«Graduus» nach oben

Model Susan Balcon fuhr an der Hauptstrasse «graduus».

«Hol schon mal die Picknickdecke, wir gehen Stand-up-paddeln.» Ähnliches hört man nicht nur, bevor Familien sich im Klöntal einen Ferientag gönnen. Eines der «Rezepte» der Verantwortlichen ist es, die Touristenströme besser zu kanalisieren. Ein anderes, ebenso erfolgversprechendes «Rezept»: zum eigenen Kern zu finden und einen Cluster zu bilden. Immer öfter werden damit geheime Tourismustipps zu Rundum-Dienstleistern. Ob im Volksgarten, auf dem Bergli, im Klöntal oder im Gäsi – wer Ideen hat und vorwärtsmacht, kann nur gewinnen. Auch auf der verlängerten Hauptstrasse.

Grand Canyon, Eiffelturm oder die Schären? Lassen sich mit dem Flugzeug oder einer längeren Zug- oder Autofahrt erreichen. Doch was, wenn man zu Hause bleiben will und sich Schären- oder Eiffelturmfeeling wünscht?
 
Turmbesteigung
Das geht. Zum Beispiel am nächsten Samstag, um 19.30 Uhr in Glarus. Zwar fährt einen nicht der Lift nach oben, dafür muss man unten auch nicht so lange anstehen wie in Paris. Die «Chilchäturmbestiigig» führt über Winkeltreppen senkrecht in die Höhe. Mit dabei: René Kunz. Er ist einer von drei Sigristen der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Glarus-Riedern und die Zuverlässigkeit in Person. Auf halber Höhe gibt es einen Zwischenhalt mit Geschichten und Fotos des Kirchenbrandes von 1940. Wer schwindelfrei ist, wagt sich danach die engen Treppen hoch bis aufs Kupferdach der Aussichtsplattform in 51 Metern Höhe. Die Aussicht ist fast ebenso phänomenal wie in Paris, nur kann man neben den Häuserschluchten noch die Berge rundum anschauen.
 
Modeschau 
Auch eine Modeschau gibt es – fast wie an der Paris Fashion Week. Allerdings trägt man statt Haute Couture secondhand – von «kleidish» – und bewegt sich auf dem roten Teppich vor dem Geschäft über die Hauptstrasse, Fotoshooting inbegriffen. Susan ­Balcon – Model aus Haslen – freut sich schon darauf, zu präsentieren. Alle anderen Frauen dürfen ebenfalls mitmachen. Das neue City-Format «Glaris graduus» will von Freitagabend, 16.00 Uhr bis Sonntag, 22.00 Uhr einen Hauch Grossstadtleben in die kleinste Hauptstadt bringen. Anstatt – wie gewöhnlich – beim Cityrank über die Bahnhofstrasse links abzubiegen, darf man mit Velo oder zu Fuss einmal geradeaus Richtung Abläsch gehen. Auf der Kreuzung Zaunstrasse/Hauptstrasse wird eine Bühne stehen, für Geschichten, Musik und Improvisationstheater. Rundum Stadt eben.
 
Rundum See
Die Rundum-See-Idee realisiert ­Miriam Larice mit ihrem Gastrounternehmen «we are GOOD FOR YOU GmbH» derzeit am Klöntalersee. «Das Vorauen soll eine Oase sein», sagt sie, «die zum Verweilen einlädt. Der Ausganspunkt für einen gemütlichen Tag am See.» Dass das Klöntal Schären- und Grand-Canyon-Potenzial hat, weiss man inzwischen selbst in Zürich. So wird aus dem Gasthaus Vorauen eine Mischung aus Restaurant und Loungebar. Menüs kann man sich zusammenstellen. Auch ein See-Picknick wird angeboten, Pingpong, Stand-up-Paddeln oder eine Geschichte aus der «Tausch-Bibliothek». Es ist das neue, aber eigentlich altbekannte Rezept, aus dem, was da ist, Tourismus zu machen. Also nicht einfach Laden zu sein oder Restaurant, sondern die Freizeitideen (Grillen, Picknick, Schnabulieren, Stand-up-Paddeln) zu bündeln. So wird das Angebot niederschwelliger – man holt sich rasch ein Picknick oder die Pingpong-Schläger, ein paar Tapas oder etwas zu lesen – und tut, was einem grade so in den Sinn kommt. Schliess­lich sind Ferien etwas Lockeres.
 
Rundum Holz und Märli
Die Rundum-Volksgarten-Idee befeuert Fabian Noser mit der Gastrorollbar schon seit längerem. Daneben stellte Verena Helms den Nomad-Campervan für alle mit Fernweh und moderatem Budget hin – so entwickeln sich schöne Orte zu Hotspots. Auch in den Destinationen von Glarus Süd: Braunwald setzt auf «Rundum Märchen», Elm auf «Rundum Holz». Diese Themen sind ja nicht neu, sondern altbekannt. In Braunwald gibt es den Zwerg Baartli und das Märchenhotel, in Elm ist Holz nicht nur der Rohstoff, aus dem das Dorf gebaut ist. In der Sägerei residieren eine Woche lang auch Künstlerinnen und Künstler und schaffen statt Holzskulpturen originelle Bänkli für die Touristen. Rund um diesen Kern entwickelte das Team von Elm Ferienregion eine Reihe von Wald- und Holz­erlebnissen vom Waldbaden über das Outdoorkochen bis zum Holzstrukturdruck und zum E-Motorsägen Test Day. Das schönste daran: statt teure Infrastrukturen zu bauen, entsteht in dem, was schon besteht, Neues. Das ist nachhaltig.
 
FJ/BUF/Søren Ehlers
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