Zu Beginn der Schlacht

Zu Beginn der Schlacht

Während weltweit schon Tausende von Toten beklagt werden, hat die Glarner Schlacht gegen das heimtückische Corona­virus gerade begonnen. Der FRIDOLIN war im Zeughaus zu Besuch und lernte, wie man sich vorbereitet.

Stabsoffizierin im Kampf gegen das Coronavirus ist Ärztin Dr. med. Philippa «Pippa» Golling. Denn sie sorgt dafür, dass alle – und zwar wirklich alle – im Zeughaus zu Beginn des Dienstes Fieber messen und die Hände desinfizieren. Sie zeigt nicht nur, wie man es macht, sie kontrolliert und kommentiert auch die Temperatur. Zwei Sekunden, das Ohrthermometer piept: «36 Grad, das ist perfekt!» 35 Grad? «Wohl eine lange Nacht gehabt!» Alles über 37 Grad ­bedeutet: Höchstgefahr, vielleicht Corona-positiv. General im Krieg, der seit dem 17. März geführt wird, ist Regierungsrat Dr. Rolf Widmer, Vorsteher des Departementes Finanzen und Gesundheit. Er kennt das Schlachtfeld am besten und weiss zugleich, welche finanziellen Mittel für den Kampf bereitstehen. Mit ihm in der Leitung aktiv: Landammann Dr. Andrea Bettiga und Staatsschreiber Hansjörg Dürst. Ihre Strategie wird umgesetzt durch Stabschef Jürg Feldmann und die Mitglieder des Stabs aus den verschiedenen be­troffenen Bereichen – Gesundheit, Versorgung, Kommunikation, Wirtschaft, Soziales, Polizei, ÖV, Füh­rungsunterstützung und den Gemeindeführungsorganisationen GFO.

Denn der Regierungsrat des Kantons Glarus hat am 17. März die Kantonale Führungsorganisation (KFO) eingesetzt. Spezialisten aus den Bereichen Gesundheit, Militär und Zivilschutz und aus der öffentlichen Verwaltung treffen die notwendigen Vorkehrungen und organisieren fachüber­greifend den Schutz der Bevölkerung. Um einen Einblick in die Tätigkeit der Kantonalen Führungsorganisation zu geben, waren die Medien am Mittwoch, 1. April, zu einem Rundgang und Augenschein eingeladen. Mit Maj Pierre Weidmann vom Zivilschutz ging es zuerst ins Maskenlager, wo chirurgische Einmalmasken, FFP2- und FFP3-Atemschutzmasken sowie ein Fass mit Desinfektionsmittel lagern. Teilweise haben Unternehmen hier weitere Masken gespendet; bei Grünenthal Pharma AG in Mitlödi – so Weidmann – habe man mit der ­Produktion von Desinfektionsmitteln begonnen.

«Sorgentelefon» und Freiwilligenpool
Als niederschwelliges Angebot wird vom Kanton unter der Hotline 055 646 60 50 ein «Sorgentelefon» betrieben. Gerade sind Sabine Steinmann – von der Koordination Gesundheit – und Daniela Toso – von der Schul­sozialarbeit – am Apparat. Bei ihnen kann man, wenn nötig sogar anonym, anrufen, wenn man mit den Kindern nicht mehr zurechtkommt, wenn ­Eltern oder Familien in Schwierig­keiten sind, wenn es Streit gibt oder wenn Erwachsene ihre Betreuungsfunktionen bei hochbetagten Eltern nicht mehr wahrnehmen können. Auch Seelsorgegespräche wurden von hier aus schon vermittelt. Gleichzeitig wissen die Frauen vom «Sorgentelefon», wo welche aktuellen ­Hilfen angeboten werden. Im nächs­ten Raum ist Adrian Helbling am ­Telefon. Normalerweise arbeitet er als Sekretär auf der Gerichtskanzlei – jetzt ist er im Einsatz, um den kantonalen Pool von freiwilligen Pflegekräften aufzubauen. Wo Bedarf und Möglichkeit besteht, werden diese Pflegekräfte und Fachpersonen dann eingesetzt.

