Hin und Her der Stimmungen

Wer wird der neue Gemeindepräsident von Glarus Nord? (Fotos: FJ/Jean-Pierre Hauser)

Am Wahlpodium vom 15. Mai stellten sich die drei Kandidaten fürs Gemeindepräsidium von Glarus Nord unter der Moderation von Fridolin «Osterhazy» Hauser den Fragen des politisch interessierten Publikums. Haltungsnoten gab es keine, die Stilexpertin war zu Schiff nach Frankreich.

Sie haben alle Kinder und Landratserfahrung – das verbindet die drei Männer, die im Norden fürs Gemeinderatspräsidium kandidieren. Fridolin Staub aus Bilten ist 55 Jahre alt, verheiratet und hat vier Kinder, von denen drei bereits erwachsen sind. Der technische Kaufmann – einst lernte er Metzger A – ist heute Key-Account-Manager und bereits seit 2003 im Glarner Landrat, wo er seit 2016 in der Geschäftsprüfungskommission ist, die er von 2018 bis 2020 auch präsidierte. Staub ist seit 2020 Gemeinderat von Glarus Nord und insofern bereits vertraut mit den Abläufen und der Organisation in der Gemeinde.

Ruedi Schwitter aus Näfels ist 59 Jahre alt und hat zwei erwachsene Söhne. Erst lernte er Polymechaniker, studierte dann Maschinenbau, von wo aus er später in die Informatikdienste wechselte – heute arbeitet er bei der ETH Zürich in den Informatikdiensten. Zu seinen Hobbys gehören im Sommer der Bike- und im Winter der Ski- und der Skitourensport. Er blickt auf zwölf Jahre als Gemeinderat zurück – vier davon in der Gemeinde Näfels, acht in Glarus Nord. Seit 2014 gehört er zum Landrat, derzeit präsidiert er dort die Finanzaufsichtskommission. Seine Motivation: « Glarus Nord hat grosses Potenzial, hier könnte ich ein Teil sein, um die Gemeinde fit für die Zukunft zu machen.»

Samuel Zingg aus Mollis ist zwar erst 43 Jahre alt, aber schon 14 Jahre verheiratet und hat vier Kinder, zwei leibliche und zwei Pflegekinder. Nach einem Abstecher an die HSG studierte er an der ETH Sport und wurde Sekundarlehrer. Seither engagiert er sich in den Arbeitnehmerverbänden LGL und Dachverband Lehrer/-innen. Vor einem Jahr wechselte er in die Schulleitung der Oberstufe Buchholz in Glarus, wo er 40 Lehrpersonen führt. Er spielt Volleyball und macht bei einer Fasnachtsclique mit. «Innerhalb der SP gehöre ich zur Reformplattform von Daniel Jositsch. Es soll in der Gemeinde Bauland mobilisiert werden, um Arbeitsplätze schaffen zu können, was auch den Verkehr reduziert. Ich habe die Mission, etwas in die Wege zu leiten. Mir ist es wichtig, gemeinsam auf den Weg zu gehen.» Auch er präsidierte einst die Finanzaufsichtskommission des Landrats und kann diese Kompetenzen in die Gemeinde einbringen.

