Als begeisterte Brocki-Stöberin ging ich dem Secondhand-Trend im Glarnerland nach, sprach mit Brocki-Inhabern und entdeckte, dass Brockikunden genauso bunt sind wie die Brockenstuben.
In der Brockenstube Toni in Glarus herrscht reger Betrieb. Eine Mutter mit zwei Kindern sucht Spielzeug, ein Mann schleppt eine Langhantel ins Brocki, eine Frau schaut sich im Kleiderständer Mäntel an und ein junger Mann bringt die kürzlich gekaufte Nähmaschine zurück, weil sie nicht korrekt funktioniere. «Ich kann dir einen Gutschein ausstellen», bietet ihm Brocki-Mitarbeiter Andreas Müller an. «Oder du suchst dir eine andere Maschine.»
Die meisten Artikel in der Brockenstube Toni stammen von Hausräumungen, aus Büros, Ladenlokalen oder Lagern. «Besonders häufig», so Müller, «sind es Hausräumungen von verstorbenen Personen. Oftmals geht es den Angehörigen zu nahe, das Haus oder die Wohnung selber zu räumen.»
Ins Brockenhaus kommen Menschen aus allen sozialen Schichten, wie Müller versichert. Personen aus ärmeren Verhältnissen aber auch wohlhabende. Letztere suchen meist nach etwas Bestimmtem wie einer Antiquität. Auch trifft man Sammler aller Art, beispielsweise den Mann, der in den sorgsam eingeräumten Regalen nach Engeln stöbert.
Günstig, einzigartig und nachhaltig
In meiner Jugend besuchte ich häufig Brockenhäuser, um günstig einzukaufen. Schnell entdeckte ich, dass die Angebote vielfältig sind: Bücher, Dekorationen, Haushaltsartikel und -geräte, Möbel, Kleider, Spielsachen, elektrische Geräte, Werkzeuge und vieles mehr. Heute kaufe ich in Brockis hauptsächlich Kleider und Accessoires. Manchmal finde ich Vintage-Markenkleider zum unschlagbaren Preis und in erstklassiger Qualität. Früher waren Kleider qualitativ hochwertiger als Fast-Fashion von heute, darum findet man sie immer noch in Brockis. Kleider in Brockenstuben zu kaufen ist nachhaltig. Ein weiterer Pluspunkt: Jedes Stück ist ein Unikat und es macht Spass, die bunten Regale zu durchforsten. Es ist wie eine Schatzsuche.
Fast wie Weihnachten
Kurt Fridli führt seit 25 Jahren in Netstal das Brocante. Beim Betreten fallen einem die zahllosen kleinen Zettel auf, die an einer Schranktüre kleben. Kurt: «Das ist meine Kundenkartei». Auch in seinem Brocki stammen die meisten Objekte aus Hausräumungen. «Das ist für mich wie Weihnachten. Man betritt einen Estrich und weiss nicht, was einen erwartet. Wenn ich in den Kisten wühle, fühle ich mich wie ein Kind, das Weihnachtsgeschenke auspackt.» Deshalb ist für ihn kein Arbeitstag gleich, das gefällt ihm an seiner Arbeit. So sehr, dass er noch nicht aufhören will, obwohl er eigentlich pensioniert ist.
«Zu Beginn war es ein Kampf», schildert Kurt, «wir haben klein angefangen.» Seine damalige Freundin wollte einen Secondhandshop, sie einigten sich auf ein Brockenhaus, weil Kurt mit Antiquitäten mehr anfangen kann als mit Kleidung. Sie kauften eine kleine Garage in Einsiedeln. Mit nur sechs Grad im Winter war das ein eisiger Start. «Heute muss ich wieder kämpfen», meint Kurt, das Interesse an Antiquitäten gehe zurück. Selbst eine Spielzeug-Blecheisenbahn von 1895, die ein Museumsstück ist, bringt er zurzeit nicht los.
Mühlehorns Brocki
Im Flohmarkt Walensee in Mühlehorn springt mich der Brocki-Hund mit wedelndem Schwanz an und der mir vertraute Geruch des Allerlei weht mir entgegen. Herzlich begrüssen mich Corina und Roman Camenisch. Früher war ich oft hier; fast alles, was ich hier gekauft habe, besitze ich noch.
Auf 390 Quadratmetern Fläche ist für jedermann etwas dabei: Von Möbeln über Spielzeug bis zu antiken Dekorationen, aber auch Kleider, Geschirr, altes Werkzeug und vieles Weiteres. Auch Camenischs haben die meisten Artikel aus Hausräumungen. Ausschlaggebend, ob sie einen Artikel nehmen, ist die Qualität. Der Verkauf ist bei Corina und Roman stets ein Auf und Ab, aber sie seien zufrieden. Ob sie etwas vom «Brocki-Trend» spüren? Corina meint: «Den Trend findet man eher in den Stadt-Regionen, wie beispielsweise Zürich».
Werbung ist wichtig
Deshalb ist Werbung für sie wichtig. Möbel inserieren sie auf flohmarkt-walensee.ch und auf «Tutti», dort haben sie 600 Inserate online stehen. Corina: «Über ‹Tutti› verkaufen wir sehr viel, auch über die Kantonsgrenze hinaus.» Viele Kunden haben erst durch «Tutti» herausgefunden, dass es das Brocki in Mühlehorn gibt. Auch Mund-zu-Mund-Werbung sei wichtig, dadurch hätten sie viele Neukunden gewonnen. Corina und Roman haben ihr Geschäft mit der Absicht gestartet, Gegenstände, die man noch brauchen kann, zu verkaufen, anstatt sie wegzuwerfen. Noch heute sei ihr Antrieb der Nachhaltigkeitsgedanke.
Isabel Weber