Egal, wie aufreibend ein Arbeitstag auch sein mag, es gibt ein Restaurant, wo man immer gesättigt und gut gelaunt herauskommt: das Restaurant müli vom glarnersteg in Schwanden. Hier arbeiten Yvonne, Remo und ihre Küchen- und Service-brigaden Hand in Hand zusammen. Der FRIDOLIN machte sich auf die Suche nach praktisch gelebter Inklusion.
Es ist in Schwanden der Geheimtipp für Hungrige: ob Handwerker oder Bewohnende, ob Paare oder Singles mit Hund, sie kommen alle in den obersten Stock des glarnerstegs ins Restaurant müli, das Inklusion praktiziert. Was wir vom Redaktionsteam des FRIDOLIN am Restaurant mögen: Yvonne weiss, dass ich keine Suppe nehme, Ernst Willi aber Suppe liebt – besonders die mit Flädli. Gerade stehen überall Flamingos in unmöglichen Posen, man wird herzlich empfangen, rasch und sehr zuvorkommend bedient, man fühlt keinen kommerziellen Druck, die Leute – ob Gäste oder Personal – sind hier sehr geerdet und man hat das Gefühl, dass sich alle wohlfühlen, vom Gewerbler bis zum Gemeindepräsidenten.
Eine gute Truppe
Tönt zauberhaft. Doch wie soll das gehen? «Wir sind eine gute Truppe, jeder bringt seine Stärken ein», sagt Remo Anderegg, Küchenchef. «Es gibt zwar einige, die wir unterstützen bei der Arbeit, aber Ziel ist, dass jeder alles macht, es gibt keinen Saucier oder Pâtissier. Wer kocht, wäscht auch ab, jeder ist einmal in der kalten Küche oder in der Pâtisserie. Es gibt nicht die Aufteilung, wie man sie im Gastgewerbe sonst kennt. Bei uns leiten die Profis an, nehmen sich aber zurück, und alle machen in Turnus alle Aufgaben.» Für manche war das überraschend, so etwa für jene Pflegefachfrau mit körperlicher Beeinträchtigung, die jetzt als Quereinsteigerin in der Küche arbeitet. «Ich kam aus dem ersten Arbeitsmarkt in die müli und dachte, ich müsste hier bloss putzen und Hilfsarbeiten machen. Aber ich darf alles machen. Und ich bekomme sofort Unterstützung, wenn ich zum Beispiel etwas Schweres nicht aus dem Ofen nehmen kann, sei es von den Vorgesetzten, von anderen Mitarbeitenden oder vom Lehrling. Seit ich hier bin, geht es mir besser. Hier herrscht nicht der Leistungsdruck wie im ersten Arbeitsmarkt.» Einerseits ist die Küche – etwa mit verstellbaren Tischen – auch auf die Bedürfnisse der hier Arbeitenden angepasst, anderseits entwickeln sie selber Fähigkeiten, wie sie etwas trotz Einschränkung bewältigen.
Wachsende Aufgaben
Dabei leisten Küche und Service so viel wie jedes Restaurant. Zu den 80 Mittagessen für die Mitarbeitenden kommen 35 externe Mahlzeiten, wenn es Cordon bleu oder Chicken Nuggets gibt schon mal 50. Um 11.30 Uhr muss alles vorne an der Ausgabe sein und selbst wenn es mal Stress gibt, schaut das Team, dass man vorne davon nichts mitbekommt. Zudem wachsen die Aufgaben. «Wegen einer personellen Situation haben wir umdisponiert», so Rudolf Litschi, Bereichsleiter Produktion & Infrastruktur. «Neu kochen wir hier auch für Luchsingen und Hätzingen.» Dazu kommen die beiden Wohngruppen in Schwanden, das Abendessen, das Frühstück sowie Events. Und doch, so Anderegg: «Unsere Hauptaufgabe ist es, als Begleitpersonen mit den Mitarbeitenden zu arbeiten. Der externe Teil kam später. Es läuft alles wie in einer normalen Küche und die Akzeptanz auch beim externen Publikum ist da.» Und Manuela, die jeweils jeden Gast herzlich begrüsst, ergänzt: «Das Echo ist grandios, anfangs vor acht Jahren bremste man unsere Erwartungen, jetzt ist es das Schönste, wie dieses Restaurant läuft.»
Lieblingsarbeit
Dabei hat jeder eine Lieblingsarbeit. «Ich rüste gerne Salat, räume gerne Geschirr ein.» – «Ich mache gerne Pâtisserie und Sandwiches.» «Ich putze gerne die Abfälle, aus denen Biogas gemacht wird.» – «Ich gebe gerne das Essen raus und serviere.» – «Das Abschlussessen der Aktionstage Zukunft Inklusion fand hier statt. Die Gäste sahen nicht, wer beeinträchtigt ist und wer nicht – wir sind ein Team.» – «Die Personen stehen im Zentrum, nicht wir», fasst Rudolf Litschi, zusammen. «Wir, die Begleitpersonen, sind nur ein Werkzeug, damit sie ihre Leistung performen können und eine berufliche Perspektive haben.» Fürs Foto nimmt jeder seinen Lieblingsflamingo, diese farbige Juni-Deko stammt von der eigenen Tagesstruktur. Als ich Yvonne darauf aufmerksam mache, dass einer der Flamingos seinen Fuss wie eine Ente nach vorne hält, antwortet sie wie aus der Pistole geschossen: «Das ist ein Beeinträchtigter, die können alles!»
Fredy Bühler und FJ