Fragen oder Klagen?
An sich sind Fragen diese Sätze, die mit einem Fragezeichen enden. Neben den vielen vorgängig und am Podium gestellten Fragen, nutzte das Publikum das Wort auch für eigene Stellungnahmen. So etwa Mitorganisator Hansjörg Stucki, welcher die rund 20 Aufgaben aus dem Rollensilo des Gemeindepräsidenten akribisch aufgelistet hatte. Sowohl Samuel Zingg wie Ruedi Schwitter sehen die Rolle des Gemeindepräsidenten nicht als One-Man-Show und wollen Aufgaben allenfalls vermehrt delegieren. Schwitter will auch die Diskussion für ein Departementssystem wieder aufnehmen, bei dem Gemeinderäte stärker ins operative System eingebunden sind. Fridolin Staub sieht zwar auch Probleme – etwa bei den fehlenden Stellvertretungen. Für ihn ist es aber der falsche Zeitpunkt, jetzt darüber zu diskutieren. Denn bereits in 23 Monaten ist die Legislatur vorbei. Dann will Elisabeth Schnyder, Bilten, wissen, wie die drei Kandidaten zur Landwirtschaft stehen. Schwitter will die Landwirtschaft unterstützen, sieht die Gemeinde – im Auftrag von Bund und Kanton oft als Vollzugsorgan, es fehlten der Gemeinde die grossen Stellschrauben in der Landwirtschaftspolitik. Samuel Zingg wird das Schwergewicht auf die Wertschätzung der Landwirtschaft legen – diese habe schon jetzt viele und schwierige Vorgaben zu erfüllen.

Fridolin Staub weist auch – neben den Bundesvorgaben in der Landwirtschaft – auf das Potenzial der Gemeinde hin: «Wir haben Land und Alpen, die wir verpachten, wir haben eine Landwirtschaftskommission, wo Anliegen eingebracht werden können. Trotz der vielen Spannungsfelder können wir als Gemeinde den Landwirten helfen, dass möglichst wenig Administration auffällt. Ich kenne selbst einiges aus der Landwirtschaft, mit mir kann man diskutieren.»

Quasi als Gretchenfrage kam als nächstes «Wie hast du’s mit dem Kundert­riet?» Soll man den Volkswillen auch gegen übergeordnetes Recht umsetzen, oder eher nicht? Ruedi Schwitter weist darauf hin, dass die Rechtmässigkeit derzeit abgeklärt werde, Samuel Zingg sieht den Gemeindepräsidenten in der Doppelrolle. Er habe von den Gewählten einen Auftrag, doch müsse er dabei beachten, dass alles rechtens sei. Beide finden, eine Gesprächsverweigerung gegenüber dem Volk sei ein No-Go. Fridolin Staub resümiert die derzeitige Situation so: Es habe sich – aus Sicht des Gemeinderates – die Frage gestellt, traktandieren oder nicht. Man habe das Geschäft traktandiert, das Resultat der Abstimmung sei eindeutig, aber es habe eine Stimmrechtsbeschwerde gegeben. So sei der Beschluss nichtig. Derzeit – so Staub – sei es gängige Meinung, dass Revitalisierung dem Hochwasserschutz diene. Es gebe auch Beispiele, wo das funktioniere. Allerdings bezweifle er die Hochwasserschutzwirkung von kleinen Ausweitungen, welche bei grossen anfallenden Wassermengen schnell volllaufen könnten.

