Ein bisschen überrascht war ich schon, als ich ihn sah. Diesen eigens für die Rallye-Weltmeisterschaft WRC konzipierten Wagen. Als mittelmässiger Pilot mit ihm davonfahren war, als drücke mir jemand eine Stradivari in die Hand mit den Worten: «Spiel mal den Herbst aus den vier Jahreszeiten von Vivaldi.»
Geben Sie nichts auf Fahrberichte. Da steht dann: «Kraftzwerg mit 280 PS!» Das ist erstens doppelt gemoppelt und zweitens müsste man ja noch alle anderen Faktoren einbeziehen, die ein Auto von einem Rallye-Wagen unterscheiden. Mein Tipp: Es kommt nicht auf die Grösse an. Und selbst wenn der Chef-Rallye-Pilot auf vereistem Untergrund und Kies grinsend wie ein Honigkuchenpferd durch die Kurven driftet und Ihnen dabei Einen vom Sperrdifferenzial erzählt, wissen Sie zu wenig. Denn manchmal – wenn ein Auto neu entwickelt wird – hat die Sprache keine Wörter dafür und man möchte gerne zuerst hören, was Jeremy von Top Gear dazu zu sagen hat. Schade sind Jeremy und Top Gear abgesetzt. Ich habe zwar noch nie eine Stradivari in der Hand gehabt – die von David Garrett soll 2,7 Mio. Euro gekostet haben – aber, obwohl der Yaris GR gerade noch deutlich günstiger ist, habe ich das Gefühl, so ein Top-Instrument für begnadete Musiker in meinen Händen zu halten. Obwohl er noch gebaut wird, ist der Yaris GR 4x4 der Letzte seiner Art. Neue Stradivaris gibt’s keine mehr, denn Antonio Stradivari liegt seit fast drei Jahrhunderten unter dem Rasen.
Nebelfahrt
Das mit dem Rasen muss ich mir abgewöhnen. Bevor ich einsteige, legt mir Verkäufer Roy Berchtold den Testfahrt-Vertrag unter die Nase, allfällige Unfall- oder Bussenkosten gehen zu meinen Lasten. Und als wir an Geschäftsführer und Inhaber Paul Jörg vorbeigehen, schleicht sich ein breites Grinsen auf sein Gesicht, als erinnere er sich an eine gute Mahlzeit. Er erklärt mir die Neuerungen für dieses 1,6-Liter-3-Zylinder-Fahrzeug, das es so im Schweizer Markt kein zweites Mal gibt und das konsequent auf den Fahrer und sein Erleben ausgerichtet ist. Das letzte Mal, als Toyota so ein Rallye-Fahrzeug entwickelte, hiess es Celica. Das Auto, so Berchtold, habe ein 8-Gang-Automatikgetriebe – es nennt sich GAZOO Racing Direct Transmission und ist, wie ich gleich erfahre, ein Meisterstück der Ingenieurleistung mit gnadenloser Performance und dennoch komfortabler Alltagstauglichkeit. Ich schaue auf die Pedale – breiter und weiter auseinander als bei meinem Kleinwagen. Man könne sie mit beiden Füssen bedienen, wenn man das denn könnte. Ich schalte auch nicht auf manuell und Schaltwippenbedienung, wechsle aber bald die Modi. Erst brav im Eco rolle ich los durch oben aufgehellten Nebel zur Autobahneinfahrt. Der Motor sei noch etwas kühl, meckert das System. ROOAAR. Von Null auf die Autobahn, wo ich rasend schnell ankomme. Ein Motorrad schleicht an einem Nutzfahrzeug vorbei, rechte Spur bereit zur Abfahrt. Ein Bentley schiebt sich neben mich. Blick nach links, Gaspedal kitzeln, drüben im edlen Leder Schnappatmung, bevor ich um die Kurve der Abfahrt Niederurnen ziehe – auf Schienen. Das «Bim, Bim, Bim» der Geschwindigkeitswarnung erinnert mich daran, den Fuss so sanft und virtuos einzusetzen wie David Garrett seinen Bogen, denn normalerweise fahre ich ein Auto, das pro 15 kg Gewicht ein PS hat – jetzt ist das Verhältnis bei 5 kg pro PS. Schon mit meinem fresse ich Mittelklassewagen zum Frühstück, mit dem Toyota Yaris GR werden sie «Blitzsnacks». Mit Näfels kommt die Sonne, beim Querspangenkreisel das Fussgefühl fürs Pedal, aber alle anderen sind unerträglich langsam unterwegs. Rückwärtseinparken in Glarus – dank Kamera und trotz kleinem Heckfenster – bewältigbar, allerdings hält der Pfarrhaus-Randstein meiner Felge eine Kapuzinerpredigt.
Pässe, wir kämen
Am Klausenpass ist gerade ein Muldenkipper in Brand geraten – Resultat: Strasse gesperrt. Also über die Nebenstrasse nach Schwändi, kurvig-enges Nassblattvergnügen, die Kühe bewundern diesen seltsamen weissen Bullen. Fototermin beim Schulhaus, hinauf Richtung Leuggelen – auf der Suche nach Schotter. Finde eine Familie beim Brätliplatz, die sich in den Yaris stapeln will. Beim Schulhaus Schwanden verfällt ein Micro-Scooter-Junge spontan in Motoranbetung. Die Sernftalstrasse ist erfrischend autofrei, vor mir ein Tiguan. Ich lasse ihm nach dem Welterbe-Rank 300 Meter Vorsprung, schalte in den Sport-Modus und springe ihn in Sekundenschnelle mit dem brutalen Röhren der drei Zylinder von hinten an. Besser nicht auf den Tacho schauen und sofort abbremsen. Ein Zürcher gibt mir bei Matt die Chance, ihn zu überholen. Meissenboden und Sekundenbruchteile später Elm, die Dorfstrasse, das malerische Herbstbild. Kein Eis, weit und breit, keine Rennstrecke – ich wünsche mich in die Fernen Kanadas auf den Beifahrersitz eines Walter Röhrl oder Carlos Sainz. Denn selbst wenn ich die «Stradivari» nach allen Regeln der Kunst ausfiedeln könnte, was ich – wegen mangelnder Fahrkünste – nicht kann, trage ich hier die Handschellen der Strassenverkehrsordnung und darf nur die Muskeln unter dem Shirt spielen lassen. Allein der Gedanke, was ich könnte, wenn ich könnte, lässt mich die letzten Takte des Herbstes summen. Taa-di-da-ta, taa-di-da-ta-taa. Er ist – so die Ankündigung – der Letzte seiner Art, kein Dinosaurier, aber eine Stradivari der Rennstrecke. Wer so etwas sein Eigen nennen möchte, es ist wohl Zeit, in diesen Wert zu investieren.
FJ