Die Art des Reisens auf zwei Rädern

Die ersten Velotouren führten Reiseleiterin Beatrice Fischli zum Obersee, mit Startpunkt im Garten ihres Elternhauses. (Foto: Delia Landolt)

Kürzlich ist Beatrice Fischli von ihrer sechswöchigen Madagaskar-Reise zurückgekehrt. Zum Treffen kommt sie natürlich mit dem Velo. Die Glarnerin leitet seit 1995 Biketouren in Afrika und Asien. Das Reisen möchte sie nicht idealisieren – hat aber für sich einen Weg gefunden, etwas zurückzugeben.

Die Strasse ist von einer Schlammlawine zugeschüttet – was jetzt? Aus kritischen Situationen muss Beatrice Fischli kreative Lösungen mit ihrem lokalen Team entwickeln. Für die 54-jährige Bike-Reiseleiterin ist Reisen mehr als nur das Entdecken neuer Orte. Sie sieht in den Begegnungen mit fremden Kulturen eine Möglichkeit, eigene Überzeugungen zu hinterfragen und Perspektiven zu wechseln: «Reisen zeigt mir, wie unterschiedlich und gleichzeitig wie ähnlich wir Menschen sind. Es hat mich gelehrt, Respekt gegenüber anderen Kulturen und Lebensweisen zu entwickeln.»

Tanzend die Zurückhaltung brechen
Seit bald 30 Jahren ist sie für Bike Adventure Tours in Afrika und Asien unterwegs. Nach jeder Reise reflektiert Beatrice Fischli, was gut war oder allenfalls nicht gelang. Nebst der Organisation ist ihr wichtig, dass die Gruppe gut harmoniert und mit Konflikten umgehen kann. Um den Zusammenhalt und die Verbindung zur lokalen Bevölkerung zu fördern, lässt sie sich allemal zum Beispiel auch gerne auf einen Volkstanz ein – jemand muss schliesslich die schweizerische Zurückhaltung brechen.

Urdu, Kreolisch, Tibetisch
Den Tourismus sieht Fischli als einen wichtigen Wirtschaftssektor, allerdings teilt sie gewisse Bedenken gegenüber dem modernen Reisen und ist sich «unerwünschter Auswirkungen bewusst.» Ändern kann sie dies nicht. Was sie kann, ist sich mit dem Gastland beschäftigen, in die Kultur einlesen, einen Grundstock an Wörtern aneignen. Kreolisch, Tibetisch, Urdu – Sprachen aus den Kapverden, dem Tibet und Pakistan. Gleichzeitig will sie mit ihrem Wissen über religiöse Traditionen ihren Reisegruppen den kulturellen und geschichtlichen Hintergrund des Gastlands näher bringen. Das ist ihre Art. 2020 hat Fischli dafür eine Weiterbildung im Bereich der Religionswissenschaften abgeschlossen. Noch immer bereitet sie sich jeweils lange auf die drei bis vier Touren vor, die sie pro Jahr leitet. Daneben bietet sie Biketouren in der Schweiz an, gibt Stammgästen in der Lenzerheide Skiunterricht und hält Vorträge.

Unterwegs im Busch
Aufgewachsen in Näfels an der Strasse, die zum Obersee führt, war das Velo immer ein Teil von Beatrice Fischlis Leben. Die sechsköpfige Familie unternahm oft Velotouren und kleine Reisen ins nahe Ausland. In Büchern entdeckte Fischli ihre Faszination für fremde Tiere und Kulturen – und ihre Reiselust. Für Matura und Lehrerinnen-Ausbildung ging sie nach Sargans, anschliessend für einen längeren Sozialaufenthalt nach Madagaskar, wo sie in einer Dorfschule und einer Krankenstation arbeitete. Zurück als Lehrerin in Niederurnen bekam sie bald die Anfrage von Bike Adventure Tours für eine Reiseleitung in Madagaskar – denn sie hatte die Sprache Malagasy gelernt. «So landete ich als 25-Jährige mit 15 Gästen im Busch. Und hatte jeweils am Abend im Camp für alle auf dem Feuer gekocht.» Sogar für Fischli ist das heute kaum mehr vorstellbar, wie sie sich 1995 ohne GPS-Gerät Touren einprägte, ohne Handy als Absicherung diese führte. Wenn Sie Fotos von damals anschaue, werde sie nostalgisch beim Anblick der damaligen Mountainbikes und Ausrüstung.

Nicht die Welt verändern
Oft verlängert Beatrice Fischli ihren Aufenthalt im Reiseland. Dabei erkundet sie neue Touren oder besucht Projekte, mit denen sie durch jahrelange Freundschaften verbunden ist. Sie half eine abgebrannte Schule in Uganda wiederzueröffnen oder engagiert sich in Nordpakistan, um Frauen im Bergsteigen und Skifahren zu stärken. Das ist spassig, eröffnet aber allenfalls auch neue berufliche Perspektiven. Sie sucht nach Lösungen, um Familien zu unterstützen, die durch Krankheit alles verloren haben. Nicht alle Projekte sind erfolgreich, und allein verändert keines die Welt. Es ist ihr jedoch ein Anliegen, auf diese Weise etwas zurückzugeben. Es ist ihre Art des Reisens.

Viel Freiheit und eine gute Grundkondition
Fischlis Touren führen über 5000er-Pässe im Himalaya, wo sie sich genauso wohl fühlt wie in den tropischen Regionen Ostafrikas. Trotzdem bezeichnet sie sich nicht als ultimative Sportlerin: «Ich habe eine gute Grundkondition. Wenn die Pedale drehen, komme ich in den Flow und finde mentale Stärke. Eine gute Stimmung in der Gruppe kann auch viel positive Energie erzeugen.» Der Fahrtwind gehört zu ihrem Naturell, das Velo gibt ihr das ultimative Freiheitsgefühl, weshalb sie es fast überall mitnimmt. Sicher auch, wenn sie irgendwann von Solothurn zurück ins Glarnerland zieht.

Delia Landolt

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