Nach Hufeisen Porzellan

Fabia Hadorns Porzellanwerkstatt in der ehemaligen Schmiede Bieri. (Foto: Søren Ehlers)

Seit 1000 Jahren werden in China Porzellangefässe hergestellt und seit 1000 Jahren werden Pferdehufe beschlagen. In jener Werkstatt, wo einst Rudolf Bieri Pferdehufe beschlug, formt jetzt Fabia Hadorn zerbrechliche Gefässe.

Wer durch das verglaste Holztor an der Stampfgasse 4 tritt, taucht ein in eine andere Welt. Jahrzehntelang wurden hier von Hufschmied Rudolf Bieri Pferde beschlagen. Die Werkstatt sieht aus, als sei er nur kurz zum Mittagessen verschwunden. Doch mittlerweile ruht die Werkstatt fast seit 20 Jahren. Trotzdem ist der Raum belebt. Fabia Hadorn hat im vorderen Teil der Werkstatt, bei den grossen Fenstern, ihr Porzellanatelier eingerichtet. Wo früher die Pferde standen und neue Hufeisen bekamen, steht nun ein Tisch. Darauf stapeln sich Porzellangefässe in unterschiedlichen Stadien der Vollendung.

Das Porzellan gemeistert
Fabia Hadorn kam vor über 20 Jahren als frisch ausgebildete Primar- und Reallehrerin an ihre erste Stelle in Näfels. Später wurde sie Lehrerin für technisches Gestalten in der Oberstufe Buchholz in Glarus. Sie bildete sich mit einem vierjährigen berufsbegleitenden Lehrgang Gestaltungspädagogik weiter. «In diesem Lehrgang lernte ich das Material Porzellan kennen. Seither lässt es mich nicht mehr los.»

Die Herstellung von dünnwandigen Porzellangefässen erfolgt meist durch Giessen und nicht – wie oft beim Ton – durch Modellieren und Drehen. Das Porzellan wird als cremige Masse in eine Form hineingegossen. Fabia ­Hadorn hat im Laufe der Zeit unzählige Gussformen aus Gips hergestellt. Die Flüssigkeit trocknet ganz langsam von aussen gegen innen. Lange bevor die ganze Masse getrocknet ist, wird die Gussform entleert. Zurück bleibt ein dünnwandiges Gefäss, nämlich genau der Teil, der bereits lederhart geworden ist. Nach erfolgter Lufttrocknung wird das Gefäss geschliffen und bei 980 °C rohgebrannt. Nach einer langen Abkühlungsphase werden die Gefässe glasiert und ein zweites Mal bei 1200 °C gebrannt. Äusserst anspruchsvoll bei diesem Prozess ist der Schwund des Materials zu handhaben, es schrumpft um bis zu 16 Prozent. Das braucht sehr viel Erfahrung beim Herstellen der Gussform, die um einiges grösser sein muss als das Gefäss, welches man am Schluss haben möchte. Wenn Fabia Hadorn verschiedene Verzierungen auf der Glasur anbringt, braucht es einen dritten Brand. Dieser aufwendige Prozess lohnt sich, denn die Porzellangefässe sind viel dünnwandiger und leichter als modellierte Gefässe und lassen das Licht durchschimmern.

«Es kann sehr viel schiefgehen. Zum Beispiel hinterlässt das kleinste Staubkorn, das in die Glasur gerät, nach dem Brennen ein Loch. Beim Herausnehmen aus der Form, beim Glasieren, Dekorieren, Brennen, immer ist das Material sehr empfindlich.» Fehler lassen sich hinterher auch nicht mehr korrigieren: «Ich hatte sehr viel zu lernen. Viele Fails, viel Ausschuss. Das Einzige, was hilft, ist üben, üben, üben. Und plötzlich geht's. Diese Haltung versuche ich auch meinen Schülerinnen und Schülern glaubwürdig zu vermitteln.»

«Darf ich noch länger bleiben?»
Im Fach Technisches Gestalten dürfen die Schülerinnen und Schüler mit verschiedensten Materialien arbeiten, zum Beispiel mit Ton. Oder mit Silber, das aus alten Löffeln gewonnen und zu Schmuck gegossen wird. Die Arbeit mit Porzellan macht sie nur mit Schülern, die in eine technische Richtung weitergehen, denn diese Arbeit ist eher anspruchsvoll.

Wie erlebt Fabia Hadorn die Arbeit mit den Jugendlichen? «Ich sehe, was mit den Menschen passiert, wenn sie sich darauf einlassen. Es gibt ‹Luftibuskinder›, die kaum still sitzen können und grosse Mühe haben, sich zu konzentrieren. Plötzlich werden sie ruhig, vertiefen sich in die Arbeit mit dem Material und vergessen alles um sich herum. Manchmal kommen eher auffällige Lernende am Ende der Werkstunde und fragen: Darf ich noch länger bleiben?»

Kurse im Atelier
«Nach zwei Jahren Üben mit dem Porzellan bin ich so weit, dass ich mein Wissen auch in Kursen weitergeben kann.» Hadorn plant, ihre Angebote zu erweitern, etwa mit Kursen für private Gruppen oder einem Brennservice: «Man kann bei mir Ton kaufen, selber etwas gestalten und es dann brennen lassen.» Informationen unter Telefon 079 828 44 40 oder @wunder_werkstatt.ch auf Instagram, nächster Kursbeginn: Freitag, 26. September.

Rudolf Bieri, mittlerweile 85, und seine Familie freuen sich, dass die Werkstatt belebt wird. Und auch der Stampfgasse steht es gut, wenn wieder eine Tür, ja sogar ein Tor, aufgeht. 

Søren Ehlers

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