Was ist Glück?

Sara Zopfi: «Glück soll etwas Besonderes sein.» (Foto: Ruedi Kuchen)

Ausreichend zu essen und sauberes Wasser, Familie und Freunde, ein selbstbestimmtes und langes Leben. Wie kann man Glück auch noch beschreiben? Der FRIDOLIN hat Antworten gesucht.

Es gibt zahlreiche Menschen, die Glück mit Geld erreichen wollen. Das scheint machbar, immerhin kann man Essen und Wasser damit kaufen. Manche denken, man könne sogar eine Familie und Freunde kaufen. Ob das funktioniert, weiss Stefan Hirt, Vorsitzender der Bankleitung der Raiffeisen Glarnerland: «Geld allein macht nicht glücklich, aber es beruhigt.» Da drängt sich die Frage auf: Welches Geld? Ist es Bargeld, sind es Aktien, das beim Spiel gewonnene oder das selbst verdiente Geld? Für Stefan ist klar: «Jeder ist seines Glückes eigener Schmied und daher glaube ich, dass selber verdientes Geld am ehesten glücklich machen kann.» Solange also im Portemonnaie etwas drin ist, kann man sein Glück geniessen. Aber wie viel soll drin sein? «So viel, dass am Ende des Monats etwas übrig bleibt.» Grosses Glück hatte Stefan, «als ich auf dem Motorrad von einem Autofahrer abgeschossen wurde, erst in der Ambulanz wieder zu Bewusstsein kam und die Füsse bewegen konnte.»

Schönheit
In den sozialen Medien präsentieren sich viele Menschen glücklich. Menschen mit einem makellosen Körper und schönen Haaren. Studien belegen, dass attraktive Menschen selbstbewusster, entspannter und glücklicher sind. Wir fragen André Reithebuch. 2009 wurde er zum schönsten Schweizer gekrönt. Hat ihm das Glück gebracht? «Ich hatte sicher Glück, dass ich gewonnen habe. Heute bin ich glücklich, etwas daraus gemacht zu haben.» Für ihn ist klar: Schönheit ist Ansichtssache, Glück ist, «wenn alles rund läuft.» Wenn zu Hause alle gesund seien, die Beziehung gut funktioniere und es bei der Arbeit keine grösseren Probleme gebe. Auch dass er im Oktober zum dritten Mal Vater geworden ist, macht ihn glücklich. Hat der Zimmermann und Bergführer eine Empfehlung, wie man sein Glück in die eigenen Hände nehmen kann? «Eifach alles ä chlä mit gsundem Verstand ­machä.»

Ein anderes Leben
Wer unglücklich ist, wünscht sich manchmal ein anderes Leben. Leopold Ramhapp, Radiojournalist hat als Laienschauspieler Gelegenheit, ein anderer Mensch zu sein. Macht es ihn glücklich, wenn er in eine Rolle schlüpft? «Eine Theaterrolle erarbeite ich mir mit sehr viel Anstrengung. Die Rolle macht erst dann glücklich, wenn man vor Publikum merkt, dass die Menschen einem die gespielte Person abnehmen und sich von ihr mitreissen lassen.» Ist das auch so, wenn er einen Bösewicht spielt? «Egal ob böse, traurig oder lustig: Wenn es mir gelingt, die Emotionen beim Publikum zu wecken, dann löst das in mir Glücksgefühle aus.» Auch neben der Bühne überlässt Leopold sein Glück nicht dem Zufall. «Einen Grossteil des Glücks muss man sich erarbeiten. Ich versuche, mich an den kleinen Glücksmomenten zu freuen.» Zum Beispiel an einer grünen Welle im dichten Strassenverkehr, oder wenn er Menschen kennenlernt und merkt, dass er vieles mit ihnen gemeinsam hat.

Ein langes Leben
Verlassen wir die Theaterbühne und suchen das Glück wieder im echten Leben. Ist es lang, habe man Glück. Kann Liselotte Zweifel-Oppliger das bestätigen? Sie ist 86 Jahre alt. «Wenn man einigermassen gesund ist, ja.» Und was braucht es, damit man lang leben kann? «Glück.» Liselotte backt und strickt gerne und ist täglich mit dem Rollator an der frischen Luft. Wann hat sie das letzte Mal Glück erfahren? «Heute Morgen, so wie jeden Morgen, wenn ich aufstehe.» Dennoch: Rückschläge gehören auch zum Leben, davor ist niemand geschützt. Wie geht sie damit um? «Man muss nach vorne schauen.»

