Seit fünf Jahren ist Sarina Scherrer die einzige weibliche Schiffsführerin auf dem Walensee. Mit der MS Quinten transportiert sie jährlich Hunderte Menschen an die beliebten Ausflugsziele der Region.
Sarina Scherrer war schon immer mit dem See verbunden. Ihre Grossmutter wuchs in Quinten auf, ihr Vater Markus Scherrer ist seit 40 Jahren Kapitän auf dem Walensee, ausserdem Betriebsleiter sowie stellvertretender Geschäftsführer der Walenseeschifffahrt. Er kennt die Schiffe in- und auswendig. Bereits als Kind war die junge Kapitänin also viel auf dem Walensee unterwegs und bei der Schifffahrt mit dabei. Im Service fing Scherrer als Wochenendaushilfe an und machte später eine Ausbildung zur Matrosin, während sie nebenbei noch als Konditorin tätig war. Irgendwann packte es sie und sie wollte die Schiffe selber fahren. So hat sie das Patent zur Schiffsführerin BI auf dem Walensee gemacht. Bereits als Matrosin lernte sie die Schiffe gut kennen und war mit der Arbeit auf dem See vertraut. Mit ihrem Patent erlangte sie dann die Berechtigung, Fahrgastschiffe mit einer Personenanzahl von bis zu 60 Personen zu fahren, auch ohne Matrosen an Bord. Auf der MS Alvier wurde Sarina Scherrer zur Schiffsführerin ausgebildet. 75 Tage Erfahrung auf dem See muss man als auszubildende Kapitänin sammeln, mit einer zusätzlichen theoretischen Ausbildung. Nachdem sie 2019/20 die Kategorie BII/1 erlernte, darf sie heute auch die grossen 2-Deck-Schiffe über den See fahren, die MS Quinten, MS Churfirsten und MS Seestern.
Praktische Prüfung
Für die praktische Prüfung ist das Bundesamt für Verkehr zuständig. Während dreier Stunden werden verschiedene Kategorien durchlaufen, wie Schiffskenntnisse oder verschiedene Manöver. Zusätzlich werden in Rollenübungen Ernstfälle durchgespielt, zum Beispiel ein Brand an Bord, Mann über Bord oder wie man sich im Falle einer Kollision zu verhalten hat. Der Prüfer testet, ob man Kommandos erteilen, durch einen Ernstfall navigieren und Hilfe über Funk aufbieten kann.
Auch nach der Ausbildung werden jedes Jahr verschiedene Notfall-Szenarien mit der gesamten Mannschaft durchgespielt und geprobt, um jederzeit bestens vorbereitet zu sein. Gerade der Walensee ist für schnelle Wetterumschwünge und plötzlichen starken Wind bekannt. So kommt es schon allein wettertechnisch zu teilweise herausfordernden Situationen. Im Sommer 2021 kam es während einer Dienstfahrt von Sarina Scherrer zu einem plötzlichen Hagelsturm und einem Gewitter. In solchen Situationen richtet sich Scherrer nach dem Leitsatz «Ruhig, besonnen und energisch». Wichtig sei die Kommunikation mit der Besatzung und das Festlegen der nächsten Schritte. Scherrer beschloss, während des Sturms nicht in Quinten anzulegen, sondern abzuwarten, bis sich die Wettersituation beruhigt. Ein aufregender Nachmittag, an welchem die Schiffsführerin Ruhe bewahren musste, um besonnen zu handeln. «Speziell für solche Situationen wird man auch ausgebildet, bei Nacht und Nebel fahren zu können – auch mit Radar und GPS», erzählt sie.
Männerdomäne
Nach wie vor wird der Beruf Schiffsführer von Männern dominiert – aber Frauen sind in den vergangenen Jahren stark nachgerückt. Auf vielen Schweizer Seen ist der Beruf heute auch durch Kapitäninnen vertreten. Auf dem Walensee arbeiten grösstenteils Matrosinnen auf den Schiffen. Auch die Gäste sind von einer weiblichen Crew immer wieder begeistert, es gibt viele positive Rückmeldungen.
Natürlich begeistert nicht nur die Mannschaft. Auch die Umgebung – das Panorama und der schöne Schweizer Fjord sind für Sarina Scherrer eine herrliche Kulisse, ebenso für Besucher der Walenseeschifffahrt. Der Arbeitsort ist für sie jedes Mal wieder eines der Highlights ihres Berufes. Ausserdem werde sehr viel Abwechslung geboten: selbstständiges Arbeiten, aber auch Teamarbeit, Kundenkontakt und im Winter handwerkliche Tätigkeiten beim Unterhalt der Schiffe.
In ihrer Freizeit ist Scherrer gerne am See oder in den Bergen unterwegs. Ausserdem spielt sie in der Musikgesellschaft Walensee Quarten und in der Guggenmusik. Im Beruf trägt Sarina Scherrer eine grosse Verantwortung der Besatzung und den Fahrgästen aber auch dem Betrieb gegenüber. Jedes Schiff und jeder Tag ist anders und bringt neue Herausforderungen mit sich.
Juliane Bilges
