August Berlinger, Strom fürs Glarnerland

Sie alle hatten Teil am neuen Buch über den Strom fürs Glarnerland. (Fotos: FJ)

Am Montagabend, 22. August, hatten die drei technischen Betriebe des Glarnerlandes ins Fabriktheater Schwanden eingeladen, zur Vernissage eines veritablen Schinkens mit dem Titel «Strom fürs Glarnerland. Die Entwicklung der Stromversorger in den Glarner Gemeinden 1890 – 2010». Fast alle im Saal hatten zu diesem Werk von August Berlinger beigetragen und bei aller historischen Akribie dürfte der 400-Seiten-Wälzer in diesem Herbst aktueller sein denn je.

Nicht etwa, dass alle die 400 Seiten von vorne bis hinten lesen. Berlinger hat 19 Kapitel des Werks 19 Orten von Mühlehorn bis Elm zugeordnet, so dass jede und jeder direkt zu «seinem» EW springen kann. Denn immerhin hatte das Glarnerland bis zur Fusion im Jahre 2011 dreimal mehr Kraftwerke pro Kopf als im Schweizer Durchschnitt. Doch mit der Fusion wurden die meisten dieser Kraftwerke und alle Elektrizitätswerke und Elektrizitätsversorgungen der alten Gemeinden in die drei technischen Betriebe tbgs, tb.glarus und tbgn integriert. Sie waren es denn auch, welche – zusammen mit den anderen Sponsoren – dieses Buch bis zur Taufe brachten.

Von unten nach oben
Der geistige Vater des Werkes war am Abend ebenfalls mit dabei, es ist Projektleiter Jakob «Jacques» Marti, von 1987 bis im Mai 2022 in der heutigen Abteilung Umwelt und Energie beim Kanton Glarus, zuletzt als Hauptabteilungsleiter. Die Einführung der Elektrizität im Glarnerland, so Marti, sei ein Paradebeispiel, wie eine neue Aufgabe von den Gemeinwesen übernommen wurde – so wie die Wasserversorgung oder die Schule. Dies sei damals, Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts eben von unten nach oben geschehen. Auf Wunsch der Bevölkerung wurden die damaligen Gemeinden aktiv und schufen jene Stromversorgungsinstitutionen, welche ihren Bedürfnissen entsprachen. Dabei vergingen von der Einführung in Näfels (1890) bis zu jener in Obstalden (1920) stattliche 30 Jahre und jedes Gemeindewerk entwickelte eine eigene Versorgungskultur. Das führte etwa dazu, dass Luchsingen bis zur Fusion drei verschiedene Tarife von drei Versorgern kannte. Ganz im Sinne des Subsidiaritätsprinzips sei man damals vorgegangen, doch bei neuen Aufgaben – etwa dem Aufbau von Dateninfrastrukturen – zeige sich heute, dass oft top-down organisiert werde, also Bund, Kantone und danach erst die Gemeinden.

Auch die Eigenstromproduktion habe in diesen Zeiten Hochs und Tiefs erlebt. Nach dem Bau grosser Kraftwerke habe man immer wieder über die Stilllegung von «unrentablen» Kleinanlagen diskutiert, doch heute sei der Wert der Eigenproduktion als langfristiges Asset wieder sehr aktuell. Eine weitere Gefahr, so Marti, sei es, EWs oder technische Betriebe als «Milchkühe» für die Gemeinderechnungen zu betrachten, denn Aufbau und Unterhalt einer Stromversorgung müssten langfristig geplant und finanziert werden. «Die Geschichte zeigt, dass der sorgsame Umgang mit den technischen Betrieben durch die Gemeinden wichtig ist.» Marti war es auch, der erkannte, dass mit der Fusion diese verschiedenen «EW-Kulturen» verschwinden würden.

Zeitzeugen
Also machte sich Autor August Berlinger sofort auf die Suche nach Zeitzeugen und durchforstete die Archive. Denn – wie immer, wenn etwas aufhört – bestand die Gefahr, dass Zeitzeugen sterben und Informationen in Vergessenheit geraten. Aus Gemeinderechnungen, Versammlungsprotokollen, aber auch aus Zeitungsberichten entstand – in Zusammenarbeit mit den Fachleuten der ehemaligen EWs – eine Chronologie und daraus für jeden ehemaligen EW-Ort je eine eigene Geschichte. Bis zu jener von Matt (EW Matt), wo das eigene Kraftwerk ein Traum blieb. «Was lange währt, wird endlich gut.» Mit diesem Ovid-Zitat beschrieb Jakob Marti das, was eben alle im Theater empfanden – nämlich dass sich der grosse Aufwand von «Güscht» Berlinger und seinen Mitstreitern für das Buch gelohnt hat. Das nächste Werk – jenes über die Glarner Elektrizitätsanlagen – ist bereits in der Pipeline.

FJ

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