Bundesrat Rösti besichtigt Innovation für die Kalkindustrie

Obwohl die Kalkfabrik Netstal (KFN) neuste Technologien nutzt, ist die Kalkproduktion nach wie vor mit grossen CO,-Emissionen verbunden. Mit dem zukunftsweisenden Projekt «CO2 Abscheidung in der Kalkfabrik Netstal» soll sich dies ändern. Darüber liess sich am letzten Montag auch Bundesrat Albert Rösti informieren.

Kalk gilt als einer der wichtigsten Rohstoffe. Ob bei Lebensmittelherstellung, Landwirtschaft, Pharma oder Industrie und Bau. Bisher war die Produktion von Kalk jedoch immer auch mit grossen CO2-Emissionen verbunden. Pro Tag werden mit Kalkschachtofen der Kalkfabrik Netstal circa 200 Tonnen Kalk produziert - durch die Entsäuerung und den Brennstoff entsteht dabei etwa gleich viel CO2. «Unser Ofen ist mit einem thermischen Wirkungsgrad von 85 % bereits einer der energieeffizientesten in Europa und mit Erdgas verwenden wir einen CO2-armen Brennstoff», erklärte Heinz Marti, Geschäftsführer der KFN, und erläutert die Grenzen der diesbezüglichen Möglichkeiten: «Auch mit einer Umstellung auf biogene Brennstoffe und grünen Wasserstoff liessen sich die Emissionen um nicht mehr als einen weiteren Fünftel senken.»

«Bei all unseren politischen Zielen, dürfen wir die Branchen nicht vergessen, bei denen einfach CO2 freigesetzt wird,» meinte dazu Bundesrat Albert Rösti bei seinem Besuch der KFN am letzten Montag. «Wenn mit innovativen Lösungen das freigesetzte Gas wieder gebunden werden kann, ist das sehr erfreulich. Wenn die Technik aus der Schweiz stammt, ebenfalls.»

Denn so, laut Rösti könne die Schweiz die Technologie für die weltweite CO2-Reduktion zur Verfügung stellen und gleichzeitig Wertschöpfung generieren.

Weltneuheit in Netstal
Im Vergleich zu 1990 liegen die CO-Emissionen aus dem Brennstoff der KFN bereits heute bei rund der Hälfte; nun soll diese Entwicklung mit innovativen Technologien weiter forciert werden. Im Rahmen des Projekts «CO-Abscheidung in der Kalkfabrik Netstal» ist die Installation einer Oxyfuel- Feuerungsanlage mit Abgasrückführung im Kalkschachtofen geplant, eine Weltneuheit für die Kalkindustrie. Mit ihrer Hilfe und weiteren Innovationen am Kalkofen-Design soll die CO2-Konzentration im Abgas auf über 75vol-% erhöht werden. Dieser hohe Wert ermöglicht es der KFN, auf eine Aminwäsche zu verzichten und direkt auf eine energieeffiziente CO2-Verflüssigung zu setzen. Das CO2 soll anschliessend direkt aus der Verflüssigungsanlage in Transportcontainer geleitet und zur Weiterverarbeitung oder zu einer permanenten Speicherstelle transportiert werden. «Durch unseren sauberen Verbrennungsprozess entsteht ein sehr reines Abgas, das praktisch nur aus Wasser, Luftbestandteilen und CO2 besteht. Zusammen mit unserer Food Safety Zertifizierung (FSSC 22000) schaffen wir dadurch die Möglichkeit, lebensmitteltaugliches CO2 zu produzieren», erläuterte Dr. Konrad H. Marti, Leiter Unternehmensentwicklung der KFN. «Die Nutzung unseres abgeschiedenen CO2, beispielsweise in der Lebensmittelindustrie bei Produktions- und Verpackungsprozessen oder in der Getränkeindustrie als Kohlesäure, führt dazu, dass der Bezug von CO2 aus anderen Quellen wie z.B. aus der Düngemittelherstellung vermieden werden kann. Für diese sinnvolle Anwendung muss jedoch die Weiterverwendung mit der Speicherung regulatorisch gleichstellt werden.»

Potenzial für die gesamte Kalkindustrie
Eine Oxyfuel-Feuerung in dem Massstab, wie KFN sie plant, gibt es weltweit in der Kalkindustrie noch nicht. Daten aus Simulationen und Tests belegen jedoch ihr grosses Potenzial. Aktuell laufen die Vorbereitungsarbeiten auf Hochtouren. So wird der Technologiepartner Maerz Ofenbau, der die wichtigen Erfahrungen im Bau von Kalköfen mitbringt, das Projekt technisch begleiten und verschiedene Anlagendesigns und Betriebsweisen untersuchen und bewerten. Da mit dieser Innovation aber auch hohe Investitionskosten, sowie langfristige Betriebskosten von mehreren Hundert Franken pro Tonne CO2 verbunden sind, laufen derzeit noch Abklärungen zur Finanzierung. Die hohen Kosten führen wegen der tiefen Preise für CO2-Emissionsrechte dazu, dass die Dekarbonisierung in vielen Teilen der Industrie nicht wirtschaftlich umgesetzt werden kann. «Wir sind jedoch sehr zuversichtlich, dass sich das Projekt auch wirtschaftlich zufriedenstellend realisieren lässt», betonte Dr. Konrad H. Marti. «Wir sehen weitere Innovationen im Bereich der energieeffizienten Abscheidung, sodass die Wirtschaftlichkeit in ein paar Jahren gegeben sein sollte. » Sollte dies gelingen, könnte die Technologie weltweit zur Senkung des CO2-Ausstosses beitragen. «Kalkprodukte wirken beispielsweise in vielen Anwendungen bereits heute als CO2-Senke. Ein Drittel des geogenen CO2, wird über einen Zeitraum von einem Jahr wieder aufgenommen. Mit den zusätzlichen Effekten durch die CO2-Abscheidung in der Produktion wird es uns gelingen, die Ziele der CO2-Roadmap  ,Kalkindustrie 2050' zu erreichen um zur klimapositiven Industrie zu werden», ist Dr. Konrad H. Marti überzeugt.

Jürg Huber / pd.

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