Ideenschule Braunwald

Ideenabend in der Gesamtschule Braunwald. (Foto: FJ)

FinanzInfra, Schuldenschnitt bei den Bergbahnen, die Standseilbahn, Strassendiskussion, Entwässerung – ist eigentlich alles in Braunwald ein Millionenproblem? Nein: Eine kleine Gruppe von Eltern und Lehrern hat gerade eine Werbekampagne gestartet. Aus Eigeninitiative und mit dem Ziel, Familien zum Leben in Braunwald zu begeistern. Ein Elternabend.

Eigentlich hängt nur deshalb ein meditierender Gartenzwerg, der «Pssst!» sagt, in der Braunwaldbahn, weil Esther Schuler mit den Mamis einen Erstimpuls gegeben hat. Ihre drei Jungs sind zwar inzwischen aus dem Kindergarten raus, aber sie hatte mehrmals betont, dass doch etwas getan werden müsste. So haben Eltern in Eigeninitiative als Erstes die Schule beschriftet. Denn Passanten und Stehenbleiberinnen sehen es dem kleinen Braunwalder Schulhaus gleich neben dem Hotel Tödiblick ja nicht an, dass es eine Bergschule und ein Kindergarten ist. «Ab dem Schuljahr 2022/23 sind zu wenige Kinder im Kindergarten. Diese Lücke verschiebt sich dann ins Schuljahr 2023/24. Zunächst davon beeinträchtigt ist vor allem der Kindergarten, weil nur noch ein einziges Kind im Kindergarten sein wird.» Das wäre eine Katastrophe. Finden jedenfalls Thomas Gilgen und Nina Brunner. Sie sind mit ihrer Tochter vor vier Jahren aus der Stadt nach Braunwald gezogen und wussten die Kombination von Homeoffice, Kindergarten und Bergsicht schon vor der Pandemie zu schätzen. Deshalb entschlossen sie sich, etwas dagegen zu unternehmen. Auf die Schulhaustafel folgten weitere Tafeln, solche an den Seilbahnmasten und im Bähnli. Sie sind mit einem QR-Code markiert und wer in den Skiferien sein Handy draufhält, der kommt auf die Webseite lebeninbraunwald.ch. Das Ziel der Werbeaktion: Familien mit Kindern aus der Agglomeration und den Städten nach Braunwald zu holen. Denn in Zeiten von Corona, Homeoffice und explodierenden Mieten und Kaufpreisen rund um und in Zürich, könnte der eine oder die andere Digitalnomadin ja Braunwald als Rückzugsort oder Basislager entdecken.

Elternabendflair
Deshalb diskutieren wir jetzt im Schulzimmer, während vor dem Fenster das gewaltige Bergpanorama sich rötet und keiner betet. Ich bin der Journalist, der – wie bei einem Elternabend – vor Thomas, Nina, Ursi, Esther, Gabriel und Bettina sitzt und sich anhört, was ihre Ideen für die Zukunft sind. Denn – ob sie’s glauben oder nicht – es haben sich tatsächlich bereits fünf interessierte Stadtfamilien gemeldet. Und es hat schon erste Besichtigungen gegeben. Alle hätten sie am liebsten ein Idyll, wo man auch Exotisches wie Koriander kaufen kann. Da könnte Braunwald punkten, obwohl es wenig Arbeitsplätze zu bieten hat und obwohl auch nicht gerade viel Wohnraum leer steht. Die Eltern-/Lehrer-Gruppe hat aber ein kleines Inventar gemacht, mit möglichen Miet- und Kaufobjekten, wo Nomadinnen (insbesondere solche mit Kindern) sesshaft werden könnten. Unterstützt werden sie von Markus Hermann, BRIMO – Architektur und Immobilien AG. Hermann, das ist der, welcher in diesem Winter mithalf, die Panoramaloipe Braunwald zum Leben zu erwecken. Auch weitere Immobilienbüros sind angefragt und melden, wenn in Braunwald etwas frei wird.

