Ein Blick auf 3612 Meter über Meer

Auf dem Weg zum Gipfel. (Foto: Maximilian Waske/Video: Delia Landolt)

Die Glarner Bergführer sind vorsichtig, seit sie letzten Sommer die immensen Gletscherspalten am Tödi gesehen haben. Trotzdem sind Skitouren auf den höchsten Glarner geplant – über die Verhältnisse und die Durchführung entscheidet jeder Zentimeter Neuschnee. Mit dem Saisonstart der SAC-Hütten rund um den Berg ist der Weg seit zwei Wochen geebnet.

Schneeschaufeln, Wasser schmelzen, Kuchen backen. Vier Tonnen Lebensmittel landen auf der Fridolinshütte, mit deren Eröffnung die Tourensaison am Tödi beginnt. «Fensterläden öffnen und es kann los gehen», fasst Hüttenwartin Lisa Hösli zusammen, die schon im Tal unten mit Reservationen annehmen, Getränkekarten schreiben und Auskunft geben über die Verhältnisse viel zu tun hatte. Gleichzeitig öffneten am Freitag, 17. März, auch die Planura- und Claridenhütte ihre Fenster und Türen. Doch wie sieht der Berg aus nach einem trockenen Sommer und einem Winter, der noch schneeärmer war als sein Vorgänger?

Ein Grund zur Absage
Für das erste Tödi-Wochenende ist Föhn angesagt, die Lawinengefahr ist wegen verwehten Neuschnees prekär. Stufe 3 von 5, erheblich. Die Alpinschule Glarnerland sagt ihre erste Tödi-Tour ab. Sie schreibt: «Der viele Triebschnee wird sich noch nicht genügend verfestigt haben und die Situation im Bereich der Gletscherbrüche ist sehr unklar.» Da bis dahin in dieser Saison noch kein Glarner Bergführer auf dem Tödi war, gab es keine aktuellen Infos über die Verhältnisse.

Alarmierende Bilder aus dem Sommer
Die Erinnerungen an die aufklaffenden Gletscherspalten letzten Sommer am Tödi sind dem Glarner Bergführer Hans Rauner noch deutlich im Kopf: «Ein Auto würde locker da hineinpassen. Der wenige Schnee von diesem Jahr wird diese Löcher kaum gefüllt haben.» Der 64-Jährige habe selten so grosse und tiefe Spalten gesehen. In keinem der 400 Male, in denen er auf dem Tödi war, zu allen Jahreszeiten, über alle erdenklichen Routen. Nur diesen Winter war er noch nicht auf dem Gipfel, letzten ebenfalls nicht, da es die Verhältnisse nicht zuliessen. «Wenn es etwas Schnee gibt, sieht es schnell so aus, als wären die Spalten gefüllt, was ein vermeintlich sicheres Gefühl gibt», erklärt Rauner. Die Glarner Bergführer sind alarmiert. «Ich hatte früher schon einen gesunden Respekt. Jetzt sind wir aber nochmals defensiver unterwegs.»

Zeitfresser am Berg
Der Schnee, der im Dezember fällt, sollte die Gletscherspalten schliessen und damit die Touren im März sichern. Was danach noch an Schnee kommt, ist zusätzlich. Die knappen Schneeverhältnisse wirken auf die Tourenplanung vor Ort ein. Während normalerweise mit einem Start von der Fridolinshütte um 05.00 Uhr morgens gerechnet wird, sollte man bei schlechten Verhältnissen gut eine Stunde früher loslaufen. Bei wenig Schnee werden über die beiden Gletscherabbrüche die Ski aufgebunden und es geht mit Steigeisen weiter. Um 10.00 Uhr sollten die 3612 Meter über Meer erreicht sein. Wird es später, steigt die Gefahr von Nassschneelawinen. Rauner erklärt: «Die Zeit ist im Frühling immer gegen dich. Die Schneebrücken über die Gletscherspalten werden bei hohen Temperaturen schnell weich und instabil.» Dann muss auf der Abfahrt über den Gletscher angeseilt werden, was niemandem Spass macht und ebenfalls Zeit frisst.

80 Zentimeter Pulver
Allen Bedingungen zum Trotz: Die Fridolinshütte ist an den meisten Wochenenden ausgebucht und schon zu Saisonbeginn wurde der Tödi bestiegen. Bergführer Peter Köttgen von der Bergschule Mybergtour war mit einer Gruppe auf dem Gipfel und berichtete von gut 80 Zentimeter Neuschnee, der ihnen anspruchsvolle, aber sehr lohnende Verhältnisse bot. Hätte es diesen Schnee das Wochenende zuvor nicht gegeben, hätten sie die Tour wohl ebenfalls abgesagt. Geschäftsführer Andreas Stadler vermittelt seinen Gästen schon im Voraus: «Wir nehmen immer Tag für Tag, denn wie die Bedingungen wirklich sind, weiss man erst vor Ort.»

Ein beliebtes Tourenziel
Auch in der Fridolinshütte herrscht optimistische Stimmung: «Wenn diese Skitouren-Saison so gut wird wie die letzte, sind wir sehr zufrieden.» 2022 konnte die Hütte trotz wenig Schnee fast 790 Leute beherbergen – beinahe 100 mehr als im schneereichen Vorjahr. Die Hüttenwartin Lisa Hösli meint: «Der Tödi ist nach wie vor ein sehr beliebtes Tourenziel und die meisten stört es nicht, wenn sie über die Gletscherabbrüche die Skier ausziehen und Steigeisen anziehen müssen.» Hans Rauner fasst die Situation so zusammen: «Eine gute Skitour beinhaltet eine gute Abfahrt, dann ist es richtig schön.» Und ob es eine solche gibt, kann sich von Woche zu Woche ändern.

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