Immer geöffnet

Urs Kern vor der neue installierten Selbstbedienungs-Vitrine. (Foto/Video: Søren Ehlers)

Die Metzgerei Kern in Ennenda durchlief im letzten halben Jahr grosse Veränderungen. Dabei war der Verkauf immer offen. Weshalb es zu diesen Umwälzungen kam, und worauf sich die Kundinnen und Kunden freuen dürfen, erzählt Mitinhaber Urs Kern dem FRIDOLIN.

FRIDOLIN: Urs Kern, wenn man sich etwas umhörte bei unseren Leserinnen und Lesern, waren Sätze zu hören wie: «Der Kern hat doch zugemacht.» «Hat der nicht aufgehört?» Aufgehört haben Sie offensichtlich nicht. Hatten Sie länger geschlossen?
Urs Kern: Sie sprechen damit an, dass wir per Ende November 2022 den bedienten Ladenverkauf gestoppt haben. Trotzdem war die Tür offen, man konnte bestellte Ware abholen und in Selbstbedienung einkaufen. In der Vorweihnachtszeit hatten wir sehr viele Bestellungen, ohne dass wir Werbung gemacht hätten.

Wie haben Sie die Zeit nach Weihnachten genutzt?
In der Sportferienwoche haben wir den Laden umgebaut und so eingerichtet, wie er jetzt da steht. Die Installation der neuen Kassensysteme kam als Letztes dran.

Was ist ab jetzt neu?
Ab dem Landsgemeindewochenende beginnen wir mit neuem Konzept und neuen Öffnungszeiten. Bedienter Verkauf und Abholen von Bestellungen ist dann von Montag bis Freitag immer von 08.00 bis 12.00 Uhr, dazu am Freitagnachmittag von 14.00 bis 18.00 Uhr. Zu diesen Zeiten ist jemand vom Verkaufspersonal anwesend, sonst nicht.

Neu ist der vollständig in Selbstbedienung laufende Verkauf. Kundinnen und Kunden finden sieben Tage pro Woche, von 06.00 bis 24.00 Uhr eine offene Ladentür vor. Sie können sich aus der Kühlvitrine und den weiteren Verkaufsregalen bedienen und an der Kasse selbst mit TWINT oder Karte bezahlen. Wir bieten ein grosses Sortiment von Wurst, Fleisch, Fisch, über Gemüse, Früchte, Brot, Salz, Mehl, Essig, Reis, Milch, Käse und Butter an.

Das ist eine Neuerung im Glarnerland. Sind Sie sicher, dass das funktioniert?
Wir sind nicht die Ersten in der Schweiz, die genau einen solchen Laden öffnen. Ich habe zwei Berufskollegen, die das in dieser Art bereits erfolgreich in Betrieb haben. Diese Betriebe konnten wir ausführlich anschauen.

Was macht heutzutage eine erfolgreiche Metzgerei aus?
Die Qualität muss top sein, das ist das wichtigste. In der Selbstbedienung muss das auch so sein. Die Kundinnen müssen sich 100-prozentig verlassen können, dass die Qualität stimmt, weil in diesem Moment keine Beratung stattfindet. Zudem muss man offen sein für Neues und ausprobieren, ob etwas ankommt bei der Kundschaft oder eben nicht. Wir hatten Pferde-, Straussen- und Trutenfleisch im Sortiment. Das haben wir aber wieder rausgenommen, weil die Kunden mehr regionale, auch saisonale, aber nicht zu ausgefallene Produkte wünschen. Eine Herausforderung ist das Verpacken für die Selbstbedienung, denn die Produkte sollen auch in verpackter Form ansprechend aussehen.

Was war der Auslöser für diese grossen Umwälzungen?
Im Sommer 2022 wurde die Personalsituation immer schwieriger. Zwei langjährige Mitarbeiter verliessen uns und es war nicht möglich, sie zu ersetzen. Dazu bekam ich mit Rücken und Schulter gesundheitliche Probleme. Die langen Arbeitszeiten von 06.00 Uhr morgens bis um Mitternacht, bis das Büro erledigt war, haben mich zusätzlich belastet. Ich bin Metzgermeister mit Leib und Seele, aber ich merkte, dass der Betrieb mit allen Dienstleistungen nicht so weiterlaufen kann wie die letzten 20 Jahre, sonst hätte ich mich überfordert. Ich musste die Notbremse ziehen. Das bedeutete, dass ich schweren Herzens entschied, zu redimensionieren und den Partyservice zu beenden, welcher einen grossen Teil des Pensums, auch an den Wochenenden, ausmachte. Dann haben wir die Ladenöffnungszeiten re­duziert. Zusätzlich haben wir das Schlachten und Verarbeiten der Glarner Tiere an die Metzgerei Schuler in Rothenthurm delegiert. Deshalb mussten wir insgesamt sieben von zwanzig Mitarbeitenden entlassen. Für die beiden Lernenden haben wir einen neuen Platz gefunden.

Hatten Sie in diesem Moment den Plan für den Selbstbedienungsladen schon?
Nein. Für mich war damals, Mitte August 2022, einfach klar, dass es so nicht weitergehen kann. Es war ein Moment der Ohnmacht. Ich habe mir auch überlegt, ganz aufzuhören nach dem Weihnachtsgeschäft. Ich durfte aber viele gute Gespräche führen mit Berufskollegen, auch mit der Kundschaft und entwickelte zusammen mit meiner Frau und meinem Bruder neue Ideen. Ich bin sehr froh, dass wir eine tolle Lösung gefunden haben. Ich hoffe auch, dass wir wieder zusätzliche Mitarbeitende einstellen und Lehrplätze anbieten können.

Back To Top