Ein bisschen verrückt, aber machbar
«Wir wollen Ideen angehen und verwirklichen, dabei hat die Suche nach Wohnraum oberste Priorität.» Auf dem Inventar stehen sogar leerstehende Schöpfe und Ställe, die sich z.B. im Sommer als Künstleratelier eignen. Oder, wenn da Strom und ein Internet installiert wären, als Coworking-Stationen. «Gesucht sind Leute, die Homeoffice machen können», sagt Esther. Natürlich gibt es erschwerende Faktoren, so müsste etwa Bauland gefunden werden oder es braucht Umzonungen, was ohne Nutzungsplanung derzeit nicht möglich ist. Aber es gibt auch Faktoren, welche der Gruppe in die Hände spielen. Zum Beispiel die Dokumentation über die Winterkinder im Fernsehen SRF. Dabei ist das Leben in Braunwald kein Zuckerschlecken. «Das merke ich dann, wenn ich mit drei Kindern und meinen Einkäufen an der Talstation ins Bähnli steigen muss», lacht Esther.

Zum Beispiel Kultursauna
«Ein Tag an der Sonne mit dem Laptop in einem Stall mit W-Lan und Licht, oder eine Kultursauna, wo es nicht nur Dampf, sondern auch Lesungen und andere Events gibt. Ein Schlechtwetterprogramm eben. Ähnlich wie im Seebad Enge, dessen Veranstalter an einer finnischen Sauna in Braunwald interessiert sind. Das eigentlich nahe Zürich könnte man ja als Ausgehmeile begreifen, und das autofreie Braunwald als Chance. «Unsere Kinder haben das ganze Dorf von zuoberst bis zuunterst als Spielplatz.» Thomas, der die Ideen der Gruppe zusammenfasst und auch schon konkrete Vorschläge hat, wie man sie umsetzen könnte, muss als erster gehen – an eine Sitzung im Homeoffice. Bettina bringt die Braunwalder Yoga-Wochen ins Spiel, ein Foodfestival bei Hüttenberg und Uhu. Auch Tipis und die Bubbles werden erwähnt.

Inspiration aus Kinderhand
Die Welt in dieser Gesamtschule ist kreativ: Oben an der Wand hängen die Planeten, an den Pulten französische Verben und auf der Wandtafel steht «Die Ziege», noch von einem Vortrag, den ein Kind hier gehalten hat. Eine Weile lang wogt die Diskussion um die Vorteile einer Gesamtschule, wo die älteren Schüler stolz den jüngeren zeigen, wie etwas geht. Dass Braunwaldkinder extrem fit sind, hat damit zu tun, dass es fast immer bergauf und bergab geht. «Die Qualitäten des Ortes unterstreichen», sagt Gabriel. «Seit ich Glarnerland denken kann und das beginnt 1978, bin ich mit dem Bevölkerungsrückgang konfrontiert, der primär mit Schliessungen von Textilfabriken zu tun hatte, die in den 1960ern begannen. Seit 1998 bin ich mit Schulschliessungen konfrontiert.» Nina kommt auf die altersdurchmischte Siedlung im Linthpark zu sprechen und Thomas sagt: «In 20 Jahren kann es auch sein, dass wir zur Agglomeration von Zürich gehören.» Die Chancen der Digitalisierung nutzen, die Bergschule für Kinder mit besonderen Bedürfnissen öffnen. Möglichst alle im Dorf ins Boot zu holen – Landwirte, Touristiker. Man kennt sich, hat Vertrauen zueinander. Die vielen Touristen, sagt Ursi, öffnen die Dorfbevölkerung für Neues und für Fremde. Das bestätigt Esther, die schon in anderen Bergdörfern gelebt hat und einst auch als Auswärtige nach Braunwald gekommen ist. Esther und Ursi begleiten mich zum 20.25-Uhr-Bähnli. Inzwischen ist es Nacht und ich muss noch mit dem Velo nach Mollis. Im Bähnli bin ich allein. Eigentlich, denke ich mir, eigentlich würde sogar ich gerne in Braunwald leben. Und genau das soll die Webseite lebeninbraunwald.ch erreichen. www.lebeninbraunwald.ch Videostatements

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FJ

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