Lieferkette der Solidarität

Mathias Oeschger vor der Abfüllanlage der Brauerei Adler AG. (Foto: FJ)

80 Prozent ihres Umsatzes macht die Brauerei Adler AG in Schwanden in der ­Gastronomie und mit dem Getränkefachhandel auch ausserhalb des Kantons Glarus. Diese Umsätze brechen dem Unternehmen derzeit wegen der Corona­virus-Pandemie weg. Was es braucht, damit das Braugeschäft wieder in Fahrt kommt, und wie er die Krise wirtschaftlich bewältigen will – der FRIDOLIN sprach mit Mathias Oeschger, Verantwortlicher Verkauf und Mitglied der Geschäfts­leitung der fast 200-jährigen Traditionsbrauerei in Schwanden.

«Bier ist krisenresistent», sagt ­Mathias Oeschger. «Das weiss man aus der Vergangenheit.» Allerdings sind die Brauereien unterschiedlich von der Coronavirus-Krise betroffen. Während Grossbrauereien bis zu 50 Prozent ihres Umsatzes in den Läden der Warenhausketten und im Getränkehandel machen, setzt die Brauerei Adler AG das meiste Bier in Gast­stätten und über den Getränkefachhandel um. «Der Getränkemarkt in Schwanden läuft gut. Hier spüren wir, dass uns die Stammkundschaft in schwierigen Zeiten unterstützt.» Gleichzeitig habe man, so Oeschger, sofort einen Hauslieferdienst ein­geführt. «Wir haben viele ältere Kundinnen und Kunden, die den ­Service des Gratis-Lieferdienstes in Anspruch nehmen. Zwar ist dieser nicht rentabel, aber er ist wichtig für die Bevölkerung. Jetzt braucht jedes Unternehmen auch so etwas wie eine soziale Ader, denn wir müssen die Krise gemeinsam durchstehen.»

Alle betroffen, gemeinsam kämpfen
Entlang der Lieferketten seien alle Unternehmen betroffen. «Alle haben ihre Lager jetzt gefüllt, da muss jeder Abstriche machen, damit wir nach der Krise gemeinsam vorwärtsgehen können.» Ein Teil der Brauereien pumpt derzeit das Bier ab, um es destillieren und zu Desinfektionsmittel verarbeiten zu lassen. Doch Bier ist eben nicht dasselbe wie billiger Alkohol. «Für uns lohnt sich Abpumpen und Brennen nicht. Wir haben zwar eine Überkapazität, doch die wichtige Frage ist, wie lange die Krise noch dauert. Die Brauerei wurde am Mittwoch, 8. April, auf null runtergefahren. Wir haben sie gereinigt und für diese Zeit stillgelegt. Am Dienstag, 14. April, wurden aus den vollen Tanks unsere Spezialitäten abgefüllt – so zum Beispiel das Bügelspez, welches derzeit sehr stark nachgefragt wird.» Da die Brauerei zwei Monate im Voraus braut, sind die Tanks jetzt gefüllt. «Uns fehlen die Landsgemeinde und die Feste und Events in den Monaten Juni bis August. Den schlechten März können wir verkraften, aber jeder ­weitere Monat schmerzt uns mehr.»

Arbeitsplätze sichern
Die Brauerei wurde vor zwei Wochen in zwei Teams aufgeteilt. Das Getränkemarkt-Team arbeitet zu 100 Prozent, das Brauereiteam zu 50 Prozent. Die zwei Gruppen des Brauereiteams ­machen Kurzarbeit, sie wechseln sich ab und arbeiten jeweils eine Woche, haben dann eine Woche Bereitschaft. «So konnten wir allen Mitarbeitenden garantieren, dass es im Moment keine Entlassungen gibt. Bis Ende Mai sind die vollen Löhne garantiert. Das ist die soziale Verantwortung aller Firmen, dass sie die Leute angestellt ­lassen und die Löhne weiterzahlen. Der Bundesrat, unsere Regierung, die Gemeinde und die Verbände haben da grosse Arbeit geleistet. So wurden zum Beispiel alle Brauereien als versorgungsrelevant eingestuft. Das bedeutet: Der Nachschub unserer Rohstoffe ist gesichert, die Transporte mit Malz aus Deutschland, Frankreich und Tschechien kommen über die ‹Green Line› ins Land. Und Brauer aus Deutschland können auch wäh­rend der Coronavirus-Krise zur Arbeit kommen.»

Zukunftsaussichten
«Das Mühsamste an dieser Krise ist die Ungewissheit», so Oeschger. «Wir müssen uns laufend anpassen. Durch die Ereignisse und die Entscheide des Bundesrates sieht morgen vielleicht schon alles anders aus.» Die Aussichten seien aber nicht gerade rosig. «Wir sind gastronomielastig und die Gastronomie lebt vom Zusammensein. Da fragt es sich in Zeiten von ‹Social Distancing›, selbst wenn im Mai die Restaurants wieder aufgehen, wie lang es dauert, bis diese wieder gut besucht werden. Gerade auch bei Eventlocations mit 300 bis 400 Gästen.» Worauf er hofft? «Auf die Solidarität der Schweizer. Der naturnahe Tourismus des Glarnerlandes kann profitieren, die Zeltplätze, die SAC-Hütten, Braunwald, Elm und Mettmen – ich kann mir vorstellen, dass diese Orte und Lokalitäten einen guten Sommer haben werden.» Die grösste Sorge ­bereiten Oeschger die Feste. «Der ­August kommt näher und Grossevents wie etwa das ‹GLKB›-Sound of Glarus ist wichtig für den Umsatz.» Die Brauerei habe in der Vergangenheit Reserven bilden können, «aber mit ­jedem Monat schwemmt es mehr davon raus. Gleichzeitig rechnen wir mit Zahlungsausfällen aus der Gastro­nomie und der Eventbranche. Denn viele Gastronomen konnten keine ­Reserven bilden.» Letztlich sei es die Solidarität entlang der Lieferketten, die entscheidet. Wenn alle bereit sind, einen Teil des Verlusts auf sich zu ­nehmen, kann die Wirtschaft wieder in Fahrt kommen. Wenn dagegen ­massenhaft Betriebe Konkurs an­melden, so droht eine Rezession – nicht nur beim Bier, dort aber auch. FJ

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