Biblische Figuren in der Kirche St. Fridolin zeigen

Leandra Dieffenbacher (links) und Annamarie Hodel stellen die Beleuchtung der Szene ein. (Foto: Søren Ehlers)

Die Kirche St. Fridolin in Glarus verfügt über eine besondere Darsteller-Truppe, der es immer wieder gelingt, dramatische Darstellungen biblischer Szenen auf die «Bühne» zu bringen. Die 35 «Schauspielerinnen und Schauspieler» sind zirka 50 Zentimeter hohe «Schwarzenberger»-Figuren, hergestellt von der Biltner Künstlerin Hedi Keel.

Inszeniert werden die Darstellungen von sechs Frauen, die zusammen die «Liturgiegruppe» der Kirche bilden. Die «Bühne» ist der grosszügige Platz direkt vor dem Altar. Am Hohen Donnerstag, als diese Reportage entsteht, wird eine Szene aus dem letzten Abendmahl dargestellt. Die Vorgabe ist der Evangeliumstext, in dem erzählt wird, wie Jesus seinen Jüngern die Füsse wäscht (Johannes, Kapitel 13). Pfarrer Krzysztof Glowala wird am Abend in seiner Predigt ausdrücklich Bezug nehmen auf die dargestellte Szene. Seit sechs Jahren ist die Liturgiegruppe ein fester Bestandteil seiner Gottesdienstplanung. Auch der Kirchenrat schätzt diese spezielle Arbeit und hat ein ansehnliches Budget zur Beschaffung der Figuren und Kulissen gesprochen.

Vorbereitung
Um 8 Uhr morgens treffen sich vier Frauen in der Kirche und lesen als erstes den Evangeliumstext. Es ist nicht das erste Mal, dass sie diese Szene stellen, denn die Liturgiegruppe besteht seit sechs Jahren und Hoher Donnerstag ist jedes Jahr. Trotzdem versuchen die vier, die Geschichte wieder ganz frisch anzugehen und nicht einfach die Darstellung des letzten Jahres zu wiederholen. Annamarie Hodel ist die Kulissenbauerin und übernimmt die Rolle, ein Grundkonzept zu bestimmen: welche Kulissen sollen zum Einsatz kommen und welcher Moment der Geschichte soll dargestellt werden? Alles andere entscheidet die Gruppe während der Arbeit gemeinsam.

Figuren stellen
Nun wird der Raum, in welchem das Bild entsteht, aufgestellt, einschliesslich des grossen Tisches. Auffällig dabei: die Hingabe und Konzentration, mit der gearbeitet wird. Berührend ist auch der liebevolle Umgang mit den Figuren. Diese können, dank biegsamer Drähte im Inneren, sorgfältig in die gewünschte Position gebracht werden. Während des ganzen Entstehungsprozesses herrscht ein reger Austausch der Frauen untereinander. Alle scheinen zu wissen, was die andere gerade tut. So entsteht rasch folgendes Bild: Im Zentrum der Szene, zwischen zwei Säulen, sitzt Apostel Petrus auf einem Stuhl, den linken Fuss hat er entblösst und in die Wasserschale gestellt. Jesus kniet vor ihm und wäscht ihm den Fuss. Der Tisch dahinter ist voll besetzt mit den anderen Jüngern. Im Hintergrund links verschwindet Judas klammheimlich durch die Türe. Die Beleuchtung perfektioniert das Bild, wie auf jedem Filmset. Mittels kleiner LED-Scheinwerfer, die geschickt hinter Säulen und Requisiten versteckt sind, wird dieser besondere Moment zwischen Jesus und Petrus stimmungsvoll hervorgehoben.

Der tiefere Inhalt
Die aus dem ganzen Kirchenraum gut sichtbare Szene hat das Ziel, den Besucherinnen und Besuchern des Gottesdienstes ein sinnlich erfassbares Bild als Ergänzung zur Predigt zu schenken. Für die «Regisseurinnen» ist diese Arbeit ebenfalls sehr wertvoll: «In diesen Momenten sind wir eine Gemeinschaft, in der sich jede mit ihren künstlerischen Fähigkeiten einbringen kann», erzählt Patrizia Rigendinger. Für Leandra Dieffenbacher findet ein vertieftes Sich-Befassen mit der Bibel statt, Trudi Dobesch empfindet diese Arbeit «wie einen Gottesdienst.» Nachdem der Reporter gegangen ist, werden die vier sich ein paar Minuten Zeit nehmen, um ihr Werk ganz in Stille zu betrachten.

Figuren im Dauereinsatz
Für das Kirchenjahr 2022 sind 27 Darstellungen geplant. Aktuell ist die Szene von Ostern mit dem leeren Grab zu sehen. Auch ausserhalb des Gottesdienstes kommen Menschen in die Kirche zu Besuch, einfach nur, um die dargestellte Szene zu betrachten. Wer mehr wissen möchte oder sogar Interesse hat, einmal als Figurenstellerin oder -steller zu schnuppern, darf sich bei Annamarie Hodel melden (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. / 055 640 25 92).

Søren Ehlers

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