Fälle verhindern, Fälle abschliessen

Ursula Lienhard (links) und Annina Scherzinger: die Glarner Fachfrauen bei Alimentenfragen. (Foto: zvg)

Es ist ein Glarner Pilotprojekt: Die Alimentenhilfestelle in Näfels bietet neu Beratungen an. Während der Büroöffnungszeiten und zusätzlich jeweils am Dienstagabend von 18.00 bis 20.00 Uhr können Männer und Frauen bei Annina ­Scherzinger und Ursula Lienhard Hilfe holen. Der FRIDOLIN wollte wissen, worum es dabei geht.

Jahr für Jahr veröffentlicht der Bund seine Sozialhilfe­statistik. Und Jahr für Jahr sieht sie im Glarnerland besser aus als in der restlichen Schweiz. 2019 bezogen 791 Personen Sozialhilfe, das waren nur 32 mehr als im Vorjahr, was den Prozentsatz aber von 1,9 auf 2 Prozent steigen liess. Das ist immer noch 1,2 Prozent tiefer als in der restlichen Schweiz. Bravo Glarnerland!

Geschieden, alleinerziehend, Kinder
Jahr für Jahr aber folgt auf diese Feststellung ein ähnlicher Satz. So hiess es im Oktober 2020: «Die Bevölkerungsgruppen, welche gemessen an ihrem Anteil an der Glarner Bevölkerung besonders häufig Sozialhilfe beziehen, bleiben auch im Jahr 2019 Geschiedene sowie Ausländerinnen und Ausländer. Gefährdet sind auch Alleinerziehende, besonders solche in Haushalten, die aus einer erwachsenen Person und mehreren Kindern bestehen.» Geschieden, alleinerziehend, mit Kindern. 16 Prozent aller Einelternfamilien im Kanton benötigen Sozialhilfe, bei drei und mehr Kindern sind es 42 Prozent. 91,8 Prozent der unterstützten Einelternfamilien sind Frauen mit Kindern.

Denn oft nach einer Trennung stellt man fest: Zusammen hat es gerade so gereicht; getrennt ist es einfach zu wenig zum Leben, selbst wenn der Mann vorbildlich Alimente bezahlt. Erst recht eng wird es, wenn die Alimente ausbleibt. Deshalb gibt es die Alimentenbevorschussung. Hier konnte sich der Kanton Glarus verbessern: Lagen die Quoten der Bevorschussung 2014 und 2015 noch über dem Landesdurchschnitt, liegen sie jetzt darunter. Der Grund: Annina Scherzinger und Ursula Lienhard helfen jenen, die einen Anspruch auf Alimente haben, diese auch zu bekommen – sie leisten Inkassohilfe. Klar, mögen sich die meisten denken, es darf doch nicht sein, dass einer sich ins Ausland absetzt oder sich sonst wie der Verpflichtung entzieht, während die Kinder und ihr alleinerziehender Elternteil darben. Doch meistens liegen die Fälle nicht so einfach; manchmal möchten jene, die sich trennen, ja die Verantwortung weitertragen, haben aber nicht die Mittel dazu oder es halten sie andere Probleme im Zusammenhang mit der Trennung vom Zahlen ab.

Fragen beantworten
Trennungen bringen haufenweise offene Fragen mit sich und gerade die Väter der Kinder wünschen sich eine Anlaufstelle, wenn sie Sorgen haben. Sei es, weil sie feststellen, dass das Geld jetzt plötzlich nicht mehr reicht, sei es, weil sie sich um ihr Besuchsrecht sorgen, sei es, weil sie sich eine gemeinsame elterliche Sorge wünschen und nicht wissen, wie sie dieses Ziel erreichen sollen. Werden getrennt Lebende in diesen Situationen nicht beraten, bleibt ihnen oft nur der Gang zum Rechtsanwalt. Das Resultat: Die Fronten verhärten sich.

«Zuerst einmal», so Annina Scherzinger, «wollen wir den Leuten die Angst nehmen. Wir sind zwei positiv ein­gestellte Frauen, die der Alimentenhilfe ein Gesicht geben. Wir wollen für die Bevölkerung da sein, auch für die Alimentenschuldner. Bei vielen getrennten und geschiedenen Paaren läuft es super, sie haben sich freundschaftlich getrennt und es kommen beide Elternteile ihren Verpflichtungen nach. Aber jene, die zu uns kommen, eben nicht. Ihnen wollen wir eine Türe offen halten. Ihnen helfen, mit unserer Erfahrung.» Daneben braucht es manchmal auch die Vermittlung zu anderen Stellen. Etwa, wenn bei einem Schuldner in der Lohnpfändung die Alimente nicht eingerechnet ist, mit dem Betreibungsamt sprechen. Manchmal geht es darum, Frust auf­zufangen. Beim Besuchsrecht gibt es grosses Konflikt­potenzial, etwa wenn die Kinder dem Vater vorenthalten werden. «Natürlich müssen die Alimente deshalb trotzdem gezahlt werden, aber es hilft, wenn wir hier ein offenes Ohr für die Schuldner haben. Schon nur, wenn wir mit ihnen sprechen, kommen manchmal die Alimentenzahlungen wieder, auch wenn wir natürlich Besuchsrechtsstreitigkeiten nicht lösen können.» Die Alimentenhilfestelle ­unterstützt auch jene, die vor oder in der Trennung stehen. «Ihnen dabei helfen, wie sie es miteinander lösen können, wenn sie sich trennen wollen. Wir hoffen natürlich, dass wir so in einigen Fällen schwerere Konflikte verhindern können, indem wir Paaren zu Beginn zeigen, wie sie das zusammen aufgleisen können und wie sie mit einem ein­vernehmlichen Unterhaltstitel zusammen durch diese schwierige Zeit kommen. Aber vielleicht bin ich da auch ein wenig blauäugig.» Die erste Pilotphase des Projekts dauert bis am Donnerstag, 30. September 2021; nicht nur Mütter und Väter, auch die Bevölkerung des Kantons Glarus kann sich Rat holen.

FJ

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