Widerstand am Fjord

Die IG ProWalensee präsentiert ihr neues Plakat. (Foto: Rafael Muñoz)

Entlang der Felswand am Walensee soll eine «gigantische» Solaranlage entstehen. Eine neu gegründete IG wehrt sich gegen das umstrittene Projekt.

Mühlehorn sei wohl das einzige Dorf in der Schweiz, durch das eine Autobahn führe, mutmasst Oliver Gupta mit resigniertem Unterton. Er sei vor fast 10 Jahren wegen des Naturerlebnisses hergezogen. Als ob das Dorf durch die Autobahn und die ebenfalls durch den Ortskern verlaufende Bahnstrecke nicht genug gestraft wäre, kocht nun eine Diskussion wieder hoch, die eigentlich beendet schien.

Alpine Solaranlage im Mittelland
Direkt gegenüber von Mühlehorn, in Quinten, soll eine 61 000 Quadratmeter grosse Fotovoltaikanlage entlang der Felswand entstehen. Das umstrittene Solarprojekt namens Felsenstrom war eigentlich bereits vom Tisch. Weil der Bund den Bau von grossen Solaranlagen zurzeit finanziell fördert, haben die beiden Stromversorger Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) und St. Gallisch-Appenzellische Kraftwerke (SAK) die Pläne zum Bau der Grossanlage wieder aktiviert. «Vor dem Hintergrund veränderter politischer Rahmenbedingungen – Stichwort Solarexpress – wird das angedachte Solarprojekt entlang der Felswand am Walensee wieder aufgenommen», informierten diese in einer Medienmitteilung vom September 2023. So könne man den Bergregionen zeigen, dass auch im Mittelland an grossen Projekten gearbeitet werde. Die Feststellung, dass «weder Siedlungsraum noch Landwirtschaftsraum beeinträchtigt sind», dürfte in den Ohren vieler Anwohner wie Hohn klingen.

«Gigantische Mogelpackung»
«Niemand von uns ist gegen Solarenergie», sagt Susanna Ackermann. «Solange sie Sinn ergibt.» Die Mit-Initiantin der IG ProWalensee nennt den Walensee liebevoll «den idyllischen Fjord der Schweiz». Für sie ist die geplante Anlage nichts weiter als «ein Körper, der nicht in die natürliche Landschaft gehört.» In ihrem Plädoyer für den Erhalt einer «national einzigartigen Landschaft» macht die IG ProWalensee nicht nur emotionale Gründe geltend. Für sie ist das Projekt Felsenstrom aus verschiedenen Gründen eine «gigantische Mogelpackung».

Das Projekt bedeute «Kosten in Millionenhöhe, doch dafür würden nur 0,03 Prozent des in der Schweiz benötigten Stroms erzeugt werden können.» Lediglich dank der hohen Subventionen würden die Stromkonzerne Profit machen, die Rentabilität basiere also «auf Subventionen zulasten unserer einzigartigen Landschaft.» Der Solarexpress wollte ursprünglich nur alpine Solarprojekte beschleunigen, da diese aufgrund der Sonnenreflexion durch den Schnee, mehr Sonne durch offenes Gelände, weniger Nebel und einen höheren Ertrag der Solarmodule doppelt so viel Strom produzieren können wie durchschnittliche Schweizer Solaranlagen. Diese Voraussetzungen – so die IG – seien am Walensee nicht gegeben durch die Winterbeschattung der Felswand und aufgrund der fast mediterranen Temperaturen. Eine Testanlage habe nur 15 Prozent mehr Strom abgeworfen, die geplante Solaranlage Felsenstrom würde nur 57,5 Prozent einer alpinen Solaranlage liefern, so die Initianten. Die Felswand sei zudem durch die jahrzehntelange Nutzung als Steinbruch und durch diverse Sprengarbeiten instabil. An der Felswand, an der die Anlage entstehen soll, kam es bereits zu massiven Felsstürzen. Weitere Felsstürze könnten die Solarpaneele beschädigen, eine Bergung im tiefen See wäre schwierig.

«Gefährlich für die Umwelt»
Forscher hätten darauf hingewiesen, dass die in den Panels verbauten Schadstoffe wasserlöslich seien. Diese könnten das Ökosystem des Walensees, insbesondere den Fischbestand, schädigen und via Linthkanal in Richtung Zürichsee treiben. Alexander Frick bezweifelt, dass die geplanten Fangnetze halten würden. Ausserdem müss­te noch mehr Wald gerodet werden. Der Immobilienentwickler hat weitere «technische Bedenken» und sieht das komplizierte Verfahren skeptisch. Es sei keinerlei Infrastruktur vorhanden, es müssten Starkstromleitungen installiert werden, für die wiederum Betonfundamente gebaut werden müssten. «Niemand, der seriös plant, würde ein solches Projekt bauen.»

Solidarität der Nachbarn
Nicht zuletzt hofft die IG ProWalensee auf die Solidarität der Mitbürger, auch und gerade derjenigen aus Amden. Der geplante Standort liege in deren Gemeindegebiet, und es könne nicht sein, dass Amden entscheide, aber die anderen Gemeinden leiden. Mühlehorn sei bereits grossen Belastungen ausgesetzt, hinzu kämen Helikopterflüge, Hafenanbauten und Lärmemissionen. Der Tourismus in dem beliebten Naherholungesgebiet würde «empfindlich gestört durch ein Projekt, das nicht einmal Sinn ergibt», sagt Susanna Ackermann. Deshalb kämpfe man weiter, steht ihr Oliver Gupta zur Seite. Gerne würde er das Naturerlebnis, für das er hergezogen war, noch ein wenig länger geniessen.

Rafael Muñoz

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