Die Volkshochschule Glarus und die Frauenzentrale Glarus luden die Gesellschaftswissenschafterin Chantal Deuss zu einem Vortrag über den sinnvollen Einsatz inklusiver Sprache ein.
Willkommen zu sein und dazuzugehören oder ausgeschlossen zu werden und nicht dazugehören: Sprache spielt eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, in einer Gruppe ein- oder von ihr ausgeschlossen zu sein.
Chantal Deuss, Dozentin an der Hochschule für Heilpädagogik Zürich (HfH), erzählte im ersten Teil ihres Referates von der Geschichte der geschlechtergerechten Sprache. Dass bei der Verwendung der männlichen Form (Friseur, Pfleger, Personalchef) die Frauen mitgemeint sind (Friseurin, Pflegerin, Personalchefin), sei falsch, sagte sie. Wer einen Satz lese wie: «Wir suchen einen Busfahrer» denke automatisch an einen Mann. «Erst ein paar Sekunden später kann das Hirn auch an eine Busfahrerin denken.» Daraus schliesst sie: «Sprachliche Aussagen sind Handlungen. Es spielt eine Rolle, ob Personen sprachlich miteinbezogen werden.»
Sichtbar werden
Seit den 1960er-Jahren werden Formen gesucht, um Frauen und andere Variationen der Geschlechtervielfalt sprachlich sichtbar zu machen: Arbeiter/-innen (zirka 1960), LehrerInnen (1970/80), Ärzt*innen (1990), Verkäufer_innen (2000), Bäuer:innen (2018) und Polizistens (neutrale Endung -ens, basierend auf Mensch, 2021).
Dass es gegen alle diese Formen grosse Widerstände gab und immer wieder gibt, deutet darauf hin, dass es um mehr geht als um Sprache. Die Änderung der Sprache kann z. B. als Bedrohung einer Tradition empfunden werden.
Du gehörst hier dazu
Chantal Deuss erzählte von einer Schule in Kanada, wo der Spruch zu lesen ist: «Du gehörst hier dazu.» Für sie drückt das die Haltung aus, die es braucht, damit weniger Menschen diskriminiert werden.
Im zweiten Teil des Vortrages forderte sie die Zuhörerinnen und -hörer auf, sich auszutauschen über ihre Erlebnisse mit inklusiver oder ausschliessender Sprache. Im anschliessenden Plenumsgespräch kam zum Ausdruck, dass es schwierig sei, inklusive Sprache konsequent zu verwenden. Eine Teilnehmerin fand, es sei unmöglich, alle Menschen sprachlich immer einzubeziehen. Ein anderer sagte: «Intellektuell ist es mir klar, wie es funktioniert und wie wichtig es ist, aber es stinkt mir manchmal, weil es mühsam ist.»
Eine Teilnehmerin berichtete, dass sie oft Vorurteilen begegnet, weil ihr Schweizerdeutsch einen portugiesischen Akzent hat: «Wenn ich jemandem erzählte, dass ich bei der Pro Senectute arbeite, kam manchmal die Reaktion: ‹Aha, Du gehst zu alten Menschen nach Hause zum Putzen.› Dabei bin ich Sozialarbeiterin und führe Beratungsgespräche.»
Empfehlungen helfen
Chantal Deuss hat an ihrer Schule, der HfH, einen Leitfaden entwickelt, wie inklusive Sprache verwendet werden kann. Dieser Leitfaden gilt als Empfehlung und ist keine Vorschrift. Studierende sind z. B. frei, welche Sprachformen sie in ihren schriftlichen Arbeiten verwenden. «Du gehörst hier dazu» erweist sich für Chantal Deuss als hilfreiche Richtschnur.
Søren Ehlers