Ein Leben ohne Blues geht nicht

Für Sonja Keller passen Gitarre, Blues, Schiff und See einfach perfekt zusammen. (Foto: Michel Wassner)

Sonja Keller ist Schiffsführerin und hat ihre zwei Leidenschaften im Beruf vereint: die Musik und das Wasser. Am 30. Juli veranstaltet sie ihre erste Blues-Cruise auf dem «Steinschiff» am Zürichsee. Der Blues und das Schiff – Gespräch über eine besondere Beziehung.

Frau Keller, die Blues-Cruise findet erstmals am 30. Juli statt. Erzählen Sie von Ihrem Herzensprojekt.
Der Schwerpunkt liegt auf dem akustischen Blues, einer Szene, die ziemlich klein ist in der Schweiz. Die grossen Festivals sind eher elektrisch orientiert, E-Gitarren und grosse Bühnen. Unterwegs sind wir mit dem Steinschiff, dem ältesten der JMS. Ich hatte es gesehen und wusste sofort: Dieses Schiff und dieses Projekt passen einfach zusammen. Weil es nicht so «snobby» ist und ideal von der Grösse. Wir machen einen kleinen Barbetrieb mit Snacks und Kuchen. Die Leute werden in Schmerikon abgeholt. Die Rundfahrt dauert drei Stunden.

Sie haben als Musiker ausschliesslich Profis engagiert.
Der Hauptact sind die Red Hot Serenaders. Sie hätte ich auch gerne als Haus-band, wenn man das Ganze weiterführen kann. Sie spielen klassischen Blues, aber auch Swing und Jazz. Dabei ist auch der Gitarrist und Sänger Chris Knecht sowie als Special Guest Klaus <<Mojo>> Kilian aus Deutschland, ein herausragender Bluesharp-Spieler und Sänger, auf dessen Mitwirkung ich be-sonders stolz bin. Mir war es wichtig, von Beginn an hochqualitative Musik anzubieten, um die Leute zu begeistern.

Greifen Sie auch selbst zur Gitarre?
Natürlich haben die Musiker gesagt, ich müsse auch einStück mitspielen. Dagegen werde ich mich vermutlich nicht wehren können. (lacht)

Wenn Ihr Konzept Anklang findet, würden Sie dann die Blues-Cruise gerne regelmässig durchführen?
Ja, unbedingt. Vielleicht zum Anfang mal alle zwei Monate. Je nach Erfolg kann man das dann steigern. Ich mache alles in Eigenregie. Mein Ziel ist es zu-nächst, den Musikern eine Gage zahlen zu können. Und dann vielleicht ein bisschen Geld fürs Kässeli, um etwa beim nächsten Mal auch andere Musi-ker engagieren zu können. Aber jetzt geht es erstmal darum, möglichst viele Leute zu erreichen.

Welchen persönlichen Bezug haben Sie zur Musik?
Ich begann bereits als Kind, Gitarre zu spielen, habe dann zwar aufgehört, hatte aber immer den Wunsch wieder anzufangen. Ohne die Gitarre fehlte mir einfach etwas. Dann stiess ich vor ein paar Jahren auf eine Musikschule in Zürich, die verschiedene Workshops anbietet, unter anderem für Bluesgitarre. Das passte. Heute kann ich mir einLeben ohne Blues gar nicht mehr vorstellen.

Ihre zweite grosse Leidenschaft ist das Wasser. Es soll Sie schon als Kind in die grossen Schiffshäfen gezogen haben?
Wir waren früher oft mit der Familie in Spanien oder Italien, und ich wollte im-mer zu den grossen Frachthäfen. Aber ich hatte keinen Zugang zum Thema, konnte das nicht einordnen. Es gab auch niemanden in der Familie, der mit Schifffahrt zu tun hatte. EinInteresse war also da, aber ich zog es nie als Berufswunsch in Erwägung.

Sie sind auch nicht an See oder Meer aufgewachsen?
Nein, aber in Kloten, da ist ja auch ein Hafen. (lacht) Mit der Binnenschiff-fahrt ist es am Bodensee losgegangen. Ich habe klassisch als Matrosin begonnen, dann Kassier und Maschinist. Man arbeitet sich hoch – bis man fahren lernen darf und das Brevet macht. Es ist eine ziemlich aufwändige eidgenössische Theorieprüfung. Dann kommt die praktische Prüfung, die ich auf dem Thunersee gemacht habe. Heute bin ich auf dem Zürichsee und fahre unter an-derem auch die Obersee-Fähre.

