Glarnerland knüpft Netze, die tragen

Tatiana Salzmann – Wirtin Gasthaus Sonne, Engi. (Foto/Video: FJ)

Sowohl Private wie auch Kirchen und der Kanton arbeiten derzeit daran, Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen und Hilfe bereitzustellen. Sowohl die privaten Initiativen wie jene von den Institutionen sind überwältigt von der Hilfsbereitschaft der Glarnerinnen und Glarner. Ein Augenschein.

Wer am Freitagabend ins Sernftal fährt, sieht im Hinterdorf von Engi zwei ausländische Flaggen – zuerst rechts die serbische, dann links vor dem Gasthaus Sonne die Blau-Gelbe der Ukraine. Das Gasthaus ist ausgebucht bis auf den letzten Platz, es gibt ukrainisches Buffet. Mit Borschtsch, Piroschki und – worauf Gastgeberin Tatiana Salzmann speziell hinweist – russischem Salat. Man isst und bezahlt, soviel man mag. Mit dem Erlös wird Tatiana Salzmann in der Apotheke Brunner eine Grossbestellung aufgeben – für medizinisches Hilfsmaterial und Medikamente. Sie selber fuhr – wie auch Mitarbeitende der Firma Rhyner Elektro und Hansjürg Hess von der Stiftung 3hf – mit Kleidern und Material an die polnisch-ukrainische Grenze. Bei ihr sind jetzt zwei Flüchtlingsfrauen mit drei Kindern einquartiert.

Familienzusammenführung
Heute ist in Engi auch Familie Sarayeva-De Conti aus Schwanden zu Gast. Frau Sarayeva und ihr Mann haben ihre Schwiegertochter aus der Ukraine mit den beiden Kindern aufgenommen, der Ältere sollte im Herbst in den Kindergarten. Inzwischen ist auch der Sohn dazugestossen. Der Ukrainer lernte in Schwanden Schweisser-Schlosser und arbeitete bei Kriegsausbruch im Schiffsbau in Spanien. Jetzt sucht er Arbeit in der Region, denn er will mit seiner Familie nicht von Sozialhilfe leben. Alle haben sie bereits in Altstätten den Status S beantragt.

Gut vorbereitet
Auch der Kanton Glarus bereitet sich auf Flüchtlinge aus der Ukraine vor. Laut Andreas Zehnder, Leiter Soziales, konnten bereits drei Frauen mit drei Kinder in einer kollektiven Unterkunft beherbergt werden. Wie viele es in privaten Unterkünften sind, kann Zehnder nicht sagen. Er betont: «Es ist wichtig, dass sich alle Schutzsuchenden registrieren. Sonst haben sie keinen Anspruch auf Sozialhilfe.» Personen in der Ostschweiz können das im Bundesasylzentrum in Altstätten machen. Da die Bundesasylzentren überlastet sind empfiehlt Andreas Zehnder allen Schutzsuchenden, ein Online-Gesuch einzureichen. Neu hat das SEM zur Anmeldung für die Registrierung auf www.sem.admin.ch ein Formular bereitgestellt.

Flexibel bleiben
Die Situation in der Ukraine ändert täglich. Sie lässt keine sichere Vorhersage zu, verlangt grosse Flexibilität bei der Planung und Organisation für die Schutzsuchenden. Zehnder: «Aktuell gehen wir davon aus, dass in zwei Monaten etwa 50’000 Menschen in die Schweiz kommen werden.» Wie vielen Menschen kann der Kanton eine Unterkunft bieten? Im Moment habe es genügend Plätze, sagt Zehnder. Aber voraussichtlich brauche es mehr. «Ideal wären Möglichkeiten, wo wir zwischen 20 bis 30 Personen unterbringen könnten», sagt Zehnder und ergänzt: «Wir werden alle Angebote prüfen.» Für private Unterkünfte hätten sich spontan bereits einige Glarner Familien gemeldet. Auch die Evangelisch-Reformierte Landeskirche führt eine Liste mit Unterkünften.

Status S bedeutet Sicherheit
Registrierte Schutzsuchende aus der Ukraine erhalten automatisch den Status S. Damit haben Kinder und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter das Recht, die Schule zu besuchen und Erwachsene dürfen arbeiten, sobald sie eine Stelle finden. Auch die Spendenbereitschaft ist gross: in zwei Wochen kamen bei der Landeskirche 12000 Franken zusammen. Gleichzeitig sind Solidaritätsaktionen geplant. So organisiert Pfarrer Beat Wüthrich in der Kirche Matt am Samstag, 30. April, von 10 bis 16 Uhr eine «Musik gegen Krieg». Es haben sich mehrere Glarner Ensembles spontan gemeldet. «Die Kirche wird uns unterstützen», sagt Tatiana Salzmann. Auch ihre Kinder wollen dort fürs Publikum singen und jonglieren. Jetzt trifft André Siegenthaler mit Familie in der Sonne ein. Er ist mit Familie Salzmann befreundet und organisierte zusammen mit Daniel Jenny und Werner Kälin den Protest der Mitlandleute gegen den russischen Angriffskrieg auf dem Rathausplatz. Auf seinem T-Shirt steht kyrillisch: «Russen raus aus der Ukraine.»

Zur Abstimmung, ob sich die Schweiz noch Neutral verhält gehts hier: https://www.fridolin.ch/pulsmesser

BUF/FJ

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