Die Dynamik kommt von den Kantonen

Bundesrat Guy Parmelin nach der Fraktionssitzung im Hotel Römerturm, Filzbach. (Foto: FJ)

Im Rahmen der Fraktionssitzung der SVP Schweiz konnte der FRIDOLIN im Hotel Römerturm in Filzbach mit Bundesrat Guy Parmelin über die Wirtschaft, das Glarnerland und sein Leben als Bundesrat sprechen.

Herr Bundesrat Parmelin: Wenn Sie – als Wirtschaftsminister – in so einen kleinen Kanton wie Glarus fahren, was geht Ihnen da durch den Kopf?

Ich kenne den Kanton Glarus relativ gut. Ich war im August mit meiner Frau hier. Es ist ein dynamischer Kanton. Er pflegt mit der Landsgemeinde die direkte Demokratie. Natürlich ist es ein kleiner Kanton, den man nicht mit grossen bevölkerungsreichen Kantonen wie Genf oder Zürich vergleichen kann. Aber beim Tourismus und auch mit seinen spezialisierten KMUs spielt Glarus eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Schweiz.

Im globalisierten Markt verschwinden Schweizer Arbeitsplätze nach Fernost. Was sind – aus Ihrer Sicht – die wichtigsten Faktoren, damit ein Kanton wie Glarus als Wirtschaftsstandort attraktiv bleiben kann?

Es gibt mehrere Faktoren. Es ist sehr wichtig, dass die Leute gut ausgebildet sind. Wenn ich zum Beispiel mit ausländischen Ministern diskutiere, fragen sie mich immer nach unserem Bildungssystem. Ich höre dann Sätze wie «Ihr Berufsbildungssystem ist unglaublich gut.» oder «Wir wollen wissen, wie Sie das machen.» Neben den hervorragenden Grund- und Weiterbildungsmöglichkeiten ist es sehr wichtig, dass wir auf allen Ebenen gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft bieten. Sei es auf Bundesebene – wir können unterstützen – oder in den Kantonen und Gemeinden. Das allerwichtigste sind aber die Glarner selbst, die Personen, die hier wohnen. Sie ergreifen die Initiative und entwickeln innovative Ideen. Nehmen Sie die zahlreichen KMUs. Ich denke, dort läuft es gut. Dem Tourismus müssen wir nach der Krise sicher noch unter die Arme greifen. Wir haben beim Bund dafür extra ein Recovery-Programm auf die Beine gestellt, um zu helfen. Alle diese Massnahmen sind wichtig. Aber nochmals: Grundsätzlich sind es die Menschen, die in diesem schönen Kanton leben, welche die Initiative ergreifen – und so den Unterschied ausmachen. Und die Glarnerinnen und Glarner wissen gut, wie man das macht.

Sie sind als Landwirt Bundesrat geworden. Was sagen Sie jungen Glarnerinnen und Glarnern in Sachen Berufsbildung? Was ist das wichtigste, für eine solide Karriere?

Das wichtigste ist eine gute Ausbildung. Auch wenn ein junger Mann oder eine junge Frau eine Idee für ihr Leben hat, sieht man manchmal, dass sie noch nicht sicher sind, was sie werden wollen. Auf jeden Fall müssen sie fleissig lernen, sei es in der Volksschule oder am Gymnasium oder als Berufslernende: Wir haben in der Schweiz ein sehr durchlässiges Bildungssystem, das viele Chancen bietet und uns hilft. Was sich geändert hat: Heute ist es selten geworden, dass jemand über das ganze Leben einen einzigen Beruf hat. Man fängt mit irgendwas an, geht ins Ausland, um sich zu perfektionieren, kommt zurück, möchte nicht mehr Arbeitnehmer sein, sondern selbstständig werden, gründet ein KMU und so weiter. Dazu braucht es Dynamik, gute Rahmenbedingungen, eine gute Grundausbildung und einen starken Willen. Die Krise hat gezeigt, dass die innovativen Personen und Unternehmer überleben können. Nur ein kleines Beispiel: Die Restaurants hatten es schwierig und es bleibt für diese Branche schwierig. Aber in Bern habe ich gesehen, wie Restaurants sich dynamisch bewegten. Sie boten Take-away an, versuchten die Terrasse anders zu nutzen. Das war zwar nicht allen gleichermassen möglich, aber viele haben das Beste daraus gemacht. Bund und Kantone haben die Mission zu helfen und gute Bedingungen zu schaffen, aber ohne gute Ausbildung geht es nicht. Kürzlich traf ich den neuen Botschafter der USA in meinem Büro und wir sprachen auch über unser Bildungssystem. Es ist ein Ziel von Präsident Biden, ein gutes Lehrlingssystem zu entwickeln. Das hat er mir persönlich letztes Jahr in Genf auch so gesagt.

