Hanf für Glärnisch Textil

Martin Klöti befüllt die laufende Brechanlage (Brechete) mit Hanf. (Fotos: Barbara Bäuerle)

Nachdem die Produktionsstätte in Glarus im Oktober 2020 einem Grossbrand zum Opfer fiel, hatte die Genossenschaft Glärnisch Textil mit der Reparatur und der Revision der riesigen Brechmaschine alle Hände voll zu tun. Nun läuft die Produktion der vielseitigen Hanffaser in einer grossen Halle in Schwändi wieder und nebst dem Aufbau der eigenen Verarbeitung von Schweizer Nutzhanf animiert das Unternehmen zu solchen Industrieentwicklungen in weiteren Regionen der Welt. 

Wenn die gegen zwanzig Meter lange und teils bis zu vier Metern hohe Brechanlage läuft, ist es in der grossen Halle in Schwändi laut und staubig. Am Beginn des Prozesses, welcher die Schäben – das sogenannte «Holz» – von der Faser trennt, wird das Hanfstroh von Hand in eine grosse Öffnung gegeben. Dieses Stroh, welches separat von der Frucht geerntet und zunächst einige Wochen zum Trocken auf dem Feld liegen bleibt, gilt aufgrund fehlender Verarbeitungsmöglichkeiten nach wie vor vielerorts als Abfallprodukt. 

Ressource nutzen

Mit der Gründung von Glärnisch Textil im Jahr 2017 wollte Präsident Martin Klöti dieser Ressourcenverschwendung ein Ende setzen. «Während der Zeit, in welcher ich als Berater im Ausland unterwegs war, habe ich das Ausmass der breiten Ausbeutung in der Textilindustrie gesehen», so der Kulturingenieur, der gewisse Erlebnisse in China gar als Schock bezeichnet. Es gehe dabei um Dimensionen der Vernichtung, die sich durch jeden Bereich ziehen, sei es gegenüber der Natur, aber auch den Menschen.

Obwohl der Ruf des Hanfes durch den Gebrauch der Blüten als Rauschmittel gelitten hat, habe die weltweit verbreitete Pflanze stark zur wirtschaftlichen Entwicklung der Menschheit beigetragen. «Die ersten Seile und Segel für Handelsschiffe wurden aus Hanf produziert», so der 62-Jährige. 

In der EU und der Schweiz sind um die hundert der unzähligen Hanfsorten zugelassen, unter ihnen gebe es genug, die sich den jeweils heimischen Umweltbedingungen anpassen. Die Pflanze gilt als anspruchslos und vielseitig, wetterfest, robust, antibakteriell, kommt ohne Pestizide aus und entgiftet sogar die Böden. «Hanf kann jeder Bauer machen, das verbessert die Bodenstruktur und entzieht sogar Überdüngung.»

Wertschöpfung

Beim bündnerischen Unternehmen Alpenpionier.ch trifft die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf auf eine ideale Wertschöpfungskette. Während die Firma, welche schweizweit mit über dreissig Biobauern zusammenarbeitet, die Früchte der Pflanze für die Nahrungsmittelproduktion verwendet, findet das Stroh der Pflanze nach der Trocknung seine Weiterverarbeitung in der Glärnisch Textil Genossenschaft.

Mitarbeiter Alex Scherrer unterhält und bedient die anspruchsvolle Brechmaschine, Bobby Jelenkovitch stösst als Marketingtalent weitere Industriecluster in anderen Regionen an. Eine Anlage wie der Pilot in Schwändi kann jährlich rund 2000 Tonnen Stroh zu Fasern und Schäben verarbeiten. «Nebst dem Ziel, ein bodenständiges, regionales und faires Geschäft zu betreiben, wirken wir in Richtung der Vervielfältigung unserer industriellen Ansätze. Alles ist darauf ausgelegt, den Regionen und Menschen vor Ort zu zeigen, wie Kreislaufwirtschaft auf der Basis nachwachsender Ressourcen geht und ihnen dafür die eigenen Mittel in die Hand zu geben.» 

Bis Ende 2021 sollen nach der erlittenen Verzögerung des Aufbauprozesses erste robuste Textilien auf den Markt kommen, welche aus der feinen Stoffqualität erzeugt werden. Das Stroh zweiter Qualität wird für Baumaterialien wie Vliese und Isolationen verwendet, während die gröbste, dritte Strohqualität allgemein als Biomasse zur Produktion von Papier, Karton und Verpackungsmaterial zum Einsatz kommen soll. Klöti sieht die globalisierte Wirtschaft als problematische Entwicklung und ist überzeugt, dass weltweit gerade ein Paradigmenwechsel im Gang ist. «Für die mehr und mehr unter dem Diktat des Detailhandles stehenden Landwirte kann der Umstieg auf die Produktion von Nutzhanf die Chance sein, sich vermehrt in gleichberechtigten Vertragsverhältnissen wiederzufinden sowie mit der Produktion nachwachsender Ressourcen ganz am Anfang der zeitgemässen, industriellen Wertschöpfungskette einen unmittelbaren Beitrag zum zukunftstauglichen nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensentwurf zu leisten.»

Barbara Bäuerle-Rhyner, Elm

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