Wanderreisen Marokko (2014 – 2022) - Reise III: Vom Aït Bougmez …

Ausblick vom Marabout Sidi Moussa nach Osten zum Adrar Azourki, der schon Tödihöhe hat. (Fotos: Albert Schmidt)

Albert Schmidt aus Engi ist Kunstmaler, Naturfotograf, Bergsteiger und inzwischen 80 Jahre alt. Auf seinen Wanderreisen erkundete er von 2014 bis 2022 Marokko. Für den FRIDOLIN beschreibt er vier Reisen. In dieser Ausgabe finden Sie die beiden Teile der Reise III, die vom Aït Bougmez in den Hohen Atlas führte.

Im Hohen Atlas
Februar 2014. Aus dem steinreichen, trockenen Djebel Sarhro mit seinem Wüstenklima sehen wir im Norden recht nahe die lange Kette des Hohen Atlas, mit dem schneebedeckten Grat seiner hohen Dreitausender und den zwei Viertausendern des Ighil M'Goun. Aus dem dazwischen liegenden Vallée du Dadès, dem «Rosental» (dort wird mit Rosen alles gemacht, vom Tee bis zum Parfüm), ist das Gebirge eine mächtige, unüberschaubare Barriere in der Landschaft. Seine Gipfel haben schon nicht die Präsenz und Ausstrahlung unserer Viertausender, dafür birgt dieses nordafrikanische Doppelgebirge (mit dem Mittleren Atlas weiter nördlich) noch viel Unbekanntes und Geheimnisvolles für seine Besucher. Könnte es dort noch ursprüngliche, unerschlossene und wirtschaftlich-touristisch unverbaute Täler und Hochlagen geben? 

Der «Carte de Randonnées Ighil M'Goun 1:60 000» beigefügte Fotos zeigen Gesteine, Faltungen und Schichtungen des Atlas, die von denjenigen der Alpen völlig verschieden sind. Näher auf die Geologie des Atlas einzugehen, liegt im Rahmen dieses Reiseberichts nicht drin, nur so viel: Jürg Meyer nennt in seinem grundlegenden Geologiebuch «Wie Berge entstehen und vergehen» die Gebirgskonstellation von Afrika und Europa ein «Plattentektonisches Kuddelmuddel des Alpen- und Mittelmeerraums». Die beigefügten Grafiken zeigen das nachvollziehbar auf.

Im Aït Bougmez
Mai 2018. Viele der marokkanischen Maultierführer, aber auch Guides und Trekkingköche kommen aus diesem in den Hohen Atlas eingebetteten Tal. Sie nennen es «das glückliche Tal».

Warum? Weil es durch das Wasser, das durch alle Seitentäler aus den hohen Bergketten hinunterfliesst, ein selten fruchtbares, grünes Tal ist inmitten arider, trockener Talflanken nördlich und noch zum Teil bewaldeter Hänge südlich davon.

Nach einer Tagesreise von Marrakech aus sind wir im Tal eingetroffen, um uns vor den Wandertagen zu akklimatisieren und mit den hier lebenden Menschen und ihrer Kultur etwas bekannt zu werden. Wir sind zum Essen bei der Mutter unseres Wüstenführers Omar Taha eingeladen, können seiner Schwester beim Knüpfen eines Berberteppichs zuschauen. Wir dürfen die «école vivante» besuchen, die als Entwicklungshilfe und über Spenden für die Kinder des Tales zu einer wichtigen Bildungsstätte geworden ist. Dann die Überraschung: im Dorf Ibaqallin gibt es direkt hinter den Häusern eine schräg gestellte Felsplatte mit taschengrossen Saurierspuren. Ob es afrikanische Verwandte der Archosaurier im Rötidolomit von Obersand am Tödi waren?

Mit unserm Tourenführer Kamal steigen wir am Tag vor der Tour auf einen der zwei mitten im Tal beim Dorf Timit aufragenden Felskegel, auf den der eindrückliche Lehm-Stein-Rundbau des Marabout Sidi Moussa gebaut ist, ein UNESCO Weltkulturerbe. Bei den Ausflügen durch die Felder um den Fluss Assif-n-Aït Bou Guemez entdecken wir eine landwirtschaftliche Bearbeitung, wie sie vergleichbar bei uns noch vor 100 Jahren vorkam. Meistens sind es Frauen in bunten Kleidern, die von Hand in den Feldern am Werk sind, einmal ein Bauer, der mit zwei vor den Holzpflug gespannten Eseln die Erde umpflügt. Ohne Fahrzeuge werden Gemüse und Früchte geerntet und die zu Garben gebundene Gerste auf Eseln oder Maultieren ins Dorf transportiert. Hier gibt es keine Unruhe und Hetze in diesem fruchtbaren, von Wasser gesegneten Tal voller Pflanzen- und Kräuterdüfte. Es mag eine Landbewirtschaftung der Vergangenheit sein, ökologisch und sinnvoll scheint sie angesichts der aktuellen, weltweiten Bestrebungen für mehr Biodiversität jedenfalls zu sein. Die Menschen hier dürfen eine selbstbestimmte und weitgehend autarke Existenz führen, in einer Umwelt, die sie selbst als glücklich bezeichnen.

Albert Schmidt

  • Saurierspuren Ibaqillin

    Saurierspuren Ibaqillin

    In der kleinen Buchhandlung des Jardin Majorelle, der grünen Oase in der heissen Stadt, habe ich zufällig einen wunderbaren Bildband entdeckt. Allein dessen Titelblatt führte zum sofortigen Kauf. Die Französin Karin Huet beschreibt darin das Leben im Aït Bou Gmez in den Jahren 1981-82. Die Bilder, die der marokkanische Künstler Titouan Lamazou beigesteuert hat, sind schlicht grossartig: Hunderte Zeichnungen und Aquarelle der Architektur der Dörfer und der Landschaft, dazu wunderbare Frauen- und Männer-Porträts der Talbewohner, von ihren Tieren, Detaildarstellungen der verwendeten Gerätschaften, von Innenräumen und Fassaden, ergänzend dazu eindrückliche Fotografien. («Onze Lunes au Maroc – chez les Berbères du Haut-Atlas», Editions Malika pour Gallimard Loisirs, Paris 2012, ISBN 978-2-74-243107-6)

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