Die Zukunft
Viel vor sich hat Sara Zopfi. Sie ist 13 Jahre alt und glücklich, «wenn ich mit meiner Familie und Freunden eine tolle Zeit verbringen kann.» Gemeinsam Glück erleben. So war es auch, als sie mit ihrem Team ein Turnier gewonnen hatte. «Klar haben wir uns das auch erarbeitet, aber schliesslich hätten wir es auch verlieren können.» Oft kommt das Glück unerwartet. Vielleicht sucht man sich deswegen etwas Zuverlässiges. Zahlen zum Beispiel oder Farben, die einen durch Hochs und Tiefs begleiten. «Meine Glückszahl ist die Drei, weil ich zwei Freundinnen habe und wir zu dritt schöne und coole Sachen erleben.» Und die Lieblingsfarbe sei Blau, «weil sie schon früh meine Lieblingsfarbe war und ich Blau in allen Variationen mag.» Ob das Glück schweisstreibend erkämpft wird oder einem in den Schoss fällt, eines ist für Sara klar: «Jeder sollte in seinem Leben Glück erfahren, aber nicht zu oft und zu viel, damit Glück immer etwas Besonderes bleibt.»

Musik
Glück im Leben erfahren wir auch durch unsere Sinne. Mit Musik zum Beispiel. Christian «Randy» Müller, Musiker und Musiklehrer formuliert es so: «Das Leben an sich ist Musik. Life is rhythm and rhythm is life.» Darum spiele Musik in jeder Kultur eine wichtige Rolle. «Musik verbindet.» Wann hat er das letzte Mal Glück erfahren? «Gerade eben, als ich an Glück gedacht habe. Dabei kam mir der Song ‹What a Wonderful World› von Louis Armstrong in den Sinn.» Macht es einen Unterschied, Musik selber zu spielen oder Musik zu hören? «Wenn man Musik spielt, ist es aus meiner Sicht ein noch intensiveres Glücksgefühl, weil man etwas von sich geben darf», sagt Randy. So ist für ihn Glück ein «Seinszustand voller Freude und Dankbarkeit.»

Essen
Über die Ohren können wir glücklich werden. Geht das auch über die Nase und die Zunge? Gibt es Geschmäcker, die glücklich machen? Tina Hauser, Gewürzsommelière und Food-Innovatorin: «Vanille vermittelt Geborgenheit und Glück, da diese Moleküle bereits in der Muttermilch enthalten sind.» Dunkle Schokolade mit Nüssen sei schon fast ein Garant für Glück. Auch Schärfe fördere das Glücksgefühl, das Capsaicin der Chilis, Piperin der verschiedenen Pfeffer, Gingerol des Ingwers oder das Zimtaldehyd des Zimts. Gutes Essen kitzelt nicht nur den Gaumen, es fördert Glücksgefühle. Tina sagt es so: «Mit gutem Essen und guten Zutaten gebe ich meinem Körper und meinem Geist die Zuwendung, um die wichtigen Schritte umzusetzen.» Trotz erlesener Zutaten – alleine essen macht nicht glücklich. Darum ist für Tina klar: «Die Begegnung mit unterschiedlichsten Menschen bedeutet für mich ein wichtiges Stück Glück.» So könne in einem Restaurant ein offener Tisch, an dem jede und jeder Platz nehmen kann, um gemeinsam zu essen, eine gute Sache sein. Einen glücklichen Moment hatte Tina vor ein paar Tagen. «Ich konnte Zeit mit interessanten Menschen verbringen und den Umgang mit unseren Sinnen mit farbigen und wohlriechenden Gewürzen vermitteln.»

Bewegung
Düfte und ein voller Bauch versprechen Glück. Es gibt da aber diesen mahnenden Zeigefinger: Zuviel Essen macht fett. Das wiederum macht unglücklich. Bewegung und ein Bewusstsein für den eigenen Körper sind da hilfreich. «Yoga hat das Ziel, dich auf körperlicher, mentaler und emotionaler Ebene auszurichten und dich mit dir und deinem wahren Kern in Einklang zu bringen», sagt Yvonne Gabriel, Yogalehrerin und ganzheitlicher Gesundheits-Coach. «So kann Yoga zu einem Glückszustand werden.» Kann ich, wenn ich traurig bin, mit Yoga wieder glücklich werden? «Ja, weil man auf der Matte Atem und Bewegung in Einklang bringt.» Ist das nachhaltig? «Eine Schülerin kam nach einem Yogakurs zu mir und sagte, sie habe das erste Mal seit Jahren keine Beschwerden mehr.» Darum sagt Yvonne: «Glück ist, am Morgen gesund und zufrieden aufzuwachen und abends gesund und erfüllt einzuschlafen.»

