Glarner Abschlüsse 2021

Melina Etter, Selina Jöhl und Kapta Anyaktsang – frisch gebackene Koch/Köchin EFZ. (Foto/Video: FJ)

Ob Informationstechnologie oder Gastronomie, wer sich in diesen schwierigen Zeiten nicht nach der Decke streckt, wird untergehen. Gerade sind landauf, landab die Abschlussfeiern in Berufslehre, Berufsmaturität und Maturität. Bei den Feiern aber ist vor allem Freude zu spüren, denn die frisch Ausgebildeten sind nicht nur ideenreich, sondern auch anpassungsfähig und budgetbewusst.

Vor einem Jahr ging das grosse Klagen durch die Schweiz: Durfte man während einer Krise mit Lockdown von Maturandinnen und Berufsabsolventen Prüfungen verlangen? Als einer der wenigen Kantone entschloss sich Glarus, die Prüfungen, so weit das durch den Bund überhaupt noch erlaubt war, auch durchzuführen. Heute – ein Jahr später – steht eine junge Generation vor dem Abschluss, die trotz Corona ohne Murren ihre Prüfungen ablegt, tapfer und standfest und mit einem Lächeln auf den Lippen.

Anpassungsfähig
Beispielhaft dafür sind Selina, Melina und Kapta, die drei besten Köchinnen/Köche EFZ an der Berufsschule Ziegelbrücke. Alle drei haben in der Gastronomie ihre Lehre abgeschlossen. Ausgerechnet in der Gastronomie. Dort herrschte jetzt fünf Monate lang Stillstand, gerade erst können die Betriebe wieder hochgefahren werden. Die Lage ist nach wie vor schwierig und unsicher. Doch, so Urs Brotschi, Präsident Hotel & Gastro Formation Glarnerland, «Gastfreundschaft und Geborgenheit lassen sich nicht online kaufen.» Wer selbstbewusst ist, wer Ideen hat, wer sein Können einsetzt und sich auf seine Stärken besinnt, der hat eine Chance. So zeigen auch die drei neuen Berufsfachleute vor der Kamera keine Zukunftsangst, dafür ein solides Selbstbewusstsein und Ideen. Kapta, der Tibeter, der als bester Glarner abschloss, ist mit seiner Frau und seinem Baby an der Feier und wird weiter im Altersheim Letz arbeiten. Später möchte er tibetisch-europäische Küche kreieren. Selina hat Glück gehabt und einen Job als Köchin ergattert. Sie wechselt von Amden auf die Schwägalp. Und Melina? Sie macht einen Sprachaufenthalt und liebäugelt mit einer Ausbildung als Flugbegleiterin. Als sie vor der Kamera steht, sagt Selina zu ihr: «Du siehst aus wie die Wetterfee.» Wer weiss? Das wäre ja auch noch eine Alternative.

Ideenreich
Über die tatsächliche Lage in der Gastronomie scheiden sich die Geister. Während manche Medien orakeln, das schlimmste komme noch, gibt es aus anderen Richtungen auch positive Signale. So zeichnete Lunchgate gerade 460 Schweizer Betriebe mit dem Swiss Guest Award aus – als Resultat von 80000 Bewertungen durch echte Gäste. Zum ersten Mal erhielt ein Restaurant in allen vier Kategorien Essensqualität, Servicequalität, Ambiente und Preis/Leistungsverhältnis die Maximalnote 5: Es ist die Bluemä aus Uznach, wo «Hohruggä vom Bänggner Rind» auf der Karte steht und wo ein Märchler und eine Eschenbacherin mit Leidenschaft und Qualität ihre Gäste empfangen. Die Karte ist klein, aber fein. Auf den Tisch kommt Qualität aus der Schweiz. Manche der Gastro-Ideen, die während der Pandemie entwickelt wurden, sind so naheliegend, dass man sich fragt, warum nicht schon lange jemand auf sie gekommen ist. So bietet Familie Atia-Eskildsen vom Restaurant Bergli in Glarus knapp hundert Meter vom Gasthaus einen Picknick-Plausch auf dem Bänkli über dem Berglirain. Romantischer geht’s wohl kaum. Und hinten im Klöntal fahren jetzt für drei Monate Food-Trucks auf und Sirana betreibt im Vorauen dazu eine Pop-up-Bar.

Budgetbewusst
Doch zurück zu denen, die gerade den Abschluss in der Tasche haben. Sie mussten während ihrer Ausbildung auf vieles verzichten, was selbstverständlich ist. Auf die Maturareise nach Amsterdam, auf die Projektwochen, auf Sprachaufenthalte. Die Lehren daraus: Es geht auch mal mit etwas weniger. Während sonst die Feiern immer ausgelassener wurden, freuen sich die meisten schon, dass sie sitzend am Tisch miteinander einen Apéro geniessen dürfen. Es geht nicht darum, immer mehr zu bekommen und zu erleben, sondern vielmehr darum, das Erlebnis tiefer wahrzunehmen. Da wirkt die Krisenerfahrung wie eine Lupe, unter der auch das Kleinste plötzlich gross und wertvoll erscheint.

FJ

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