Forschung an der Kantonsschule: Zyklen, Sterne, Farben

Nele Hielscher, Janis Kühne und Christine Wahl (von links) – drei der 69 Maturandinnen und Maturanden, die am 8. Januar ihre Resultate präsentierten. (Fotos: FJ/Illustration: Isabel Weber)

Einmal im Jahr, jeweils im Januar, präsentieren Kanti-Schülerinnen und Kanti-Schüler die Resultate ihrer Maturaarbeiten. Darin untersuchen sie jeweils eine Reihe wissenschaftlicher Fragen und finden Antworten, die einfacher klingen als der Weg, der zum Resultat führt.

Grüner Kuchen oder rotes Wasser: Beeinflusst die Farbe eines Lebensmittels das Geschmacksempfinden? Schenkt man der Arbeit von Christine Wahl Glauben, lassen sich mehr als ein Drittel der Kantonsschülerinnen und -schüler von der Farbe beeinflussen und «schmecken» etwas, wo es gar nichts zu schmecken gibt. Dazu erhob die Maturandin bei 89 Jugendlichen an der Schule mit eingefärbten geschmacksneutralen Biskuits und eingefärbtem Wasser eine Menge von empirischen Daten. Bei jenen 38 Prozent, die sich von der Farbe des Lebensmittels täuschen liessen, erhob sie auch die Geschmacksrichtungen «süss», «bitter» sowie «sauer». Wohl, weil das Wasser intensiver leuchtete, wurde es auch als «geschmacksintensiver» wahrgenommen. Die Hersteller von Limonaden wird es freuen, weniger Zitrusfruchtsaft und mehr Farbe reichen aus. Manches blieb dabei aber «unlogisch» – etwa, dass viele die gelben Lebensmittel nicht mit «sauer», sondern mit «süss» bezeichneten.

Veränderlich

Eine geradezu abenteuerliche Erfahrung machte Janis Kühne, während er in der Fritz-Zwicky-Sternwarte auf dem Kanti-Dach Fotoserien des veränderlichen Sterns «ET Per» aufnahm. Wer dort im Schlafsack übernachtet, morgens um drei das Teleskop neu ausrichtet und danach wieder zur Schule geht, fühlt sich wie ein Astronaut, der aus einer fernen Galaxie zurück auf die Erde kommt. Tatsächlich war ihm mit dem grossen Teleskop und einer speziellen Vollformatkamera mit verschiedenen Filtern eine Aufnahmeserie gelungen, welche die strenge Variabilität dieses Sterns aus der Klasse der RR-Lyra-Sterne über den vollständigen Zyklus verfolgen lässt. Innerhalb von neun Stunden bläst sich dieser Stern auf und kollabiert dann sehr rasch, wobei er um ein Mehrfaches heller leuchtet. Die Rolle veränderlicher Sterne in der Astronomie ist sehr wichtig, denn sie sind – wie die grosse Astronomin Henrietta Swan Leavitt (1868-1921) entdeckte – der Schlüssel für die Unendlichkeit des Universums. 

Praktisch

Ebenfalls mit dem Zyklus – aber mit dem 28-tägigen der Frau – befasste sich Nele Hielscher, die das zyklusbasierte Training im Leistungssport studierte und dazu gleich einen reich bebilderten und gewissenhaft illustrierten Ratgeber mit dem Titel «Zyklus Power» verfasste. Denn Frauen, welche die hormonellen Schwankungen gezielt berücksichtigen, können effektiver trainieren, das Verletzungsrisiko senken und ihre individuelle Leistungshöhe gezielt ausnutzen. Die vier von Nele Hielscher entwickelten Trainingspläne sind auf Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit, Technik und Geschicklichkeit sowie Intervall und Mixed ausgerichtet, zudem zeigt sie, wie Athletinnen im Leistungssport mit einem individuell angepassten, zyklusbasierten Training ihre Leistung und ihre Gesundheit langfristig verbessern können.

Sensationell

Damit ist die Bandbreite der 69 Arbeiten natürlich längst nicht abgesteckt. Und viele der jungen Forschenden begnügen sich nicht mit reiner Theorie. Im Gegenteil, die Fragestellungen sind oft äusserst praktisch und die Resultate auch im Alltagsleben nützlich. Wie beeinflussen Pausen die Lernfähigkeit von Primarschülern? Wie wirken gerichtliche Beschlüsse bei Scheidungen? Was sagen Gesten in Italien und in anderen Kulturen aus? Wie kann man aus PET-Flaschen 3D-Objekte drucken? Wie lässt sich ein Rembrandt-Selbstporträt fälschen? Wie lässt sich mit Menthol eine kühlende Salbe herstellen? Wie synthetisiert man ein Medikament für die Chemotherapie? Und wie wirkt sich die Rückkehr des Wolfes auf die Glarner Bevölkerung und ihre Haltung gegenüber dem Raubtier aus? Zur Beantwortung dieser Frage wertete Silas Schifferle eine Umfrage mit 299 Teilnehmenden aus, die er u. a. mit ­einem Bericht im FRIDOLIN gefunden hatte. «Das Mögliche ist ungeheuer» – dieses Motto von Friedrich Dürrenmatt fasst alle Ansätze trefflich zusammen und beweist, dass es für aussergewöhnliche Leistungen keine Genies braucht. Mit Fleiss, Methodik und einer guten Fragestellung kann jeder und jede Erfolg haben. Janis Kühne beendete seine Präsentation über den Sternenhimmel mit dem Satz: «Achten Sie auf die kleinen Dinge – vielleicht erleben Sie dabei ein grosses Abenteuer.» Eine bessere Motivation für 2025 lässt sich schwerlich finden.
FJ

 

 

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