Doch die Stilfrage
Dann will Peter Kistler wissen, welchen Führungsstil die drei Kandidaten pflegen werden, im Gemeinderat und mit den Mitarbeitenden. 2010 übernahm Ruedi Schwitter die Altersheime und führte drei selbstständige Anstalten zu einer zusammen. «Beteiligt waren daran 150 Personen – diese führte ich über fünf bis sechs Personen und ich schaffte eine Kontinuität, die bis heute anhält. Ich bin ein Team-Player, die Verantwortung muss auch delegiert werden können. Dazu braucht es dann auch das Vertrauen in die Mitarbeitenden, damit diese ihre Aufgaben ausführen können.» Samuel Zingg beschreibt seinen Stil als situativ-partizipativ. An einer Schule mit 40 Lehrpersonen gebe es Leute, die gute Ideen haben, dafür müsse er dann die Leitplanken geben. «Der Dienst am Bürger muss im Vordergrund stehen, die Ziele werden vorgegeben und kontrolliert.» Fridolin Staub sieht die Aufgabe des Gemeindepräsidenten als jene des ersten unter gleichen (Primus inter pares). Doch natürlich sei da – schon von den Pensen her – ein Gefälle zwischen Präsident und Mitgliedern. Daneben gebe es die Geschäftsleitungsaufgabe als Linienvorgesetzter und auch noch jene der Führung bei der Gemeindeversammlung. Nach der Forderung des Publikums, dass der Gemeinderat die Bürger in Zukunft noch stärker anhören müsse, will Fritz Inglin wissen, wie die drei Kandidaten eine bessere Stabilität, Kontinuität und Qualität herstellen wollen. «Wie soll sich die Gemeinde verändern?» Samuel Zingg antwortet: «Ich kandidiere, weil es mich stört, dass an der Gemeindeversammlung eher ein Gegeneinander herrscht, als ein Miteinander, um Lösungen zu finden. Es ist die Frage einer Vision: Es braucht niederschwellige Möglichkeiten, um in der Gemeinde mitzureden, es braucht ein Parlament und Versammlungen, die kurz genug sind, damit man sich danach zusammensetzen oder ein Fest feiern kann.» Fridolin Staub wird neben der Vision konkreter: «Stabilität und Qualität bringt man mit der entsprechenden Führung hin – operative Führung braucht auch Entscheide und Umsetzungen. Doch es ist eine grosse Herausforderung, in den 23 Monaten bis zum Ende der Legislatur etwas zu verändern.» Und Ruedi Schwitter würde sich wünschen, «dass sowohl Gemeindeversammlung wie auch Gemeinderat mehr Mut für eine Lösung haben.»

Distanz abbauen
Einig ist man sich darüber, dass derzeit in Glarus Nord eine zu grosse Distanz zwischen Gemeinderat und Bevölkerung besteht und dass diese Distanz abgebaut werden muss. Es gibt hier jene, welche nicht weiterwissen und denen der Weg zur richtigen Stelle gewiesen werden muss, aber letztlich ist Information immer eine Bring- wie auch eine Holschuld und die Dörfer der Gemeinde sind sehr verschieden, einige sind ländlich geprägt, andere gehören zur Agglomeration. Der Gemeindepräsident – da ist man sich ebenfalls einig – muss den Puls des Volkes spüren und, so Ruedi Schwitter, Glarus Nord müsse offensiv kommunizieren, aber es könnte auch vermehrt die Wünsche beim Volk abholen. Roger Fischli bedauert, dass die Verkehrsvereine heute an Bedeutung verloren haben, Bruno Weber – als Präsident eines Verkehrsvereins – unterstützt ihn: «Wir sind nicht glücklich mit der Kommunikation mit der Gemeinde. Es braucht eine Verbesserung der Informationspolitik.»

Spiel und Ernst
Zum Schluss werden – spielerisch und mit einem von Nimbus entwickelten Abstimmungsgerät – die Stimmungen des Publikums zu verschiedenen Themen (Schuldenbremse, Gemeindeparlament, Stärkung der Verkehrsvereine, Podiumsveranstaltungen usw.) erhoben und den Kandidaten anonymisiert mitgegeben. Doch bevor man sich in die Nacht verabschiedet, legt Adrian Hager mit der Frage «Sollen angesichts des guten Abschlusses die Steuern gesenkt werden?» noch einmal einen Finger in eine offene Wunde. Samuel Zingg glaubt, dass das möglich ist – fordert aber auch den Blick über die Jahre und auf den Investitionsbedarf. Ruedi Schwitter will sachlich die Tendenzen anschauen. Man müsse vorsichtig sein, immerhin hätten auch nicht besetzte Stellen und nicht getätigte Investitionen zum besseren Ergebnis geführt. Und Fridolin Staub findet rosarot malen angesichts der heutigen Zahlen falsch. Der Selbstfinanzierungsgrad der Gemeinde sei schlecht, man habe 120 Mio. Franken Schulden aufgehäuft, dafür zahle man zwei Millionen Franken als Zinsen. «Deshalb muss die Verschuldung gestoppt werden, damit wir auch diese Mittel so einsetzen können, dass sie Wirkung entfalten.»

FJ

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