Das Herzstück
Im Kommandoposten von Stabschef Jürg Feldmann ist die aktuelle Lage auf dem Bildschirm dargestellt. ­Corona-Fälle, Lage auf der Intensivstation, aber auch alle wichtigen Kontakte – hier laufen die Fäden zusammen. «Wir müssen hier Ruhe haben im Stab», sagt Feldmann. «Nur so können wir Problemstellungen er­kennen und Massnahmen treffen.» Es herrscht ein gutes Klima, in dem man den Mehrwert des Gemeinsamen nutzt. Damit man bereit ist, wenn die erwartete Situation eintrifft.

Militär und ZSO
Ein Zimmer weiter hat Oberst Hans-Peter Müller von der Ter Div 4 sein Büro. Als Schnittstelle zwischen ­ziviler und militärischer Führung leitet er z.B. die Anträge des Kantons an die Armeeführung weiter. Bereits sind 23 Angehörige der Armee im Glarnerland im Einsatz, der Zivilschutz hat für sie im Schulhaus Obstalden eine Unterkunft einge­richtet. Diese Soldaten arbeiten beim «Sorgentelefon» mit, fahren Ambulanzen oder unterstützen die Pflegekräfte im Kantonsspital. Im Kommandoposten des Zivilschutzes plant Kommandant Oberstlt Marc Olivi die Einsatzkräfte. Die Listen der Zivilschützer zeigen: wer grün ist, kann eingesetzt werden; wer gelb ist, ­arbeitet schon irgendwo in der Grundversorgung des Landes – als Landwirt oder in einem Lebensmittelgeschäft. Diese Zivilschützer werden erst eingesetzt, wenn es an anderen fehlt. Und schliesslich sind da noch die «Roten», also jene, die Olivi nicht einsetzen kann, z.B. weil sie selber zur Risikogruppe gehören. «Wir haben jetzt schon rund einen Drittel weniger Bestand; mit dem neuen Bundesgesetz über den Zivilschutz, das ab 2021 in Kraft tritt, wird es noch schwieriger.» Die Zivilschutzangehörigen haben viele Aufgaben, von der Zutrittskontrolle im Kantonsspital Glarus über Logistikaufgaben im Gesundheits­wesen bis zum Klinkenputzen im Zeughaus oder zur Essensausgabe.

Führungsalltag
Für jene, die nicht schon vorher begonnen haben, beginnt der Arbeitstag um 07.00 Uhr. Um 07.30 Uhr ist ­Rapport; bis 11.00 Uhr treffen die ­Meldungen der Schlüsselorganisa­tionen ein, auch jene aus den Lageverfolgungszentren. Um 14.00 Uhr ist der Lagerapport – zur allgemeinen Lage, zu jener in den Nachbarkantonen und im Glarnerland selbst. Aus ­allen Führungsgrundgebieten wird zum Kommandoposten gemeldet. «Jeder muss genau wissen, was er zu tun hat», sagt Regierungsrat Dr. Rolf Widmer. «Eine Verwaltung ist für solche Aufgaben nicht aufgestellt. Deshalb haben wir eine Führungs­organisation aus dem Boden gestampft.» Aber es brauche auch Improvisationskunst, damit man sich über den Personaldienst des Kantons aushelfen könne. «Auf der Basis: Wo hat es noch Ressourcen? Wo braucht es sie?» Derzeit sind rund 20 Leute in der KFO, doch dahinter stehen weit mehr Personen: die gesamte Zivilschutzorganisation, die ausführenden Elemente, die Polizei, welche dringlich einschreiten muss, etwa wenn sie Menschenansammlungen an neu­ralgischen Punkten konsequent auflöst.

Im Anschluss heisst es: Essen fassen aus der Zivilschutzküche vor «Suworows Schlacht in der Seerüti im Klöntal». Man sitzt – mit 2 m Abstand – im Lagerraum Erdgeschoss, er gleicht einem mittelalterlichen Rittersaal, nur werden statt Wein Soft­getränke gereicht. FJ

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