Sie sind Weinbauer, das Glarnerland ist jetzt auch eine Weinbauregion – allerdings mit nur vier kleinen Weinbergen. Kennen Sie Glarner Weine?

Ich muss leider sagen: nein. Ich habe den Wein zwar getestet, als ich im Sommer ins Glarnerland kam. Meine Frau und ich testen immer die Weine aus der Gegend, doch ich erinnere mich leider nicht mehr an den Namen des Weingutes. Generell muss ich klar sagen, dass im Weinbau die junge Generation seit einigen Jahren überall in der Schweiz riesige Fortschritte gemacht hat. Sei es im Wallis, Genf oder am Zürichsee – überall finden wir gute Weine. Und ich freue mich, dass Glarus wie das Waadtland ein Weinkanton ist.

Derzeit bedroht der Wolf die Herden unserer Glarner Landwirte, die von der Alpwirtschaft leben. Was raten Sie ihnen? Wie sollen sie vorgehen, um in Bern gehört zu werden?

Es ist klar - das Gesetz ist ein Bundesgesetz. Die Landwirte müssen also zuerst mit den anderen Kantonen eine gemeinsame Position finden und auf Bundesebene mit dem zuständigen Bundesamt diskutieren. Das Jagdgesetz ist zwar am Referendum gescheitert, doch jetzt gibt es wieder Diskussionen in den zuständigen Kommissionen, um eine pragmatische Lösung für solche Fälle zu finden und die Landwirte mindestens besser zu unterstützen, sei es finanziell oder in der Praxis. Das ist die einzige Möglichkeit. Wenn ein Gesetz in Kraft ist, muss man es respektieren. Es ist mir bekannt, dass seit der Abstimmung im September 2020 die Diskussionen in der Kommission wieder angefangen haben. Man hat mir auch erklärt, dass möglichweise ein Kompromiss zu Stande kommt. Das ist gut so. Der pragmatische Weg ist die einzige Möglichkeit. Aber natürlich müssen die Bauern in ihren Forderungen klar sein. Sie müssen argumentieren und mit Unterstützung des Kantons auf Bundesebene aktiv werden. Und in der Politik ist es immer so: Sie müssen Mehrheiten haben.

Der Kanton Glarus ist – nach wie vor – ein Industriekanton. Unsere Industriebetriebe sind auf ausländische Absatzmärkte angewiesen. Wie können sie auch ohne Rahmenabkommen konkurrenzfähig bleiben? Wie hilft ihnen das SECO dabei?

Auf Bundesebene versuchen wir, die besten Rahmenbedingungen zu schaffen, so dass die Industriebetriebe und KMUs auch beim Export Unterstützung haben. Wir können und wir müssen versuchen, neue Freihandelsabkommen zu entwickeln und neue Märkte zu erschliessen. So hatten wir die Abstimmung zum Abkommen mit Indonesien – sie ging zwar knapp aus, aber es ist uns gelungen, das Abkommen abzuschliessen. Das ist gut – es gibt KMUs neue Möglichkeiten, sich zu entwickeln und neue Märkte zu gewinnen. Und natürlich versuchen wir, die Stabilität mit der EU wieder zu finden. Der Bundesrat will so schnell wie möglich die Diskussion weiterführen und bei der EU Vorschläge deponieren. Wir haben es auch geschafft, die Industriezölle abzubauen. Das war ein schwieriger Kampf – besonders im Nationalrat. Doch wir konnten eine Mehrheit finden und glücklicherweise gibt es dazu kein Referendum. So können wir ab 2024 auf die Industriezölle verzichten. Das dürfte einen BIP-Zuwachs von über 850 Millionen Franken auslösen. Durch die Aufhebung der Industriezölle fallen auf der einen Seite mehr als 500 Millionen Franken weniger Abgaben bei den Importeuren an. Auf der anderen Seites resultieren Mindereinnahmen in dieser Grössenordnung für den Fiskus. Besonders wichtig ist zudem, dass Importeure um rund 100 Millionen Franken administrativ entlastet werden. Insgesamt wird dadurch aber die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen verbessert. So freue ich mich sehr über diesen Entscheid des Parlaments. Aber ich muss Ihnen sagen, es war wirklich ein Kampf, hier Mehrheiten zu finden. Es braucht das Engagement der Parlamentarier und der Kantone. Es ist die Rolle des Bundesrat, neue Möglichkeiten für bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, doch dafür muss man im Parlament später Mehrheiten finden.

