Aufbruch in die Nachhaltigkeit

Starke Runde für die Zukunft (von links): Jonathan Fisch, Fritz Waldvogel, Anita Wyss, Markus Klöti, RR Marianne Lienhard, Christian Hofer, Direktor BLW, Bernhard Belk, Vizedirektor BLW sowie Landschaftsentwickler Enrico Celio. (Foto/Video: FJ)

Jonathan Fisch, Mediensprecher beim Bundesamt für Landwirtschaft BLW, ist vom Glarnerland begeistert. Denn der Kanton Glarus wendet den «Entwicklungsprozess ländlicher Raum» (ELR) beispielhaft an. Im Forum GlarnerLandWirtSchaft haben Bauern- und Umweltverbände, Raumplanung und Gemeinden, Tourismus, Käsegenossenschaft und Metzgermeister im Rahmen einer Regionalen Landwirtschaftlichen Strategie eine gemeinsame Vision erarbeitet und Massnahmen festgelegt.

2022 hatte Bauer Werner Elmer-Giezendanner aus Steinibach einen intensiven Sommer – an seinen alten Anbindestall baute er in gerade mal sechs Monaten einen Laufstall für seine Original-Braunvieh-Kühe an. Jetzt kann die Kuh am Melkgitter gemolken werden, die Tiere haben einen grosszügigen Stall. Elmer züchtet hier eine funktionelle Zweinutzungskuh. Doch es gab auch Wermutstropfen: Wegen des Ortsbildschutzes konnte er keinen Misthaufen mit Dach bauen, was ökologisch mehr Sinn ergeben hätte. Er muss also weiter Gülle ausbringen. Zudem wurden einige seiner Schafe vom Wolf gerissen. So greifen Heimatschutz und Tierschutz ins Leben und Wirtschaften des Elmer Bauern ein.

In einem Stall
Doch an diesem nasskalten Donnerstagnachmittag treffen sich in Steinibach auf 1100 m ü. M. zwischen Kuh, Beton und Heuhaufen nicht nur Feldmaus und Rauchschwalbe, sondern gegenläufige Interessen: jene der Naturschutzverbände, vertreten durch Anita Wyss, Geschäftsführerin WWF Glarus, und jene des Glarner Bauernverbandes, vertreten durch Präsident Fritz Waldvogel. Eine dritte Dimension – jene der Kreislaufwirtschaft rund um den «Tausendsassa Hanf» – bringt Martin Klöti von der Genossenschaft Glärnisch Textil ein, und damit das Dach auf dem Hof bleibt, haben sich neben dem Gemeindepräsidenten Glarus Süd Hansruedi Forrer, auch Regierungsrätin Marianne Lienhard und der Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft, Christian Hofer, hier eingefunden. Sie haben zwar keinen Runden Tisch, aber sie skizzieren reihum ihre Ideen und Zielsetzungen für die Land- und Ernährungswirtschaft der Zukunft und treten dazu in den Dialog. «Mit dem Entwicklungsprozess Ländlicher Raum», so Christian Hofer, «schaffen wir Dia­logräume, um das gegenseitige Verständnis für die Probleme zu fördern und daraus aber nachher auch sach­liche und nachhaltige Lösungsan­­sätze für den ländlichen Raum zu unter­stützen.»

Wertschöpfung
Wie Fritz Waldvogel darlegt, brauche es für die Wertschöpfung sowohl den Talboden und die Tiere dort, um dann in den Sömmerungsbetrieben auch die Alpen nutzen zu können. «Wir müssen uns darum bemühen, weitere Wertschöpfung zu generieren.» Um dieses Ziel zu erreichen, so Martin Klöti, setze er auf Kreislaufwirtschaft. Am Anfang stehen da die nachwachsenden Rohstoffe, produziert durch die Landwirte, welche als Halbfabrikate weiterverarbeitet werden, um alltägliche Produkte zu erzeugen – so können etwa aus der Pionierpflanze Nutzhanf sowohl Öle wie Baumaterialien oder auch Textilien und vieles mehr produziert werden. Dies ist also eine von mehreren Wertschöpfungsketten, die im Glarnerland aufgebaut werden können. Eine andere wäre etwa die Nutzung von alten Ställen für Zuchtpilzkulturen als regionale Nahrungslieferanten für die Gastro­nomie oder es könnten, nach der Wiederbefeuchtung von Rietlandschaften, auch Reiskulturen entstehen.

Reaktion in der Krise
Anita Wyss bezieht sich auf die Klima- und die Biodiversitätskrise und setzt sich – namens des WWF und anderer Verbände – für die Förderung der Biodiversität, eine klima- und ressourcenschonende Landwirtschaft und damit für die Diversifizierung der landwirtschaftlichen Produktion ein. So sollen etwa Ackerflächen wieder vermehrt für den Anbau etwa von Kartoffeln genutzt werden. Das sei kein Widerspruch zur Wertschöpfung, doch müsse die Wertschöpfung eben auch die Grenzen des Planeten Erde respektieren.

Vieles ist getan...
Derzeit sind bereits drei Viertel des Weges im Planungsprozess bewältigt. Das bedeutet, dass der Mehrwert des ELR für Landwirtschaft, Raumentwicklung, Natur- und Umweltschutz und Regionalentwicklung ab 2023 durch Projekte und Massnahmen abgeschöpft werden kann. Glarner Alpkäse, Ziegenfleisch oder Rapsöl haben schon jetzt einen hohen Eco-Score und die erarbeiteten Zukunftsbilder wollen, dass das Glarnerland dank ELR bald in weiteren Bereichen Pionierkanton für nachhaltige Wertschöpfung wird.

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