Vom Bebié-Areal in Linthal über das Legler-Areal in Diesbach bis zum Güterschuppen in Glarus verläuft die Linth als ein Leitfaden, der Kunst und das Hinterland mit der Welt verbindet. Der Fridolin traf sich mit Kaspar Marti und Claudia Kock Marti zum Gespräch über eine Kunst, welche die Welt nicht nur abbildet, sondern analysiert, befruchtet und weiterbringt.
«Mich beschäftigen Zusammenstösse von Dingen, die eigentlich nicht möglich sind.» So sagte es der Jürgen, der in den 1980er-Jahren im Mädchenheim Betschwanden lebte und dessen Bilder unter dem Titel «gestatten mein Name ist Zumbrunnen Jürgen» im Güterschuppen zu sehen sind. Das gehört inhaltlich zum Kontext der dritten Klöntal Triennale in Diesbach. Denn für alle, die dort mitmachen, zeigt die eigenständige Kunstszene, die sich damals in den 1980er-Jahren im Glarner Hinterland entwickelte, dass das Glarnerland und auch das Hinterland in Sachen Kunst kein Niemandsland ist. Das belegt der Aufsatz von Claudia Kock Marti über die Kunstszene um Wiedenmeier und Zumbrunnen.
Blühen, vergehen, blühen
Vor rund 170 Jahren wurde mit der Wasserkraft auf dem Legler-Areal die Zukunft gestaltet. Heute blickt die ehemalige Fabrik in eine unbestimmte Zukunft. Gerade untersucht die Uni Bern in einem Nationalfondsprojekt der Wirtschaftsgeografie, wie Peripherien wie das Hinterland zu Zentren werden können, unter dem Aspekt, dass die digitale Welt Hand bietet, an jedem Ort der Welt zu arbeiten, und auch was die «Hinterländer» selbst dazu beitragen. Denn – so Kaspar Marti in seinem Aufsatz – anstelle des Stadt-Land-Grabens, der Randregionen nur als Kostenfaktor sieht, könnte ja die Transformation des «Hinterlandes» in eine lebendige Peripherie im Dialog von Stadt und Land gemeinsam gestaltet werden. Nur tut sich das Glarnerland dabei oft schwer.Weshalb eine Triennale?
Was an der Kunst in Diesbach für sich allein schon spannend ist: Sie zeigt den Blick der Künstlerinnen auf die Gesellschaft. Die Ausstellung heisst nicht zufällig «In a State of Flow» (also etwa: Im Fluss), sie begreift das Glarner Hinterland und die Welt als etwas, was sich fliessend verändert. Ivana Milenković etwa verbindet mit «Hotmailhotnail» Nagelkunst mit politischem Engagement. Romy Nina Rüegger forscht nach Feminismus in der Glarner Textilgeschichte und Ernestyna Orlowska arbeitet sich in ihrer Performance am Walzblei ab. Vierzehn Aufsätze des Kontexts sind online unter kloentaltriennale.ch abrufbar. «Für mich ist fast noch wichtiger», so Kaspar Marti, «dass wir von diesen Texten Kenntnis nehmen und überlegen, was davon die Gesellschaft angeht. Es ist ein Teil der Ausstellung, dass dies wahrgenommen wird, und es regt den Appetit an, um dann auch schauen zu gehen, wie in diesen leeren Hallen die Transformation der Gesellschaft inszeniert wird.» Die Triennale bringt internationale Kunst in den Kanton, die sich mit dem Ort auseinandersetzt. «Das ist auch das Prinzip unseres Kunsthauses: Kunstschaffende, die hier ihre Erstausstellung hatten, stellen jetzt in New York aus.»Dass statistische Daten dabei teilweise widersprüchlich ausgelegt werden, wirkt anregend. So belegt der Sozialwissenschaftler Sean Müller in «Wir sind Glarus», dass die Glarner Bevölkerung seit 1850 viel weniger stark gewachsen ist, als jene der Gesamtschweiz, und schliesst auf Abwanderung. Kaspar Marti sieht auch, dass damals gleich grosse Städte wie Grenchen oder Solothurn heute dreimal so gross sind wie Glarus. Aber: «Wir hatten damals eine Überbevölkerung.» Um gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen, muss Regionalpolitik Disparitäten abbauen, und dazu braucht es das Verständnis, dass Kultur notwendig ist: «Das Kulturkonzept des Kantons ist zwar super, doch tatsächlich fusst im Kanton Glarus Kultur grösstenteils auf privater Initiative. Für uns in der Peripherie ist es schwieriger, an nationale Mittel zu kommen. Doch gerade für die Klöntal Triennale haben wir relativ viele Ressourcen aus den Zentren – sprichZürich – erhalten.»
Schätze bewundern
Was die Ausstellung «Der Tödi im Blickwinkel der Kunst II» mit jener von Zumbrunnen im Güterschuppen verbindet: Sie präsentieren Leihgaben. Aktive Zumbrunnen-Sammler haben dessen Werke ins Glarnerland zurückgebracht, zum «Tödi» sind Werke eingeladener Kunstschaffender und Leihgaben aus der Region versammelt, die Vernissage findet am 1. September, um 16 Uhr beim offiziellen Festakt «Tödi 200» statt. Die Klöntal Triennale wird schon am Samstag, 31. August, um 16.00 Uhr eröffnet und präsentiert – einen ganzen Monat lang – Internationales und Spannendes. Also nichts wie aufs Velo und von Glarus über Diesbach nach Linthal – der Linth entlang zur Kunst radeln.FJ