Praktikant und Praktikant

Ambros D. Anrig dokumentiert jeden einzelnen Montage-Schritt der Spritzgussmaschine im Hintergrund. (Foto und Video: Søren Ehlers)

Der eine fährt von Münsterlingen nach Glarus, der andere von Ziegelbrücke nach Näfels, einer hat das Studium schon hinter sich, der andere bereitet sich darauf vor, einer ist beim Kanton angestellt, der andere bei der NETSTAL Maschinen AG. Der FRIDOLIN sprach mit zwei Praktikanten über ihre Chancen und ihre Entschädigung.

Alexander Rhyner, 27, aus Münsterlingen hat vor einem Jahr das Studium der Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt öffentliche Verwaltung abgeschlossen. Seit einem Jahr ist er Praktikant in der Kantonalen Verwaltung Glarus. Die Kantonale Fachstelle für Wirtschaft hat Pendenzen aufzuarbeiten, die sich als zusätzliche Aufgaben zum Kerngeschäft angesammelt haben. Die Administration der Corona-Härtefallentschädigungen, die Standortförderung und die digitale Transformation. Rhyners 70-Prozent-Praktikum dauert noch bis Ende 2022. «Ich wohne in Frauenfeld, pendle täglich nach Glarus und arbeite von 09.00 bis 15.00 Uhr. Eine Wohnung in Glarus zu suchen, lohnt sich für mich nicht, wegen der kurzen Dauer meines Arbeitsvertrages und des kleinen Lohnes.»

Was bringt das Praktikum?
Rhyner ist auf Stellensuche. Ein ab-solviertes Praktikum bedeutet, bei Bewerbungen Erfahrung vorweisen zu können. «Die Tätigkeit hier in der Glarner Verwaltung ist inhaltlich nahe an dem, was ich theoretisch im Studium gelernt habe. Die Arbeit gefällt mir gut. Man hat mir sogar angeboten, mich bei der weiteren Jobsuche zu unterstützen.» Rhyner befürchtet, dass es schwierig wird, eine gute Stelle zu finden. «Vielleicht werde ich wei-tere, bescheiden bezahlte, befristete Praktikumsstellen antreten müssen. Viele Arbeitgeber suchen Arbeitskräfte mit mehreren Jahren Berufserfahrung.»

Fachkräftemangel?
Wie erklärt sich Alexander Rhyner, dass viele Branchen den Fachkräftemangel beklagen, es aber trotzdem für ihn als ausgebildeten BWL-Absolventen schwer ist, eine Anstellung zu finden? «Arbeitgeber stellen immer höhere Anforderungen an die Fachkräfte, schreiben aber immer mehr Arbeitsplätze aus, die nur befristet sind. So bekommt man nicht die nötige Berufserfahrung, um die hohen praktischen Anforderungen zu erfüllen.»

Arbeitsschritte analysieren
Maturand Ambros D. Anrig, 18, aus Ziegelbrücke hat bei der NETSTAL Maschinen AG eine Praktikumsstelle gefunden, die ihm interessante Möglichkeiten bietet, bevor er Anfang nächsten Jahres in die RS geht. In den Montagehallen der NETSTAL werden riesige Maschinen zusammengebaut, ihre Montage kann zwei Monate dauern. Im Laufe dieser Zeit nehmen Facharbeiter Tausende einzelner Arbeitsschritte vor. Die Montageteams sind eingespielt, die benötigten Teile werden aus dem Lager möglichst genau dann in die Nähe der Maschine gebracht, wenn sie verbaut werden sollen. Doch laufen diese komplexen Vorgänge optimal? Oder gibt es vermeidbare Verzögerungen? Für die NETSTAL eine wichtige Frage. Sowohl die Wirtschaftlichkeit als auch die Sicherheit des Montageprozesses hängt davon ab. Hier kommt der «Praktikant Industrial Engineering» Ambros D. Anrig ins Spiel. Er soll alle Arbeitsschritte genau, um nicht zu sagen: akribisch, dokumentieren. «Ich habe eine spezielle Excel-Tabelle aufgebaut, mit der ich zeitlich auf die Sekunde genau festhalten kann, welcher Schritt ausgeführt wird. Damit ich überhaupt verstehe, was die Monteure machen – ich bin ja nicht vom Fach – habe ich eine spannende Einführung in die Arbeitswelt bei der NETSTAL erhalten. Ich kann sogar zwei Arbeiter gleichzeitig beobachten, dazu habe ich auf meinem Bildschirm zwei Excel-Tabellen nebeneinander geöffnet und mache Einträge. Das erfordert ziemlich viel Konzentration.»

Die Zeit nutzen
«Zwischen Matura und RS habe ich fünf Monate Zeit. Diese möchte ich nutzen, um etwas Spannendes zu tun, also mehr als nur einen Geld-Job zu machen. Auch möchte ich einen Eindruck vom Arbeitsrhythmus in der Industriewelt erhalten. Ich lerne viel über diese komplexen Maschinen. Und es ist interessant zu sehen, wie eine grosse Firma funktioniert.» Wie anstrengend empfindet er diese Stelle? «Die Montage beginnt immer schon um 06.00 Uhr, ich muss also schon vorher bereitstehen. Ich muss mich von Anfang an voll konzentrieren. Mir gefällt die Arbeit supergut. Einerseits kann ich Auswertungen erstellen, was mir als Zahlenmensch Freude macht. Andererseits sind auch meine Einschätzungen der Arbeitsabläufe gefragt. Ich habe darüber immer gute Gespräche mit meinem Chef. Was mir auch gefällt: Hier kann ich an etwas Praktischem arbeiten, das direkt einen produktiven Beitrag leistet. In der Kanti gab es für meinen Geschmack zu viel Theorie und zu wenig Praxis.»

Die Zukunft wartet
Ist das Praktikum ein Sprungbrett für eine zukünftige Karriere bei der NETSTAL? «So direkt sehe ich das nicht. Ich interessiere mich sehr für Mathematik und Physik. Vielleicht beginne ich in dieser Richtung ein Studium. Ich habe früher schon mal geschnuppert bei der NETSTAL und kann mir auch vorstellen, während des Studiums hier ein weiteres Praktikum zu absolvieren. Aber für mich ist es wichtiger, viel lernen zu können. Dass ich mich und meine Ideen hier so gut einbringen kann, bringt mich auch persönlich weiter.» Wie sieht es aus mit dem Praktikantenlohn? «Der Lohn, den ich erhalte, ist fair. Ich profitiere zudem sehr bei dieser Arbeit, es gefällt mir, und die Firma erhält eine Gegenleistung für den bezahlten Lohn.» Nach dem Praktikum folgt die RS und nachher möchte Anrig weitermachen. «Bei der Armee gibt es sehr spannende Ausbildungsmöglichkeiten. Mein Plan ist es, als Berufssoldat zum Kommando Spezialkräfte zu kommen.»

Anrig und Rhyner absolvieren zwei sehr unterschiedliche Praktika. Doch für beide sind sie der Einstieg in neue Arbeitsfelder, die sie im Glarnerland kennenlernen, um Erfahrung zu sammeln und später vorweisen zu können.

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