Kantonsschule Glarus präsentiert 5½ Stunden geballtes Wissen

Sukeyna Corbaci und das Modell der Spiral Dynamics, angewendet auf die Entstehungsgeschichte des Islam. (Alle Fotos: Søren Ehlers)

45 Kantischüler/-innen hatten in den vergangenen fünf Monaten (zum Teil sogar länger) für ihre Maturaarbeiten beobachtet, gelesen, gemessen, befragt, geschraubt, nachgedacht, vermutet, entschieden, ­gerechnet, bewiesen, widerlegt und gebaut.

Am Mittwoch, 11. Januar, war es so weit, dass sie ihre Erkenntnisse der Öffentlichkeit präsentierten. Diese Präsentationen liefen alle nach demselben Muster ab: Zehn Minuten Vortrag (allgemein verständlich für das zahlreich anwesende Publikum), zehn Minuten Befragung durch zwei Fachpersonen und fünf Minuten Fragen aus dem Publikum. Dieser letzte Teil wurde nicht mehr bewertet, deshalb waren die Vortragenden bei diesen Fragen deutlich entspannter.

Generalstabsmässige Organisation
Die 45 Vorträge wurden in elf Abschnitten à dreissig Minuten untergebracht, also vier bis fünf Vorträge parallel. Dazu waren insgesamt sechzehn Räume, verteilt über die ganze Kanti, bereitgestellt worden. Wer also mehrere Präsentationen sehen wollte (und das waren viele), schnappte sich eine Liste und eine Broschüre mit kurzen Beschreibungen der Arbeiten und orientierte sich an den überall angebrachten Raumlisten. Der FRIDOLIN traf mithilfe der Broschüre eine Auswahl und besuchte sieben Vorträge (und verpasste 38). Ob eine Arbeit in diesem Artikel erwähnt wird oder nicht, stellt deshalb kein Werturteil dar. Zwei der Arbeiten kommen in separaten Artikeln in dieser Zeitung zur Sprache.

Alufolie oder Gebirge?
Haben Sie ein Stück Alufolie zur Hand? Sie werden feststellen, dass eine Seite glänzt, während die andere matt erscheint. Frederic Golling aus Näfels untersuchte diese Oberflächen sehr genau. Dazu verwendete er ein hochpräzises Instrument, welches die Kanti Glarus besitzt, ein Rasterkraftmikroskop. Dieses Gerät «tastet» die Oberfläche ab und kann Erhebungen von einem tausendstel Millimeter erfassen. Auf diese Weise zeigte Golling, dass die matte Seite der Alufolie viel «gebirgiger» und rauer ist als die glänzende. Um diese Oberflächenstruktur für alle sichtbar zu machen, druckte er mit Unterstützung des Vereins «Makers im Zigerschlitz» ein 3D-Modell der beiden Oberflächen.

Entstehung des Islam
Die Arbeit von Sukeyna Corbaci aus Haslen ist eine Untersuchung der Entstehungsgeschichte des Islam. Weshalb, fragte sie sich, entstand zu Beginn des 7. Jahrhunderts eine neue Religion in einer Gegend, in der bereits heidnische, jüdische und christliche Gebräuche vorhanden waren? Sie verband eine geschichtliche Betrachtung mit einer verhaltenspsychologischen Theorie namens Spiral Dynamics. Laut Corbaci gab es zu dieser Zeit auf der arabischen Halbinsel viele arme, nomadisch lebende Menschen sowie Sklaven. Die neue Religion bot klare Gesetze und Gerechtigkeit für alle, was viele dieser Menschen als Lösung ihrer Probleme ansahen und bereitwillig diese Religion annahmen.

Farbfotografie als militärische Notwendigkeit
Der Sooler Florian Knobel befasste sich mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs und untersuchte die technische Entwicklung der Alliierten im Zusammenhang mit deren Bomberangriffen. Er legte dar, dass die englische Royal Air Force zu Beginn des Krieges weder in der Lage war, Bomben präzise abzuwerfen, noch die Auswirkungen der Treffer genau zu erfassen. Erst durch die Entwicklung genauerer Messinstrumente, z. B. Spezialkameras, gelang es, deutlich mehr Bomben mit hoher Präzision auf bestimmte Ziele abzuwerfen.

