Am Samstag im Soldenhoffsaal unter halbnackten Leibern am Rotwein süffeln und dazu Gilbert Paeffgen hören – das ist die sublime Art, wie die Freunde gepflegter Jazz-Musik im Rentenalter ihren Sonntagsgottesdienst zelebrieren. Allen voran der unermüdliche Tapir-Produzent Andi Maerz.
Ich weiss nicht, ob sie Silvan Zweifel kennen – das ist der junge Glarner Künstler von Cat King Carl (tumblr). Sein Bodiger-Handbuäch trägt den Titel «Diis Gsicht isch es Schlagzüüg». Nun müsste so ein Schlagzeuger natürlich Profi im «Bodigen» sein – aber Gilbert Paeffgen ist eher das Gegenteil, nämlich ein Profi darin, seinem Hammered Dulcimer (so heisst das Hackbrett auf Englisch) und seinen Drums eine so berauschende Musik zu entlocken, dass sie das Bewusstsein entführt. Ein bisschen wie die Bilder von Alexander Soldenhoff. Sie merken schon, ein schmackhaftes Ganzes besteht oft aus sehr gegensätzlichen Zutaten und wenn man mir Elmer Mineral gibt, mache ich gerne Sprachblasen.
So spielte Paeffgen zusammen mit Claude Meier am Acoustic Bass und Fabian Müller am Piano seine Komposition «Der Mann auf dem Trampolin», ein Werk, das er dem französischen Tänzer und Trampolinkünstler Yoann Bourgeois widmet, nicht nur, aber auch weil dieser wiederum seine Trampolin-Acts mit den schwebenden Sphärenklängen einer Harfenistin unterlegt. Neben dem 20-Minuten-7/8-Balkanbeat-Open – das unkommentiert erklingt und das Publikum vor der Pause aus dem menschenleeren Glarner Crachin-Abend aufs knarrende Fischgrätparkett entführt – ist auch Paeffgens Reverenz ans Shetland-Gälisch zu erwähnen, jene keltischen Klänge, die den Titel «30 North» tragen, eine Anspielung auf die Radio-Station «60north.radio».
«Musikmachen», sagt der 1958 in Würzburg geborene Paeffgen, der mit KFM-Organisator Andi Maerz seit bald 30 Jahren bekannt ist, «Musikmachen ist für mich eine niemals endende Meditation und eine Übung in Kreativität und Selbstentwicklung. Sie öffnet Türen vom Drinnen ins Draussen und in die Gegenrichtung. Also meistens spricht Musik für sich selbst ...» Ausserdem sei er noch Komponist und Konzepter und ein bisschen ist er auch Laudator, denn nach der zweiten Zugabe lieferte er in Loblied auf Andi Maerz, der in Glarus die Fahne des Jazz und weiterer weniger populärer, aber dafür schöner Künste hochhält. Jene von «Jazz in Glarus» mit dem roten Skifahrer auf dem Tödi. Nein, sie ist nicht von Silvan Zweifel gestaltet, aber von der Idee her nahe dran.
FJ