Glarnerland lernt sparen

Landammann Benjamin Mühlemann spricht über die finanzielle Zukunft. (Foto/Video: FJ)

Mit dem kommenden Budget beginnt beim Kanton eine mehrjährige Periode prognostizierter Ausgabenüberschüsse. Der FRIDOLIN sprach mit Landammann Benjamin Mühlemann, der erklärt, wie es dazu kommt und weshalb trotzdem weiter investiert werden muss.

Was sind Aufgaben des Staats, was soll die private Seite tragen? Der Landammann spricht Klartext: «Nur dort, wo die Privaten das zusammen nicht stemmen können, soll der Staat tätig sein.» Braucht es den Staat oder ist es besser, wenn der Markt spielt? «Meine persönliche Haltung: Der Staat soll eher zurückhaltend sein. Aber etwa Bildung, Infrastruktur, Energieversorgungssicherheit sind Aufgaben des Staates.»

Wieviel Staat darf’s denn sein?
Eine andere Form der Finanzierung wären etwa Korporationen, wo Private sich zusammenschliessen. Aber in vielen Bereichen stösst man da an Grenzen oder es gibt regulatorische Schwierigkeiten. «Gesetze werden geschaffen, um einen Missstand zu beheben, aber anderes wird dadurch eingeschränkt.» Ein aktuelles Beispiel ist der liberalisierte Strommarkt. Jene Unternehmen, die davon profitieren konnten, leiden jetzt finanziell unter den Verwerfungen der Märkte. «Sofort kommt der Ruf nach staatlicher Unterstützung. Dies wiederum zöge neue Regulierungen nach sich – aus meiner Sicht höchst problematisch.» Ähnlich ist es bei Krankenkassenprämien, wo man – trotz der Pflichtversicherung – eine kostenreduzierende Franchise wählen kann. «Das ist ein risikobasierter eigenverantwortlicher Ansatz.» Oder bei Privatschulen: «Sie entstehen oft, um andere Konzepte zu realisieren. Da gibt es offensichtlich ein Bedürfnis. Aber es braucht für alle Schulen Rahmenbedingungen, die sicherstellen, dass die Ausbildung durchlässig und berufsvorbereitend ist.» Das ist dann im Interesse der Bevölkerung.

Alles hat ein Preisschild
Es geht bei Investitionen bei knappem Budget und vielen gebundenen Ausgaben um die Gewichtung bei den freien Ausgaben. «Alles hat ein Preisschild, auch die dreizehn Legislaturziele des Regierungsrates. Da darf man sich fragen, können wir uns das leisten und was hat das für einen Nutzen.» Mühlemann nennt die 2,9 Mio. Franken des neuen Bürgerportals für den digitalen Austausch mit der Bevölkerung plus die zusätzlichen Stellen, die es zur Umsetzung braucht. Aber auch die Förderung der «Datenautobahn» mit ultraschnellem Breitband. Damit wolle der Regierungsrat einen «volkswirtschaftlichen Impact» schaffen. Oder das «Flächenmanagement», bei dem der Kanton aktiv Industriebrachen kauft, sie entwickelt und den Investoren zur Verfügung stellt, um Investitionstätigkeit auszulösen.

Wollen wir uns das leisten?
Einen von vielen Gründen für die Ausgabenüberschüsse sieht der Landammann in den zentralen Infrastrukturprojekten, die in den kommenden Jahren realisiert werden: das Gefängnis, der Ausbau der Berufsschule Ziegelbrücke, die Strassenprojekte rund um den Flugplatz, die Erschliessung von Braunwald. Beim Veloverkehr wird ebenfalls mehr investiert als früher, denn eine verbesserte Veloverkehrsinfrastruktur trägt zu den Klimazielen bei. «Gleichzeitig ist unsere Steuerstrategie, attraktiv zu bleiben. Eine Analyse zeigte, wo wir uns verbessern wollen.» Andere Kantone haben die Steuern gesenkt, Glarus will nachziehen. «Die Erfahrung der letzten 10 bis 12 Jahre bestätigt: Obwohl der Kanton Glarus die Steuern immer wieder senkte, sind die Erträge mittel- bis langfristig gestiegen. Dieses Wachstum der Erträge braucht es, um die Projekte, Ideen und Aufgaben, die wir haben, finanzieren zu können. Zudem sind wir sehr abhängig von externen Mittelzuflüssen, der Nationale Finanzausgleich ist für uns unabdingbar.»