Wie fühlt es sich an, als wichtigster SVP-Exponent in der Westschweiz das Zugpferd für die Partei zu sein? Welche Erfolge konnten Sie hier beisteuern?

Für die Partei ist es das Beste, wenn Bundesrat Parmelin gut für das allgemeine Interesse arbeitet, nicht nur für die Westschweiz. Wir sind gewählt, um für die Interessen der ganzen Schweiz einzutreten. Wenn ich gute Arbeit mache und gute Resultate habe, ist das natürlich auch gut für die Partei. Doch es gibt in der Politik auch Misserfolge, das ist für die Partei natürlich nicht so gut. Dieses Phänomen kennen aber alle Parteien. Ich versuche mit meinem Team einen guten Job zu machen. Wenn die Leute in der Westschweiz sagen, Parmelin arbeitet gut, so ist das auch gut für die ganze Schweiz, inklusive SVP und deren gesamte Westschweizer Sektion.

Wie gehen Sie mit der Berühmtheit um? Wieviel Freizeit haben Sie als Bundesrat und was machen Sie dann?

Man hat viel weniger Freizeit, als Bundespräsident noch weniger. Doch was ist Freizeit? Wenn ich vom 29. Juli bis zum 1. August 2021 durch die Schweiz reise, viele Orte besuche und rede, so ist das vielleicht keine Freizeit, aber für mich und meine Frau war das sehr angenehm. Es herrschte eine gute Stimmung, wir trafen viele Leute, knüpften Kontakte. Das war für mich wie Freizeit. Aber es ist klar, es steckt auch viel Arbeit dahinter: man musste eine Rede vorbereiten, alles minutiös vorbereiten. Wenn Sie mit Freizeit Momente meinen, um ins Kino oder ins Konzert zu gehen, so ist das leider sehr selten geworden. Am Wochenende gibt es ab und zu eine Möglichkeit. Das letzte Mal war ich vor 15 Tagen in Rolle in Le Rosey in einem wunderschönen Konzertsaal. Ein Freund, der jetzt im Kanton Jura lebt, hatte mir eine Einladung geschickt: «…es würde mir viel Vergnügen bereiten, wenn du mit deiner Frau kommen kannst. Wir spielen mit dem Blasmusikensemble Cuivres Jurassien und dem Vokalensemble Evoca Musik von Charles Aznavour bis zu den Beatles.» Das waren zwei wunderschöne Stunden – anfangs sagte ich zwar zu meiner Frau: «Muss das sein? Ich muss noch arbeiten.» Es begann um 18 Uhr und sollte bis um 20 Uhr gehen. Also planten wir um 21 Uhr wieder zu Hause zu sein. Aber es wurde noch später, da sie eine Zugabe und noch eine Zugabe spielten. Ich hatte sehr viel Vergnügen. Das war für mich Freizeit. Nehmen wir dieses Wochenende: Heute Abend fahre ich nach Hause. Zwischen morgen Samstag und Sonntag brauche ich mindestens einen Tag, um die Dossiers der kommenden Woche vorzubereiten. Wenn ich also am Samstagnachmittag mit meiner Frau oder mit Freunden etwas unternehme, muss ich dann halt am Sonntag arbeiten. Das gilt vor allem ausserhalb der Session, denn da haben wir viele Kommissionssitzungen. Deshalb habe ich auch jetzt einen Koffer mit vielen Akten mit mir dabei. Verstehen Sie mich nicht falsch – ich beklage mich nicht. Aber man muss sich schon bewusst sein, dass das Leben eines Bundesrates sehr streng ist: Letzte Woche gab es zum Beispiel offiziell Bundesratsferien. Aber am Montag traf ich mich in Bern mit dem britischen Forschungsminister, der nur am Montag in die Schweiz kommen konnte. So hatten wir ein interessantes gemeinsames Dinner zusammen mit vielen Wissenschaftlern. Sie können sich vorstellen, dass ich mich darauf gut vorbereiten musste. Dann war ich am Donnerstag in Finnland, am Freitag in Deutschland. Auch dafür musste ich mich seriös vorbereiten. Ich war dann erst am Freitagabend um 20 Uhr wieder zu Hause. Trotzdem: Ich nehme mir immer wieder auch Zeit, um mit meiner Frau spazieren zu gehen. Oder ich versuche – etwa in den restlichen Ferien – etwas Zeit für mich zu haben.

FJ

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