Tiere
Alles Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde. Das Sprichwort verspricht viel. Pferdefachfrau Miriam Lehnherr bestätigt: «Kinder sind glücklich, wenn sie reiten dürfen.» Dafür hat sie eine Erklärung: «Tiere nehmen uns so, wie wir sind. Sie sind uns gegenüber immer ehrlich.» Keine Lügen, keine Ausreden. Aber um zum Glück zu kommen, müsse man auch etwas tun, Haustiere wollen geputzt und gefüttert werden. Das motiviert: «Wir haben eine Aufgabe und werden gebraucht.» Glück auf dem Pferderücken finden auch Patienten beim Therapiereiten. «Die dreidimensionale Bewegung wird genutzt, um Spannungen im Körper abzubauen.» Damit hat Miriam schöne Erfahrungen gemacht: «Das Arbeiten im therapeutischen Bereich barg für mich die meisten Glücksmomente». Für sie ist klar: «Glück ist situationsabhängig und personenbezogen. Es löst vieles aus, und man fühlt das aussergewöhnlich Schöne.» Miriam hat eine unruhige Zeit hinter sich. Rückblickend sagt sie: «Ein Glück war, dass ich die richtigen Menschen um mich hatte, die mir viele Sorgen abgenommen haben.»

Der Glaube
«Glück verbinde ich mit Freude empfinden, mit Zufriedenheit und Dankbarkeit.» Das sagt Seelsorgerin Vreni Schnyder aus Netstal. «Ein starkes Fundament dazu» sieht sie im Glauben an Gott. Es sei die Achtung und der Respekt vor Menschen und der Schöpfung, die Liebe zu Gott, die eine «gewisse Ruhe und Gelassenheit» geben. «In der Bibel finden wir viele Anleitungen für ein glückliches und dankbares Leben.» Als Seelsorgerin lernt Vreni Menschen kennen, die unglücklich sind und sich in seelischer Not befinden. «Wenn ich sie auf ihrem Weg begleite, sind sie dankbar, und das macht mich glücklich.» Wann hat Vreni das letzte Mal Glück erfahren? «Kürzlich hat mir jemand sehr schöne Worte geschrieben. Sie kamen zu einem überraschenden Zeitpunkt.»

Der Glücksbringer
Zum Schluss fragen wir jemanden, der von Berufs wegen weiss, was Glück ist. Rolf Elmer aus Elm. Er ist eidg. dipl. Kaminfegermeister. Kaminfeger befreien uns vom Pech. Rolf erklärt: «Früher wiesen die Kamine oft Glanzruss auf und da die Häuser aus Holz waren, gab es viele Kaminbrände. Hat der ­Kaminfeger den Glanzruss entfernt, gab es weniger Brände. Somit brachte der Kaminfeger Glück.» Der Mensch als Glücksbringer. «Einige Leute sind überzeugt, dass es ihnen Glück bringt, wenn sie die Goldknöpfe an meiner Arbeitskleidung anfassen.» Darin sieht Rolf eine Verpflichtung: «Wir verteilen unseren Kunden nach getaner Arbeit eine Glücksmünze.» Sein persönliches Glück hatte er im vergangenen Sommer: «Ich machte auf einer Wendeltreppe einen Fehltritt. Dabei habe ich mein Knie verdreht, und der Meniskus riss. Zum Glück bin ich nicht die Treppe hinuntergestürzt.» Glück im Unglück. Für Rolf gibt es zwei Arten Glück: «Eines, das man in gewissen Massen beeinflussen kann, und eines, welches nicht beeinflussbar ist.»

Obwohl jeder von uns Glücksmomente erlebt, kennen wir kein allgemeingültiges Rezept dafür. Vielleicht kommen Glückwünsche deshalb immer gut an, weil sie Platz bieten für die eige-nen Erfahrungen und Gefühle. Das FRIDOLIN-Team wünscht Ihnen ein glückliches neues Jahr.

Fredy Bühler

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