention ist Prävention, da wird noch zu wenig gemacht.»

Beziehung als Basis
Für gesunden Spitzensport ist das Umfeld wichtig: Familie und Freunde sollen den Sport ermöglichen (nicht fordern) und bei Misserfolg Rückhalt geben. Sportler müssen intrinsisch (aus eigenem Antrieb) motiviert sein, die richtigen körperlichen und mentalen Fähigkeiten mitbringen. Der Trainer – so Hagmann – müsse Sachkenntnis haben, eine gesunde Sportstruktur und eine wohlwollende Atmosphäre schaffen. Basis dafür: eine gute Trainer-Sportler-Beziehung. «Ich muss diese Menschen – ob Junge oder Mädchen, 15 oder 32 Jahre alt – mögen, sonst kann ich nicht mit ihnen arbeiten.» Spüre er nicht genügend Willen beim Sportler, beende er die Zusammenarbeit. Dafür nimmt er sich auch Hoffnungslosen an, Verletzten und Quereinsteigern. Hagmann setzte sich schon vor 25 Jahren mit zyklusbasiertem Training auseinander, suchte mit den Athletinnen nach Lösungen. Denn Training lässt sich anpassen, die Wettkämpfe nicht. Spiele alles zusammen, könne es eine nachhaltige Karriere geben. Und ohne Druck zu unrealistischen Leistungen komme es auch kaum zu Doping.

Ein Rang ist kein Ziel
«Der Wettkampfdruck ist ein positiver Treiber, wer aber Druck von den Eltern erfährt, ist nicht lange dabei. Das Schlimmste ist Eigendruck, vor allem, wenn die Erwartungshaltung unrealistisch ist.» Konditions- und Mentaltrainer leiten Athletinnen an, ihre Ziele handlungsorientiert zu stecken – sich in einem Skirennen nicht eine Zeit oder einen Rang vorzunehmen, sondern das im Training Geübte umzusetzen.

Zwar ist Gregor Hagmann nie die Eiger-Nordwand geklettert, dafür ermöglicht er seit 35 Jahren anderen Erfolge. Ariella Käslin konnte ihr volles Potenzial erst nach einem Trainerwechsel ausschöpfen und gibt zu: «Trainer sein ist ein echt harter Job.» Käslin wäre froh gewesen um eine Meldestelle, wie es sie heute gibt: «Wir werden noch erfolgreicher sein, wenn wir psychisch und physisch gesunde Sportler und Sportlerinnen haben.»

Delia Landolt

Back To Top