Jahr ohne Viehschauen

Philipp Zweifel mit seiner Schwester Karin und Joker Ella an der IGBS 2020. (Foto: zvg)

Die Glarner Braunviehkuh Joker Ella war Siegerin der letzten, grossen nationalen Schau, bevor wegen Corona Grossanlässe untersagt wurden. Nachdem sie im Februar 2020 den Championtitel holte, wurde es auch in der Schauszene ruhig. Ihr Besitzer, Landwirt und Braunviehzüchter Philipp Zweifel aus Lintha, freut sich mittlerweile auch an ihren Nachkommen. 

Ausnahmekuh
«Ella geht es hervorragend – sie ist eher schwer genug», lacht der 27-Jährige bei der Nachfrage zur momentan trockenen Championkuh. Joker Ella ist mit dem fünften Kalb trächtig und nebst ihren Schauerfolgen auch im Alltag ein erfreuliches und gut funktionierendes Tier. In 305 Tagen erreichte sie eine Milchleistung von 11632 kg – dies bei tiefen Zellzahlen von 61, 4,56% Fett und 3,53% Eiweiss und einer Persistent von 94. Die Tochter von GS Alliance Glenn Joker ist aus einer Jongleur-Tochter und wurde im vergangenen Frühjahr erfolgreich gespült.

Von den 18 Embryonen pflanzte der Besitzer sechs bei eigenen Tieren ein, behielt fünf zurück und konnte die restlichen verkaufen. Ob die drei bereits geborenen Kuhkälber den Vater Glenwood oder Holdrio haben, wird via Vaterschaftstest ermittelt, da Zweifel für die gesexte Spülung beide verwendete.

Anbau Rinderstall
Eine Sonderbehandlung geniesst die Siegerin unter den 22 Milchkühen in Zweifels Stall nicht. Aber mit ihrer Schönheit steche sie schon heraus, schwärmt der leidenschaftliche Züchter und Händler. Da seit bald einem Jahr keine Viehschauen mehr stattfanden, vermisst er vor allem das Kollegiale und der Kontakt zu anderen Züchtern. «Ich habe mich aber gut damit abgefunden, dass schautechnisch momentan nichts läuft, und denke, uns Landwirten geht es ja sonst in dieser Krisensituation gut. Wir dürfen jeden Tag arbeiten und grundsätzlich fast alles machen wie sonst.»  

Zu anstehenden Schauen gehöre immer viel Vorbereitungszeit – sei es mit Trainieren der Tiere, Scheren oder angepasster Fütterung. Durch die Absage der Schauen blieb im letzten Herbst genügend Zeit, denn auf Zweifels Betrieb wird angebaut: Der Laufstall, wo die Kühe untergebracht sind, wird um rund 17 Meter verlängert. «Es wird ein Rinderstall angebaut, damit wir künftig nicht mehr in drei Ställen füttern müssen», so der Junglandwirt, der nach wie vor tatkräftig von seinem Vater unterstützt wird. Ab Herbst 2021 soll der Stall, wo sich dann total 44 Liegeboxen befinden, bezugsbereitsein.

Besser geht’s immer
Aktuell stehe in den Sternen, wann wer aus dem Stall wo als nächstes im Schauring stehe. Mittlerweile denke er ein «Schaujahr», denn auch die wenigen, aktuell noch nicht definitiv abgesagten Schauen seien zu unsicher, um den beträchtlichen Arbeitsaufwand f auf sich zu nehmen, wenn allenfalls kurzfristig abgesagt werde. Ob Joker Ella noch einmal einen Auftritt bekommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Philipp denkt an die «Bruna», an der er seine Ella unter Umständen noch einmal zeigen möchte. «Aber nur wenn sie in Topform ist. Ansonsten belasse ich es lieber bei dem grossartigen Erfolg als IGBS Champion.» Für seine Zuchtleidenschaft investiert Zweifel viel Zeit. Sei man zu schnell zufrieden, bleibe man stehen. So ist sein Motto ehrgeizig: «Besser geht immer.»

Handel
Der Erfolg auf nationaler Ebene gibt ihm recht. Als Philipp 2013 zum ersten Mal mit einem Rind die kantonale Schau besuchte, kannte man den Linthaler in der Züchterszene nicht. 2018 folgte der erste nationale Sieg mit Rind Norwin Timora an der Rindernight Wattwil sowie der Vizechampiontitel an der Junior-Expo. An den Erfolg knöpfte er im Folgejahr 2019 unter anderem mit dem «Mention Honorable»-Titel beim Alpin Festival oder dem Pizol Open an.

2020 war Kuh Joker Ella an der IGBS – der Schau der Interessengemeinschaft der Brown Swiss Züchter –, wo Zweifel zudem im Vorstand tätig ist. Dass man ihn mittlerweile kennt, erfüllt ihn mit Stolz. Sein Zuchtziel: eine schöne, aber funktionierende Kuh. So erfreut die mittlerweile erstlaktierende Timora sein Züchterherz. Auch Timoras Mutter Astro Alona steht noch in Zweifels Stall und ist mit dem fünften Kalb trächtig. Jährlich nimmt er zehn bis dreizehn eigene Kuhkälber nach und könnte somit jeweils fast die Hälfte seines Bestandes ersetzten. Seine Strategie kommt dabei aber auch dem Handel zugute: «Wenn der Preis stimmt, verkaufe ich auch mal ein Rind oder eine Kuh. Im Gegenzug bin ich auch bereit, in ein Tier zu investieren, das mir wirklich sehr gefällt.» Auf Ella habe er schon 2019 ein Auge geworfen, als sie an der IGBS den Schöneuter- und Vizechampiontitel holte. Zu seinem Erfolg 2020 habe aber auch eine Portion Glück beigetragen, es müsse an so einem Tag alles stimmen. Lob findet er dabei für das IGBS-Stallteam sowie seine Freude – darunter Vorführer Claudio Gisler –, die alle vor Ort bestens zur Kuh schauten.

Zum umstrittenen und teilweise mit horrenden Zahlen gemunkelten Thema «Schaukühe-Kauf» sagt Zweifel: «Mit dem Kauf einer Kuh ist es nicht getan.» Es brauche Fachkenntnisse und ein geschultes Auge, um die Qualität eines Tieres richtig zu beurteilen, und danach im Alltag und bei den Ausstellungsvorbereitungen das gewisse Etwas, den richtigen Biss.

Zucht ohne Schauen
Zurück beim ersten «Erfolgsquotienten» Timora packt ihn ein wenig Wehmut: «Sie ist hervorragend geraten und war eine wunderschöne Erstmelkkuh, die ich beispielsweise an der Glarona oder auch dem Gotthard Open gerne gezeigt hätte.» Im April kommt Timora mit dem zweiten Kalb nieder und Zweifel hofft, dass sie dann wieder so gut in Form kommt. Seine Timora nie als Kuh an einer Ausstellung zeigen zu können, würde ihn schon etwas «wurmen».

Der amtierende Glarner Jungzüchterpräsident verfolgt noch weitere Ziele und ist sich sicher, dass es auch nach ruhigen Jahren wie 2020 und offenbar auch 2021 weitergeht: «Weil keine Schauen sind, hört man nicht mit Züchten auf. Man denkt einfach statt an die Frühjahrschauen schon an die Ausstellungen 2022 – wie ‹Bruna› oder SwissClassics.»

Barbara Bäuerle-Rhyner, Elm

Back To Top