Glarus Süd wird reicher

Applaus für den neuen Gemeindepräsidenten Hans Rudolf Forrer. (Foto: FJ)

Der Himmel weinte zwar, als rund 70 der insgesamt 489 Neuzuziehenden von Glarus Süd am Samstag, 1. Oktober, im Legler-Areal Diesbach in den Kontakt mit «ihrer» Gemeinde traten. Der Anlass bietet der zweitgrössten Schweizer Gemeinde Grund zur Freude. Eine Reportage darüber, was sie der Gemeinde Glarus Süd bringen und was sie von ihr bekommen.

Im Juni dieses Jahres konnte die Hochdruckkraftwerk Diesbach AG das Legler-Areal kaufen – Mitaktionärin ist die Gemeinde Glarus Süd, Nachfolgerin der einstigen Gemeinde Diesbach. Damit schliesse sich, so Hans Dürst, der den Neuzuzügern das Legler-Areal vorstellte, ein Kreis. Denn vor mehr als 150 Jahren kauften die Leglers das Land für ihre Fabrik von der Gemeinde Diesbach – eine der Bedingungen war damals die Schaffung von Arbeitsplätzen. In erster Linie sollten Diesbacher beschäftigt werden. Später dann trug die Firma zur Elektrifizierung des Ortes bei, bis in die 1980er Jahre hatten Textilfachleute hier gute Arbeit.

Symbolcharakter
Deshalb hatte der Ort der Feier Symbolcharakter – man erlebte ein Areal, wo seit Jahrhunderten entwickelt wird und das auch heute brachliegendes Potenzial birgt. Doch was früher Webstühle waren und heute Stromturbinen sind, kann in Zukunft zum Beispiel der weltweite Handel werden, die IT-Branche oder Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften. Unter anderem aus diesen Branchen stammen Neuzuziehende in Glarus Süd. Das sind etwa die Wiener Unternehmerin Isabella Mysliwiec und ihr Partner aus Polen. Beide sind international tätig, gerade wird – nach Europa, Asien, Australien und Nordamerika – mit Partnern das Südamerika-Geschäft aufgebaut. Der Claim des Unternehmens lautet «Verkaufen Sie weltweit – ab heute!», das Business ist der E-Commerce, aber der Sitz ihrer MUULTI AG ist seit März das Müsli in Elm. Ein modernes, ja originelles Mehrfamilienhaus, wo sie sich wohl fühlen. Abgelegen? Im Gegenteil: hier lassen sich für sie Natur, Sport und Business in netter Gesellschaft verbinden.

Raum für jeden
Auch das kanadische Paar, welches vor kurzem nach Engi zog, schätzt die Nähe zur Natur. Er arbeitet in Zürich als Informatiker, sie konnte – nachdem sie bisher immer in Städten gelebt hatte – zurück zur Natur aufs Land, wo sie wieder ihre Wurzeln spürt, künst-lerisch tätig ist und auch Musik macht. «Niemand beschwert sich, wenn ich etwas lauter spiele», lacht die Frau, die ursprünglich aus der Nähe von Toronto stammt. Auch für die Familie Thoma aus Linthal war der Raumvorteil von Glarus Süd ein entscheidender Grund. «Es ging alles schnell», sagt die Mutter von drei Kindern. «Wir konnten im Frühling ein Einfamilienhaus kaufen und da ich bei der global vernetzten Zuger Wirtschaftsprüfungsfirma im Homeoffice arbeite, konnte ich hierher nach Glarus Süd ziehen, wo ich herkomme.»

Kinder, Steuern, Innovationen
Die Neuzuziehenden bringen also Kinder mit, sind gute Steuerzahler und innovativ. Das kann die Gemeinde gut gebrauchen, denn sie ist flächenmässig grösser als etwa die Kantone Schaffhausen, Genf oder Basel Stadt, und muss entsprechend viel Infrastruktur unterhalten – so etwa 100 Kilometer Strassen und 40 Alpbetriebe. Bevor Clown Mischa vom nahen Zirkus Mugg die Kinder (und Erwachsenen) bespassen konnte und bevor sie – zusammen mit dem Gemeindepräsidenten – unter den Schirmen an die Chilbi in Luchsingen wanderten, wo sie die geschenkten Raclettegutscheine einlösen konnten, brachte ihnen Jakob Wohlwend die aufwendige Alpwirtschaft näher: Die 20 Milchkuh-Alpen mit Verarbeitung, welche hohen Investitionsbedarf haben, ebenso wie jene ohne Verarbeitung, mit mittlerem Investitionsbedarf, dann die Jungvieh- und Mutterkuhalpen und auch die drei Schafalpen, welche mit dem Wolf wieder in den Fokus rückten, da sie jetzt wohl ständige Behirtung und damit ein Gebäude als Unterkunft benötigen. «Schon an der kommenden Gemeindeversammlung werden Sie über Alpgeschäfte befinden», so Wohlwend, «doch Alpen gehören zu unserem Erbe. Deshalb ist es unsere Strategie, sie nicht zu verkaufen.»

Fast 500 neue Personen zogen nach Glarus Süd – aus verschiedensten Nationen. Es kommen Deutsche, Niederländer, Italiener, Österreicher, Polen, Portugiesen, Ungarn, Tschechen und über 300 Schweizer – und doch braucht man nicht unbedingt nach den verschiedenen Nationalitäten zu fragen, obwohl auch sie eine Bereicherung darstellen. Vielmehr bedeutet der Zuzug nach Glarus Süd eine Stärkung der Gemeinschaft und bereichert den Kanton.

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