Einkaufscenter locken mit grossem Sortiment und tiefen Preisen viel Kundschaft an. Diese fehlt dann oft in den Dorfläden. Gibt es Alternativen, dank denen Einkaufen im Dorf attraktiv bleibt? Der FRIDOLIN hat drei Anbietern den Puls gefühlt.
«In den Coronajahren 2020 und 2021 schossen die Umsätze in Rekordhöhen», sagt Karl Stadler, Verwaltungsrat der Dorfladen Schwändi AG. Die Leute waren froh, nicht in den grossen Läden mit vielen Leuten einkaufen zu müssen. «Wir boten auch einen Hauslieferdienst an.»
Als Corona aus dem Fokus verschwand, blieben auch die Leute dem Laden fern: «Ende letzten Jahres waren wir leider wieder auf Vor-Corona-Niveau. Es ist schade, dass die Leute den Dorfladen so schnell vergessen.» Die Betreiber haben darauf reagiert: «Nachdem wir das Dorf mit einem Flugblatt über die schwierige Situation orientierten, sind die Umsätze wieder etwas gestiegen.» Anfang Jahr schien die Schliessung unausweichlich, jetzt ist der Verwaltungsrat wieder zuversichtlicher.
Ganz nah
Hilfe erhält der Dorfladen in Schwändi auch von anderer Seite: «Wir werden jedes Jahr mit einem wertvollen Zuschuss aus der Dorfstiftung sowie mit Spenden von Privaten unterstützt. Auch das Ladenpersonal trägt mit unbezahlter Zeit zum Weiterbestand bei.» Ohne diese Hilfe hätten sie den Laden schon vor einiger Zeit schliessen müssen.
Einen Laden, wo man viele Dinge des täglichen Bedarfs kaufen kann, den man zu Fuss erreicht und wo man mit andern Dorfbewohnenden einen Schwatz halten kann, trägt zur Attraktivität des Dorfes bei, davon ist Stadler überzeugt. Wichtig ist auch das Angebot: «Wir führen viele regionale Produkte aus Glarus Süd, die man in dieser Dichte andernorts nicht erhält. Einige wichtige Produkte haben wir auch in Bio-Qualität.»
Reicht das auch für die Zukunft? Stadler: «Die Umsätze müssten mindestens 30 Prozent höher sein. Es müssten mehr Einwohnerinnen und Einwohner konsequenter im Dorfladen ihren Haupteinkauf tätigen.» Könnte Self-Service eine Alternative sein? Stadler ist zurückhaltend: «Das kann ich mir nicht vorstellen. Man ist von Schwändi aus schnell in einem grösseren Laden.»
Verkauf bis Mitternacht
Eine Mischung aus bedientem Laden und Self-Service bietet seit fünf Monaten die Metzgerei Kern in Ennenda. Der Self-Service-Bereich ist jeden Tag bis Mitternacht offen. Hat sich das bewährt? «Wir haben in den letzten Monaten deutlich höhere Frequenzen», sagt Geschäftsmitinhaber Urs Kern. «Zwar ist der Umsatz pro Kunde kleiner im Vergleich zum bedienten Verkauf. Das wird aber fast kompensiert durch die höheren Kundenzahlen. Und was wir auch erfreut feststellen: Es kommen oft jüngere Kundinnen und Kunden, die wir früher nie im Laden hatten.» Was er auch häufig hört: «Es ist jetzt viel entspannter, beim Kern einzukaufen.» Viele Leute schätzen es, im Sortiment zu stöbern, bevor sie entscheiden, was sie kaufen.
Die Metzgerei Kern hat ihr Sortiment erweitert und passt es an. «Ich sehe, welche Produkte laufen und welche nicht.» So wurde das Angebot mit vegetarischen und veganen Speisen erweitert, z. B. veganen Burgern. Anderes, wie Siedfleisch und Voressen, werde weniger gekauft. Der Umsatz bei Nichtmetzgerei-Produkten wie Teigwaren, Chips, Brot, Gemüse oder Bier habe sich sehr erfreulich entwickelt.
Die Arbeit ist für Urs Kern entspannter geworden. «Ich kann den Arbeitszettel für den Tag in Ruhe abarbeiten, ohne Unterbrechung bin ich effizienter. Wir brauchen mehr Personal für die Zu- und Vorbereitung und das Verpacken. Und wir arbeiten sonntags zu zweit eineinhalb Stunden, um die Regale zu füllen.»
Was Urs Kern positiv vermerkt: Durch das Vakuumieren bleiben die Waren länger frisch und können praktisch vollständig verkauft werden, ohne Food Waste. Etwas könnte noch besser werden: «Es gibt immer noch viele Leute, die nicht mitbekommen haben, dass wir nach wie vor da sind und mir erstaunt sagen: ‹Ich han gmeint, Ihr hebet uufghört.›»
Direkt vor die Haustür
Anders funktioniert das Angebot von Sedat Selimi und der Ernst Gygli AG. «Wenn die Kunden nicht in den Laden kommen, kommt der Laden zu den Kunden.» Seit dem Jahr 2000 ist Selimi mit dem Verkaufswagen unterwegs und bringt Lebensmittel in die Dörfer.
Sedat Selimis Arbeitstag beginnt um Viertel vor Sieben im Lager der Ernst Gygli AG in Näfels, wo er frisches Gemüse und vielerlei Früchte in die Regale des Verkaufswagens füllt. Auch ein grosser Kühlschrank mit Milchprodukten und Fleisch findet Platz im Verkaufsraum, der keine zehn Quadratmeter misst. Weitere Waren wie Fleisch, Brot, Süssgebäck und Getränke bezieht Selimi in der Region. Dann ist er bereit für seine Tour.
Am Dienstag bedient Selimi mehrere Stellen zwischen Schwanden und Betschwanden. Nachmittags fährt er nach Engi, Matt und Elm, Sool ist die letzte Station des Tages. Es gibt keinen schriftlichen Fahrplan, doch Sedat Selimi fährt seine Touren sehr regelmässig. Seine Ankunft lässt er zudem mit dem schönen Hupenklang seines Peugeot hören.«Die Leute wissen, wann ich vorfahre und stehen meistens schon da.» Von Mittwoch bis Samstag fährt er in die Dörfer des Klein- und Grosstals bis ins Tierfehd.
Zeit für die Kundinnen
Sedat Selimi liebt seine Arbeit. Er hat für jede Kundin und jeden Kunden Zeit. «Die Leute schätzen unser Angebot. Viele bestellen auch im Voraus.» Und es kommen immer neue Kunden hinzu. «Meistens erfahren sie durch Nachbarn vom Angebot oder sind gwundrig, was es mit dem Hupen auf sich hat», sagt Selimi, setzt sich ans Steuer und fährt los.
Fredy Bühler, Søren Ehlers