Rebecca Benz, die erste Kapitänin auf dem Vierwaldstättersee, brauchte 20 Jahre von der Matrosin bis zur Frau Kapitän. Wie war das bei Ihnen?
Bei mir ging’s ein bisschen schneller. Es ist nicht prinzipiell so, dass es Hürden gibt für Frauen. 

Sind Sie denn jetzt Kapitänin oder Frau Kapitän?
Den Begriff gibt es offiziell gar nicht. Im Ausweis steht Schiffsführerin. Kapitän ist eher einWort, das die Leute gerne hören. Bei grösseren Firmen ist es eine Art Ehrentitel. Ich bin aber keine Freundin davon, Dinge aufzubauschen. Ich fahre Schiff, weil ich das gerne mache.

Okay, und welche Schiffe?
Grundsätzlich absolvierte ich die Prüfung für die Kategorie B2/1, das heisst Personenschiffe bis 300 Fahrgäste. Wo-bei auch der Antrieb eine Rolle spielt. Wichtig ist zudem der See. Ich habe die praktische Prüfung auf dem Thunersee absolviert. Wenn du dann auf einem anderen See fahren möchtest, musst du eine so genannte Gewässererweiterung machen.

Können Sie das Faszinierende an Ihrem Beruf beschreiben?
Ich fahre verschiedene Schiffe. Das ist sehr spannend. Jedes ist anders, und du musst jeweils einGefühl dafür entwickeln. Die Faszination für mich ist der gute Mix. Auf dem Wasser hat es etwas Beruhigendes. Aber dann gibt es Phasen, in denen du voll konzentriert bist, bei Landungsmanövern, viel Verkehr oder starken Winden beispielsweise.

Wobei Sie eine sehr grosse Verantwortung tragen.
Das ist so, und die spürt man vor allem am Anfang. Es kommen immer wieder Situationen, die neu sind, zum Beispiel ein Sturm oder Wellen, die man so noch nicht kannte. Mit der Zeit wird man sicherer, aber langweilig wird es nie (lacht).

Sie sind gelernte Malerin und damit eine Berufskollegin von Manuela Balazs, der ersten Dampfschiffkapitänin der Schweiz. Zwei Frauen in zwei Männerberufen?
Natürlich kann man von Männerberufen sprechen. Aber ich muss sagen, zu meiner Zeit waren wir gleich viele Frauen wie Männer in der Lehre. D-mals fing das Blatt an sich zu wenden.

Haben Sie noch weitere Karriere-Ambitionen als Schiffsführerin? Ich denke an die Ozeane...
Als ich begonnen hatte vor rund neun Jahren, hätte mich das extrem gereizt. Aber man muss eine Ausbildung in Flensburg machen und ist viel weg. Mir gefällt’s in der Schweiz und ich möchte hier wohnen bleiben. Ausserdem bin ich glücklich damit, wie es jetzt ist. Ich kann auf verschiedenen Seen fahren, grossen und kleinen – was will man mehr?

Ist es eigentlich möglich auf dem Zürichsee in Schiffsnot zu geraten?
Durchaus. Es gibt ein- bis eineinhalb Meter hohe Wellen. Kommt Sturm auf, wird es heikel, wenn man zu nahe am Ufer ist oder gerade in einen Hafen ein-fährt. Dass man tatsächlich kentert, ist unwahrscheinlich, aber bei bestimmten Schiffen ist es nicht auszuschliessen. Die schlimmste Vorstellung ist ein Brand an Bord. Ausserdem gab es auch auf dem Zürichsee schon Windhosen.

In die sollte man nicht geraten. Dazu kommt der viele Verkehr auf dem Zürichsee.
Das ist so, und eine Kollision mit einem anderen Schiff, einem Surfer oder einem Standup-Paddler ist immer möglich, weil man sie manchmal schwer sieht. Mit einem grossen Schiff braucht es zweieinhalb Schiffslängen zum Bremsen. Und es ist nicht generell so, dass die grossen Schiffe automatisch Vorrang haben.

Abschliessend noch: Was machen Sie eigentlich im Winter?
Kies und Sand fahren wir täglich, das ganze Jahr hindurch. Ich an zwei Tagen die Woche. Ausserdem helfe ich an einem Skilift aus. So passt es für mich sehr gut. Ich konnte mir nie einen Job vorstellen, bei dem du immer das Gleiche machst, täglich ins gleiche Büro fährst.

Michel Wassner

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