Neues Haus, junge Ärzte

Dr. Nicolas Huber vor dem Hausarzthaus in Niederurnen, das derzeit erweitert wird. (Foto: FJ)

Die gute alte Landarztpraxis, einst das flächendeckende Modell für medizinische Grundversorgung, hat bald ausgedient – auch im Glarnerland. Hausarztmedizin wird immer komplexer, frisch gebackene Hausärzte möchten lieber zu normalen Tageszeiten arbeiten und sich anstellen lassen. Deshalb zieht Dr. Nicolas Huber von Oberurnen nach Niederurnen ins ehemalige Geschäft Louis Müller, das ins vergrösserte Hausarzthaus von Kollege Dr. Rodolfo Slongo integriert wird.

Hausarzt mit eigener Praxis werden: Was noch vor dreissig Jahren der Traum vieler Absolventen des Medizinstudiums war, ist heute ein Auslaufmodell. Nicht so sehr deshalb, weil sich alle spezialisieren, sondern weil viele Ärzte nicht gleichzeitig noch ein Unternehmen führen wollen, in dem sie dann an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr Bereitschaft haben.

Erste Anlaufstelle
«Ein Hausarzt», so Dr. Nicolas Huber, «ist idealerweise eine erste Anlaufstelle in den allermeisten medizinischen Belangen, er stellt die Weichen und entscheidet, wo etwas behandelt wird. Wo er an die Grenzen kommt, weist er Patienten ans Spital weiter, und wenn der Patient aus dem Spital zurückkommt, sorgt er dafür, dass es im Alltag wieder weitergeht. Bei ihm laufen die Informationen zusammen und es ist wünschenswert, dass er seine Patienten gut kennt und weiss, wie sie ticken – denn so wird die Versorgung effizient und Ressourcen schonend. Während die Ärzte im Spital einen Querschnitt durch die erkrankte Bevölkerung haben, hat der Hausarzt einen Längsschnitt entlang des Lebens seiner Patienten. Auch ich hatte als Greenhorn das Idealbild, meine Patientinnen und Patienten sozusagen von der Wiege bis zur Bahre zu betreuen.»

Die Ökonomie
Vor zwanzig Jahren baute Huber deshalb in Oberurnen ein Haus mit Praxis, inzwischen arbeitet mit Dr. Rahel ­Dlamini Meier eine weitere Ärztin dort – und trotzdem: Im nächsten Jahr zügeln sie ihre Praxis nach Niederurnen. Doch was macht Huber am neuen Ort neu? «Grundsätzlich wird es grösser. Dr. Slongo wird 2025 pensioniert und wir wollen in Niederurnen eine Infrastruktur aufbauen, wo sich genügend Ärzte anstellen lassen können, damit Oberurnen, Niederurnen und später auch Bilten von einem Standort aus versorgt werden können. Das bestehende Hausarzthaus, eine Praxis von 400 Quadratmetern, wird derzeit um 250 Quadratmeter erweitert. Wo man früher das Kleidergeschäft Louis Müller betrat, wird der Empfang sein. Im ersten Stock gibt es zehn Sprechzimmer, unten vier, dazu einen Notfall und eine Apotheke. Wir wollen in den bestehenden und neuen Räumen den Patientenstrom effizient leiten – nach den Prinzipien des Lean Management, also möglichst wenige Bewegungen für den Patienten. Dazu wird es Ernährungsberatung und Physiotherapie geben, vielleicht kommen später weitere Spezialisten dazu.» Da für die Grundversorgung der Kanton zuständig ist, sprach man zuerst mit dem Kantonsspital Glarus. Es folgte eine Analyse der Bedürfnisse – junge Ärzte möchten sich vermehrt anstellen lassen, ältere möchten Teilzeit arbeiten, es würde also etwa neun bis zehn Ärzte – oder fünf bis sechs Vollzeit-Stellenäquivalente – brauchen. Ein Glücksfall, dass Christoph Müller seinen Laden verkaufen wollte. «So kamen wir zur Lokalität. Bei dieser Anzahl von Ärzten rücken auch ökonomische Gesichtspunkte in den Vordergrund. Wir studierten verschiedene Modelle – etwa RappiMed und Pizol Care – und entschieden uns für eine Praxis, die keinen eigenen CEO braucht. Je grösser die Struktur, desto schwieriger ist die Kommunikation – denn es gibt in der Praxis ja alle möglichen Patienten, vom Zahnweh über die Verwundung bis zu denen, die Medikamente holen müssen. Das Prinzip der Praxis: Grundsätzlich ist immer jemand da, aber wer mit seinem Arzt sprechen will, braucht einen Termin. Das Haus ist zentral gelegen, mit Bushaltestelle, Parkplätzen, ja sogar Einkaufsmöglichkeiten.» Das ist zukunftsweisend für die medizinische Grundversorgung.

Vom Hausarzt zum Manager
Doch für Dr. Nico Huber ist es eine neue Herausforderung. Einerseits wird die Hausarztmedizin immer komplexer, dazu kommt – mit der Praxisleitung – das Managen. «Manchmal frage ich mich schon: Was tust du da? Doch im Januar beginne ich mit einem Managementkurs an der HSG und ich kann auf der Erfahrung von Dr. Rodolfo Slongo aufbauen, der sich als Verwaltungsrat des Kantonsspitals mit solchen Strukturen auskennt. Die Zukunft der Medizin ist interprofessionell. Die Grundversorgung im Glarnerland – selbst durch die Spezialisten im Spital – ist bedroht. Deshalb bauen wir hier – mit beträchtlichem Aufwand – eine Versorgung auf, um allen einfach, zentral und vernünftig helfen zu können.»

FJ

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