Als wären «Queen» zu Gast

In Gedenken an die Opfer des Nahostkrieges: Der Bratschist Mathis Rochat eröffnet mit der Suite Hébraique die Musikwoche Braunwald. (Foto: dl)

Chaarts wird als «Klassik-Band» bezeichnet, sie brauchen kein komplettes Orchester zu sein, um grosse Stücke zu spielen. Das freie Ensemble mit bis zu 35 Musikern und Musikerinnen aus ganz Europa füllt die Bebié-Halle in Linthal mit so viel Energie, dass das Eröffnungskonzert der Musikwoche Braunwald bereits ein erstes Highlight war.

Dafür, was genau eine Rhapsodie sei, erklärte Michael Eidenbenz, gäbe es nicht wirklich eine Definition – sie bestehe aus verschiedenen Themen, die nur lose miteinander verknüpft sind und trotzdem in einem Stück «zusammenfliessen». Damit schlägt der langjährige Programmleiter den Bogen zum diesjährigen Thema «Schmelzwasser» der Musikwoche Braunwald. Er tritt nach der Begrüssung durch Co-Präsidentin Regula Weber auf die Bühne, um am 7. August das erste Konzert des Festivals in der Bebié-Halle zu eröffnen. Im Konzertprogramm des Ensembles Chaarts stehen fünf Rhapsodien, alle virtuos und mit viel Drive. Die wahrscheinlich bekannteste «Bohemian Rhapsody» von Freddy Mercury (Queen) muss sich das Publikum aber als Zugabe «erklatschen». Tatsächlich fliessen bereits die ersten Töne auf das Publikum über, der schlichte, weisse Fabrik-Raum der Bebié-Halle in Linthal beginnt zu leben. Das Ensemble ist mit Profi-Musikern und -Musikerinnen mit Wurzeln aus aller Welt besetzt, die Streicher sind angereichert mit einigen Bläsern, dazu einer Solistin am Klavier und zwei Solisten an Violine und Viola.

Ein erstes Highlight
Den Start macht der schweizerisch-französische Bratschist Mathis Rochat mit Ernest Blochs Suite Hébraique, einer Rhapsodie für Viola und Ensemble. Er und das Chaarts verschmelzen mit der Musik – und ziehen das Publikum nach. Nach herzlichem Applaus setzt Mathis Rochart gleich noch ein zweites Mal zum ersten Satz an, in Gedenken an die Opfer des Nahostkriegs, mit den Worten, der Komponist sei traurig darüber gewesen, dass der Staat mehr Geld investiere ins Militär als in die Musikschulen.

Ein bisschen unmöglich
Für die zweite Solistin, die Westschweizerin Mélodie Zhao, wird der schwarze Flügel ins Zentrum des Orchesters geschoben. Sergej Rachmaninows «Rhapsodie über ein Thema von Paganini mit 24 Variationen» (arr. Wolfgang Renz) ist spieltechnisch höchst anspruchsvoll. Zhaos lebendige Art des Musizierens, bei der sie zugleich das Orchester dirigiert, fasziniert sofort. Als Zugabe liefert sie ein eigens komponiertes Stück über «Star Wars», das sie ursprünglich für das Zurich Filmfestival schrieb. Sie erklärt: «Es gibt immer Diskussionen, ob man den Film gut findet oder nicht. Über die Musik aber herrscht Konsens.» Damit setzt sie an zu ihrem «ein bisschen unmöglichen» Stück, aus dem immer wieder die bekannte Titelmelodie des Sternenkrieges hüpft.

Absolute Versunkenheit
Auf Mélodie Zhao, die zu übertreffen unmöglich schien, tritt David Castro-Balbi in die Mitte, die Rhapsodie Tzigane von Maurice Ravel erklingt: eine lange Solo-Einleitung, dann die Steigerung mit der vollen Besetzung des Ensembles. Mit seiner fast rauen Art, die Violine zu spielen – kräftig, energievoll und trotzdem höchst virtuos – bringt der Französische Solist mit Südamerikanischen Wurzeln nochmals eine neue Facette auf die Bühne, glänzt mit absoluter Versunkenheit und kommt schliesslich richtig in Fahrt, als er mit seinem Bruder am Cello und dem Kontrabassist zu einer Zugabe «Appalachian Dance» ansetzt. Die Noten auf dem Tablet scheint er kein einziges Mal beäugt zu haben.

Superhit zum Schluss
Auch wenn das Publikum vor dem letzten Stück schon mehrmals Standing Ovations gab, spielte sich ein Septett von Chaarts aus Violinen, Celli und Melodié Zhao mit dem Superhit von Queen zum Schluss nochmals auf einen Höhepunkt. Wer «Bohemian Rhapsody» einmal mit Chaarts erlebt hat, möchte es nur noch in dieser Version hören.

dl

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