Glarnerland schafft Rückenwind für Erneuerbare

Sven Streiff betreut das Projekt Wärmeverbund in Engi. (Foto/Video: Ruedi Kuchen)

Wärmepumpe, PV-Anlage, Schnitzelheizung, Wärmeverbund – mit dem neuen Energiegesetz haben sich im Glarnerland die Spielregeln geändert. Doch wie schlägt sich das nieder auf die Nachfrage? Der FRIDOLIN sprach mit Impulsberater Hanruedi Sauter und mit Sven Streiff, Leiter Fernwärme der Technischen Betriebe Glarus Süd (tbgs).

Studiert man, wie Menschen Innovationen annehmen oder ablehnen, kommen nach den Innovatoren die sogenannten frühen Anwender und nach ihnen die gefährliche Kluft. Überspringt ein Produkt diese Kluft, erobert es zuerst die frühe und danach die späte Mehrheit. Mit seinem neuen Energiegesetz macht der Kanton Glarus seine Hauseigentümer zu solchen frühen Anwendern von Fernwärmeverbünden respektive zur frühen Mehrheit bei Wärmepumpen- oder Holzschnitzelheizungen. Das hat seinen Vorteil, denn damit ist Glarus der Schweiz in Sachen Klima tendenziell einen Schritt voraus. Eine erste Folge davon: Plötzlich lohnt es sich, Fernwärmeverbünde wie jenen von Engi zu planen.

Wärmeverbund in Engi
Hier beabsichtigen die tbgs, in den Räumen der Weseta Textil AG eine Heizzentrale zu betreiben. Von dort aus könnte ein grosser Teil des Dorfes Engi mit Wärme versorgt werden. Die Zentrale verbrennt Waldhackschnitzel aus einheimischem Holz. Damit wird Wasser auf achtzig Grad erhitzt und über ein geschlossenes Rohrsystem zu den Liegenschaften geführt. Das heisse Wasser gibt seine Energie ans Heizsystem des Hauses ab und kann auch das Brauchwasser erhitzen.

Die Initiative dazu komme von der Weseta, wie Sven Streiff, Leiter Fernwärme der tbgs sagt. «Wegen des neuen Energiegesetzes wollen sie ihr Heizsystem erneuern.» In der Umgebung der Weseta stehen verschiedene Mehrfamilienhäuser, die auch Warmwasser beziehen können. «Damit haben wir von Beginn an grosse Abnehmer.» Die tbgs bringen durch den Betrieb ihrer beiden Wärmeverbunde in Linthal und Schwanden Erfahrung für die Planung und den Betrieb mit. Grosse Abnehmer und Know-how sind optimale Startbedingungen für die Heizzentrale in Engi. Doch damit sie rentabel ist, braucht es mehr Abnehmer. Streiff: «Aktuell haben rund 100 Liegenschaftsbesitzer ihr grundsätzliches Interesse bekundet.» Für den Start sei das ein guter Wert.

Investitionen günstiger als für Wärmepumpe
Die tbgs rechnen mit Investitionskosten von rund 2 Millionen Franken für die Zentrale. «Dazu kommen die Kosten für die Leitungen zu den Häusern», ergänzt Streiff. «Diese Kosten übernehmen die tbgs. Die Anpassungen an die Infrastruktur im Hausinnern geht zulasten des Hausbesitzers.» Diese Investitionen seien tiefer als zum Beispiel für eine Wärmepumpe. Ebenso sei der technische Unterhalt kostengünstiger, «weil im Haus weniger wartungsintensive und teure Heizungskomponenten benötigt werden.» Die Hausbesitzer bezahlen nur die bezogene Energie. «Wir beabsichtigen, die selben Tarife anzubieten wie in Linthal und Schwanden.»

Wie lange dauert es, bis die ersten Häuser in Engi mit Wärme beliefert werden? «Wenn alles gut läuft, ist der Baustart 2024. Wärme können wir, je nach Lage des Objektes, voraussichtlich ab 2024 liefern.» Damit beginnt in Engi drei Jahre nach dem Verbot von Öl- und Gasheizungen eine Zukunft mit einer CO2-neutralen Beheizung für das Dorf. Im Zuge der Umsetzung für eine CO2-freie Wärmeerzeugung, klären die tbgs laufend weitere mögliche Standorte für Wärmeverbunde in Glarus Süd ab.

Nachfrage steigt
Das Beispiel zeigt, was auch Impulsberater Hansruedi Sauter beobachtet. Die Nachfrage nach fossilfreien Heizsystemen wächst. Durchschnittlich gehen schweizweit 40 Gesuche pro Tag ein. Von April bis Juli 2022 wurde von den Impulsberatenden 1767 Mal ein Heizsystem mit Wärmepumpe empfohlen, aber erst 103 Mal empfahl man den Anschluss an einen Wärmeverbund. Das dürfte sich – jedenfalls in Engi – bald ändern. Gemessen an der Bevölke-rung wurden im Kanton Glarus 2022 die meisten Gesuche zur Förderung von neuen Heizsystemen in Einfamilienhäusern eingereicht. Und noch etwas hat sich verändert: Vor dem Inkrafttreten waren es vor allem Umwelt- und Nachhaltigkeitsüberlegungen, die zum Entscheid für ein erneuerbares Heizsystem führten. Jetzt geht es darum, im Rahmen des neuen Gesetzes eine Lösung zu finden. Dabei geben die Impulsberater im Rahmen von «erneuerbar heizen» wichtige Inputs – und dies für Hausbesitzer/-innen kostenlos. So lohnt es sich für alle, den Heizungsersatz vorausschauend zu planen und die Finanzierung aufzugleisen. Denn der nächste Winter kommt bestimmt.

Fredy Bühler und Fridolin Jakober

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