FRIDOLIN Kunst-Pong im Kunsthaus Glarus, Ausgabe 4: Wäch und die «knusprige Nichte»

Selbstbildnis Wächs mit Zigarre, 1917. (Foto: Ruxin Li)

So wie beim Pingpong die Bälle hin und her fliegen, so sollen beim FRIDOLIN Kunst-Pong die Ansichten über Kunstwerke sich miteinander messen. Im FRIDOLIN Kunst-Pong kreuzen die «Redaktionsgschpänli» Juliane Bilges und Søren Ehlers die Klingen der Sprache und zeigen, dass man auch bei ganz grosser Kunst verschiedene Ansichten haben kann. Ihr Blick auf die Kunst ist schon generationenmässig verschieden. Sie ist ein Zoomer, er fast noch ein Baby-Boomer. Aber auch gendermässig: Sie ist eine Frau, er ein Mann. Besprochen werden Werke im Kanton Glarus oder aus der Region, die Texte sind bewusst subjektiv.

Als FRIDOLIN-Leserin oder -Leser sind Sie eingeladen, mit Ihren Bekannten oder Freundinnen ebenfalls Kunst-Pong zu spielen. Es soll also jede/jeder ein Foto aus seiner Sicht machen und eine Ansicht, möglichst schriftlich, äussern. Dabei gilt wie immer: In der Kürze liegt die Würze, Länge möglichst bei beiden zwischen 1500 und 1800 Zeichen. Wenn es dann sogar noch gut ist, bringen wir es.

FJ


Für die vierte Ausgabe der gemeinsamen Kunstbetrachtung wählten die beiden aus den drei neuen Ausstellungen des ­Kunsthauses Glarus eine aus und schrieben ihre persönlichen Eindrücke nieder. Sie entschied sich für «Sophie Gogl – DIE KNUSPRIGE NICHTE». Søren Ehlers entschied sich für «Sammlung: Jakob Wäch». Alle drei Ausstellungen laufen bis am Sonntag, 25. Juni.

  • Søren Ehlers

    Søren Ehlers

    Schüler seines eigenen Talentes
    Auf den ersten Blick erstaunt es, dass Jakob Wäch ein Maler werden konnte, dessen Werke eine Kunsthaus-Ausstellung bekommen. Denn er hatte nicht viel Zeit, um ein Werk zu erschaffen, er starb mit nur 25 Jahren. Und dass er, als Sohn eines Metzgers in Glarus aufgewachsen, um 1910 eine künstlerische Laufbahn ergreifen durfte, ist besonders. Ebenfalls besonders finde ich die Gesamtwirkung der Sammlung von zirka fünfzig Bildern, die allermeisten davon Porträts. Meine Eindrücke sind gemischt. Da sind zum einen ausdrucksstarke Porträts und Selbstporträts, gemalt in Öl auf Leinwand. Eines davon heisst: «Selbstporträt als mein Bruder». Dann wiederum gibt es Bleistiftzeichnungen, die vermutlich Wächs Kameraden aus dem Dienst im Ersten Weltkrieg zeigen. Sie sehen aus wie die schnell skizzierten Blätter von Karikaturisten, die an den Strandpromenaden der Côte d’Azur die Touristen abzeichnen. Also nullachtfünfzehn. Diesen Eindruck bestätigt Kunsthausdirektorin Melanie Ohnemus. Sie hat das gesamte im Kunsthaus gesammelte Werk Wächs gesichtet. Es sei zu sehen, wie sehr Wäch am Ausprobieren gewesen sei, um einen eigenen Stil zu finden. Es entsteht so der Eindruck eines Künstlers in der Entwicklung, oder, wie es sein Schwager und Freund, der Zürcher Schriftsteller Rudolf Hösli (1888-1960) ausdrückte: Jakob Wäch sei «Schüler seines eigenen Talentes» gewesen.

    • Bleistiftzeichnung, vermutlich Porträt eines Militärkameraden. (Foto: Søren Ehlers)

      Bleistiftzeichnung, vermutlich Porträt eines Militärkameraden. (Foto: Søren Ehlers)

      Søren Ehlers


      • Juliane Bilges

        Juliane Bilges

        Von Magenta bis Ultramarin
        Beim Besuch des Kunsthauses Glarus sprangen mir sofort die knalligen Farben ins Auge, welche sich im ersten Ausstellungsraum von Sophie Gogl auf zwei grossen, den Raum einteilenden Ausstellungswänden mit Rauten-Muster erstrecken: Magenta, Rosa und Schwarz. Auf einer Wandseite ist ein Wasserhahn mit Fliesseffekt angebracht. Er ist zwar aufgedreht, hat aber in diesem Sinne keine Funktion. Das fliessende Wasser befindet sich im Stillstand und wird in seiner Form immer gleich bleiben.

        Zusammen mit dem knalligen Rauten-Muster war mein erster Gedanke beim Betrachten dieser Wand: ein stylishes Badezimmer mit kaputtem Wasserhahn. Inspiriert wurde Sophie Gogl von der Kunstinstallation «Dream House» in New York. Dort war der Hauptraum ebenfalls in ein rosarot-pinkes Licht getaucht und lud zum Verweilen oder vielleicht sogar zum Meditieren ein. Da Fotografieren in der Installation verboten war, fotografierte Gogl die Fliesen in der ­Toilette, welche in das gleiche Licht, wie der Hauptraum getaucht waren. Diese Fotos dienten schliesslich als Grundlage für die Ausstellung im Kunsthaus Glarus. Das gleiche Farbspektrum findet sich auch auf den Leinwänden im oberen Stockwerk wieder. Als ich mir nachträglich das Interview von Direktorin Melanie Ohnemus mit Sophie Gogl durchlas, musste ich schmunzeln. Denn auch ich habe es mir nicht nehmen lassen, die Fliesen in der Toilette des Kunsthauses zu fotografieren, da ich mich irgendwie inspiriert fühlte. Weiter gibt es zu dem Rauten-Muster einige Assoziationen zur Jugend der Künstlerin, besonders was die Farbkombination von magentafarben und schwarz betrifft. Die zwei Ausstellungswände haben definitiv einen Vibe!

        • Zwei Ausstellungswände (und ein Wasserhahn) verleihen dem Raum einen «knusprigen» Appeal. (Foto: Juliane Bilges)

          Zwei Ausstellungswände (und ein Wasserhahn) verleihen dem Raum einen «knusprigen» Appeal. (Foto: Juliane Bilges)

          Juliane Bilges

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