Wasseramsel, wo bist Du?
Die Molliserin Anne Hielscher war bereits im März 2022 draussen unterwegs. Da die Wasseramseln sehr früh im Jahr brüten, war dies die beste Zeit für Beobachtungen. Von Ennenda abwärts suchte sie auf dem gesamten Lauf der Linth nach Wasseramseln. In 100 Beobachtungsstunden sichtete sie 70 Mal einen dieser Vögel. Hielscher beschrieb die Fundorte und stellte fest, dass an Orten mit höherer Fliessgeschwindigkeit und dem Vorhandensein von Brutmöglichkeiten und geschützten Orten wie Brücken, erheblich mehr Wasseramseln vorkommen. Hielscher las zudem Berichte über das Vorkommen der Wasseramsel seit 1950. Ihre Beobachtungen und Recherchen zeigen, dass die Wasseramsel im Kanton Glarus und in der Schweiz weit verbreitet ist. Sie versuchte ausserdem, eine Aussage zu machen darüber, wie sich die Veränderung der natürlichen Gegebenheiten durch den Klimawandel auf die Vögel auswirken könnte. Sie vermutet eher negative Auswirkungen.

Einen Monat lang auf Zucker verzichten – was passiert?
Ausgangspunkt für die Arbeit von Samira Ronner war die Tatsache, dass in der Schweiz pro Person 3,3 Kilogramm Zucker pro Monat konsumiert werden. Empfohlen werden maximal 1,6 Kilogramm. Ronner untersuchte, was in Menschen medizinisch und psychologisch vorgeht, wenn sie einen Monat lang weitgehend auf Zucker verzichten. Acht Versuchspersonen verzichteten auf Lebensmittel, die viel Zucker enthalten. Zur Illustration des «Essregimes» zeigte sie ein Vorher-Nachher-Bild ihres Kühlschranks, welches dokumentiert, auf welche Esswaren verzichtet wurde. Ronner mass regelmässig Blutzucker, Blutdruck und Gewicht der Studienteilnehmenden. Diese füllten zudem regelmässig einen Fragebogen aus, in dem sie Auskunft gaben über ihre Konzentrationsfähigkeit, ihr Leistungsvermögen und weitere Auswirkungen.

Ronner stellte fest, dass alle Teilnehmenden etwas Gewicht abnahmen, ihre Schlafqualität zunahm und das Geschmacksempfinden besser wurde. Das psychische Wohlbefinden nahm dagegen ab. Hier vermutete sie, dass das ständige Achten darauf, was gegessen werden darf und was nicht, mit der Zeit zu Stress führte.

Was bleibt? Was kommt?
Es wurde eine Vielzahl an Themen präsentiert und ich hätte gerne weitere Vorträge besucht. Einige waren beeindruckend und umfassend bearbeitet, bei anderen wurde das ursprünglich gefasste Ziel nicht erreicht werden und die jungen Forschenden mussten mit Schwierigkeiten umgehen können. Die allerbesten Arbeiten werden am Samstag, 11. Februar, um 11.30 Uhr prämiert. Davor, ab 07.55 Uhr, findet der öffentliche Besuchstag der Kanti statt.

Søren Ehlers

  • 3D-Druck eines 1000-fach vergrösserten Stückchens Alufolie. Links die glänzende Seite, rechts die matte. In der Höhe ist die Vergrösserung 50 000-fach.

    3D-Druck eines 1000-fach vergrösserten Stückchens Alufolie. Links die glänzende Seite, rechts die matte. In der Höhe ist die Vergrösserung 50 000-fach.

  • Florian Knobel analysierte, wie sich verschiedene technische Entwicklungen auf die Kriegstaktik auswirkten.

    Florian Knobel analysierte, wie sich verschiedene technische Entwicklungen auf die Kriegstaktik auswirkten.

  • Der Kühlschrank von Samira Ronner vor der Studie...

    Der Kühlschrank von Samira Ronner vor der Studie...

  • ...und während der Studie.

    ...und während der Studie.

  • Anne Hielscher verbrachte 100 Stunden entlang der Linth bei der Beobachtung von Wasseramseln.

    Anne Hielscher verbrachte 100 Stunden entlang der Linth bei der Beobachtung von Wasseramseln.

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