Geschenkte Gespräche

Ein gutes Ambiente und eine neutrale Ansprechperson: Sozialarbeiterin Nina Schlotterbeck. (Foto: FJ)

«Ich habe eine Natelnummer, wo man sich unkompliziert per WhatsApp oder Telefon bei mir melden kann», sagt Sozialarbeiterin Nina Schlotterbeck. Sie arbeitet in der neuen Jugend- und Familienberatung der Beratungs- und Therapiestelle Sonnenhügel bts, welche die Beratungen der Mütter-Väter-Beratungen ablöst – vom Kindergarteneintritt bis zum Ende der ersten Ausbildung. Doch wann können Eltern, Jugendliche oder Fachpersonen zur Jugend- und Familienberatung kommen? Und was bekommen sie dort?

Die Jugend- und Familienberatung unterstützt dann, wenn die Schwierigkeiten in der Erziehung zu einer grossen Belastung werden und man sie nicht mehr alleine bewältigen kann. Stress mit den Kindern, Überforderung in der Lehre, anstehende Trennung, Stress zu Hause – es gibt verschiedene Gründe, die Leidensdruck auslösen können. Je früher das erkannt wird, umso schneller können die Familien unterstützt werden. «Wenn ich mit jemandem im Gespräch bin, kann ich ihren oder seinen Leidensdruck erkennen. Es braucht nichts Aussergewöhnliches zu sein, es gibt einfach Phasen im Leben einer Familie, die anstrengend sind, es gibt Situationen, die anspruchsvoller sind, und da hilft es, wenn jemand einen stärkt und versucht, die vorhandenen Ressourcen wieder zu aktivieren. Das Ziel ist, die Familie zu bestärken, sich selbst helfen zu können. Genau das tue ich.» Das bedeutet konkret: Alle Familien mit Kindern, Jugendliche oder deren Umfeld und Fachpersonen (z. B. Schule) bekommen ein Gespräch, wenn sie das möchten – auch dann, wenn sie alles richtig machen und bloss eine Standortbestimmung suchen oder wenn bereits Feuer im Dach ist.

Abgrenzungen
Denn das bts schloss im Dezember 2022 die Leistungsvereinbarung mit dem Kanton für die Jugend- und Familienberatung ab und die Jugend- und Familienberatung ist – wie der ambulante Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst KJPD und auch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB – an der Asylstrasse 30 in Glarus beheimatet. Trotzdem ist die Familienberatung eine eigenständige Abteilung ohne direkten Kontakt zur KESB: Sie wurde geschaffen, weil – insbesondere seit der Corona-Pandemie – alle Psy­chiatrien in der ganzen Schweiz und auch der KJPD Glarus überrannt werden und deshalb lange Wartelisten haben. «Mit der neuen Jugend- und Familienberatung haben die Betroffenen die Möglichkeit, Problemstellungen vor dem möglichen Eingreifen einer Behörde zu regeln.» Denn die Sozialarbeiterin kann Familien abholen, etwa wenn es um Erziehungsthemen geht. Solche Familienthemen stehen teilweise in direktem Zusammenhang mit dem Verhalten eines Kindes in der Schule. «In solchen Fällen kann die Begleitung und das Coaching der Eltern, die Situation im schulischen Umfeld bereits beruhigen.» Oft sei den Eltern gar nicht klar, dass Spannungsfelder zu Hause bestehen, etwa wenn sie in der Erziehung an Punkte kommen, bei denen sie sich nicht einig sind. «Dass Kinder aufgrund dieser Spannungen reagieren, ist klar. Ziel ist es, dass die Kinder und Jugendlichen durch die Gespräche und sozialen Interventionen wieder in die Schule integriert werden.»

Freiwillig und kostenlos
Nina Schlotterbeck berät Familien mit Kindern vom Kindergarteneintritt bis und mit Ende Erstausbildung. Diese Beratungen sind kostenlos und sie sind freiwillig, was bedeutet: «Selbst dann, wenn aus unserer Sicht ein Bedarf da ist, können die Betroffenen sagen: Ich gehe wieder und will es allein schaffen.» Wenn sich die Familien aber auf den Prozess einlassen, können Erfolge im Sinne des Kindeswohls erzielt werden.

«Die Beratung soll Eltern befähigen und bekräftigen. Jeder, der hier sitzt, soll schnell wieder selbstständig funktionieren können. Ich begleite nur so lange, wie es nötig ist und die Betroffenen die Unterstützung wollen.» Familiäre Spannungen, Überforderung, Unverständnis: alle, die Kinder haben, kommen an solche Themen. «Oft sind es ganz gewöhnliche Themen: Regeln werden nicht eingehalten, ein Kind oder eine/-e Jugendliche/-r verliert sich mit Gamen oder will weg von zu Hause. Und sie fragen sich: Ist das nun ein normaler Ablösungsprozess? Oder ist da Vorsicht geboten?» Doch beide Elternteile gehören selbst zum System Familie und können oder wollen auch nicht immer den Freundeskreis mit ihren Problemen belasten. «Ich berate Mütter und Väter, die mir – als neutraler Person – erzählen, was sie beschäftigt, und dabei Antworten bekommen auf Fragen wie: Was hat mich so geschafft? Was ist wieder geschehen? Was können wir machen?»

Manchmal melden sich verunsicherte Eltern, wenn sie seitens Schule auf das unangepasste Verhalten ihres Kindes aufmerksam gemacht werden. Sie sorgen sich, dass ihr Kind nicht richtig funktioniert und das löst Unsicherheiten aus, welche in den Beratungen besprochen werden können. Es gibt auch Familien, die nur eine Standortbestimmung wollen und nach einem Gespräch guter Dinge so weitermachen wie bis anhin.  Andere Eltern sind im Begriff, sich zu trennen. Das löst etwas aus beim Kind – das ist normal – und führt zu Fragen wie das organisiert wird, welche Möglichkeiten das Kind bekommt, um in seiner neuen Welt zurechtzukommen. «Wer sich angesprochen fühlt, soll sich melden. Und wer selber so eine Situation kennt, kann ja mal einen Tipp geben: Jugend- und ­Familienberatung wäre das nicht was für dich?

FJ

Sozialarbeiterin Nina Schlotterbeck, Asylstrasse 30, 8750 Glarus, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., Telefon 078 246 40 35.

Back To Top