Als eine der legendären Nana Benz (Stoffhändlerinnen, die Mercedes fahren und Millionen verdienen), gehörte Julie Bocco im westafrikanischen Togo der 1970er- und 1980er-Jahre zu den Frauen, deren Reichtum, Unabhängigkeit und Macht die Gerüchteküchen brodeln liessen.
Doch Bocco erklärte ihrer Enkelin Edwige: «Es ist die Arbeit, nichts als die Arbeit. Eine Schlange, die dir Geld bringt, die gibt es nicht.» Denn Edwige war ihr heimlich ins Klo gefolgt, um zu sehen, ob sie zwischen ihren Pobacken nicht eine Schlange verstecke und sie deshalb eine Hexe sei. Doch wie konnten Frauen ohne Schulbildung so viel Geld anhäufen? Als Begleitveranstaltung zeigte das Anna Göldi Museum anlässlich des Internationalen Museumstages 2024 Thomas Böltkens Film «Nana Benz». Dieser richtet den Blick auf Muster und Tücher, wie sie seit dem 18. Jahrhundert auch im Glarnerland gedruckt wurden, und erzählt, welche Bedeutung sie in Afrika bis heute haben. Die Baumwolltücher vermitteln Botschaften, die in Sprichwörtern verpackt sind. «Wollen wir ein bisschen Zucker in unsere Beziehung streuen», sagt das beliebte Muster «Würfelzucker». Epee Sanvee (eine weitere Nana Benz) hatte das Monopol auf «Würfelzucker» und verdiente umgerechnet 450 000 Franken pro Tag. Ob Liebe, Eifersucht, Zauberei oder Politik – gemusterte Pagne-Stoffe sind ein beliebtes Kommunikationsmittel. Zehntausende von Stoffmustern umfasst das Archiv von Vlisco in der Stadt Lomé. Dort wählen die erfolgreichsten Nanas bis heute ihre Stoffe aus und bringen sie in neuen Variationen auf den Markt.
Vielstimmige Glarnertüechli
Mit alten Mustern neue Stoffe drucken konnte man in der Siebdruckwerkstatt des Museums. Die gelernte Glarner Textilerin und Swiss Design Awards-Gewinnerin Linda Nafzger liess sich für die Herstellung ihrer Siebe von den Stoffmustern und Musterbüchern des Familienarchivs der Daniel Jenny & Cie inspirieren. Das Archiv konnte am Museumstag im Rahmen einer von Visit Glarnerland angebotenen Industriespionage besichtigt werden. Dann druckten die Teilnehmenden – darunter auch Mara Danz, Kulturpreisträgerin Glarus Nord 2024 – unter Linda Nafzgers Leitung aus alten Mustern ein neues, persönliches Glarnertüechli. Damit die Geschichte der Glarner Tücher nicht nur in Afrika, sondern auch im Glarnerland noch lange nicht zu Ende ist. l pd.
Der Film «Nana Benz» wird am Sonntag, 16. Juni und am Sonntag, 8. September, um 11.00 Uhr gezeigt, danach jeweils um 13.45 Uhr Führung mit Dr. Ursula Helg durch die Ausstellung «Bunte Tücher, geteilte Geschichte – auf den Spuren von König Baumwolle». Die Textildruckwerkstatt und das Familienarchiv (Comptoir) können nach Vereinbarung über
pd.