Entscheide revidieren?
Gibt es Entscheide, die man im Licht der derzeitigen kritischen Lage anders fällen würde? «Im Moment, wo man eine Entscheidung fällt, ist sie richtig. Wenn man schlauer ist, muss man die schlauen Konsequenzen ziehen.» So ist derzeit die Prämienentlastungsinitiative unterwegs, mit Gegenvorschlägen von Bundesrat, Nationalrat und Ständerat. «Aber alle diese Vorschläge haben massive Mehrkosten für die Kantone zur Folge und sind ein Eingriff in die föderale Struktur.» Zudem brauche es, so Mühlemann, auch ein Verhältnis zu den Zahlen. «Wir hatten jetzt über lange Jahre gute Rechnungsergebnisse und konnten Reserven äufnen – ganz nach dem Motto: Spare in der Zeit, so hast du in der Not. Doch das verleitet dazu, lascher zu werden beim Ausgeben. Das sah man während der Pandemie, wo es bei den Ausgaben nicht mehr um Franken und Rappen ging, sondern um Millionen und Milliarden, so dass viele in der Politik das Verhältnis zu den Zahlen verloren. Es war aber richtig, die Reserven in der Not zu verwenden.»

Vorwärtsstrategie trotz Defiziten
Derzeit brauche es, so Mühlemann eine Vorwärtsstrategie: «Investitionen häufen sich bei uns zyklisch. Lange Jahre wurde weniger investiert. Jetzt kommen einige Grossprojekte auf den Kanton zu. Doch irgendwann ist Braunwald entwässert und erschlossen, die Berufsschule gebaut, die Strassen um den Flugplatz sind ausgebaut. Vieles davon bedeutet nicht einfach Geld ausgeben, sondern es ist eine Investition in die Zukunft. Breitbandanschlüsse oder Flächenmanagement schaffen Arbeitsplätze und bringen Steuerzahler. Auch bei der Gesundheit gilt: wo wir Prävention fördern, können wir Gesundheitskosten dämpfen. Man tätigt eine Investition, wenn sie sich lohnt und am Schluss auszahlt, wir müssen also so geschickt investieren, dass es vorwärts geht und der Kanton nicht in eine Abwärtsspirale gerät.» Auch bei Themen, wo das nicht direkt ersichtlich ist. «Wenn wir uns auf eine Pandemie oder eine Katastrophe vorbereiten, so kommt eine solche zwar nur alle paar Jahrzehnte vor, die Vorleistungen zahlen sich im Fall der Fälle aber aus.» Oder bei den Investitionen in Fachkräfte: «Wir wollen die Bevölkerung dazu befähigen, in einem immer stärker digitalisierten Arbeitsmarkt mitzugehen. Dazu sollen ihnen die Kompetenzen vermittelt werden, damit sie im Berufsleben bestehen können.»

Ausgleichen
Wer die Budgets etwa von Glarus Nord und Glarus Süd vergleicht, stellt fest, dass sich die Gemeinden sehr unterschiedlich entwickeln. Während Glarus Süd gerade mal 12 Mio. Franken investieren kann und dabei fast 4 Mio. Franken Defizit für 2023 budgetiert, ist das Defizit von Glarus Nord mit 0,6 Mio. Franken bedeutend tiefer, die geplanten Investitionen mit 36 Mio. Franken aber dreimal so hoch wie bei Glarus Süd. Wie müsste ein Finanzausgleich gestaltet sein, damit er wirksam und gleichzeitig gerecht ist? «Der Ressourcenausgleich ist das effizienteste Mittel», so Mühlemann. «Denn er stellt auf die Leistung der Steuerzahlenden ab. Man schaut auf die Leistungsfähigkeit, auf das Potenzial der Bevölkerung, Mittel für die öffentliche Hand zu generieren. Dann wird definiert, wie stark die Unterschiede zwischen den Gemeinden ausgeglichen werden sollen. Daraus wird ermittelt, welche Gemeinde wieviel geben muss oder beziehen darf. Das finde ich ausgesprochen effizient.» Zudem gebe es den Lastenausgleich, doch «was eine Last ist und was nicht, darüber kann man episch diskutieren. Wald, Strassen, Wege – Glarus Süd hat die grössten Lasten.» Dieser Lastenausgleich müsse vom Kanton «anständig» dotiert sein. «In der Vernehmlassung haben wir den heutigen Betrag verdoppelt. Es ist Geld, das wohl 1:1 nach Glarus Süd fliesst.»

Solidarität ja, aber...
Es brauche eine horizontale Solidarität der Gemeinden untereinander und eine vertikale. Doch wie weit sollen diese gehen? «Der Kanton ist bereit, sich über den Lastenausgleich – vertikal solidarisch – einzubringen.» Es brauche aber die gute Mischung von horizontal und vertikal und: «Solidarität hat ihre Grenzen. Man ist dann bereit, sich zu solidarisieren, wenn der andere sich Mühe gibt, auf die eigenen Beine zu kommen. Wenn wir das hinbekommen, dann driften die vier Gemeinwesen in unserem Kanton nicht auseinander.»

Back To Top