Frauenporträt: Dea Boshtraj und Solange Quintas - Autobiografie, Teil eins

Solange Quintas (links) und Dea Boshtraj. (Foto/Videos: FJ)

Derzeit besuchen Dea und Solange am Linth-Escher-Schulhaus die Realschule, sie sind 15 und 16 Jahre alt und nicht nur «beste Freundinnen». Sie schreiben sogar zusammen ein Buch, als Abschlussarbeit. Genauer gesagt eine Autobiografie. In Englisch und Portugiesisch, übersetzt auf Deutsch.

Das Frauenporträt ist diesmal sozusagen ein Nebenprodukt – eigentlich soll ich den beiden 15- und 16-jährigen Schülerinnen aus Glarus Nord Tipps geben, wie man ein eigenes Buch schreibt. Denn das ist ihr Projekt, welches sie in den kommenden zwei Monaten als IAA – ich nehme an, das heisst Individuelle Abschlussarbeit und nicht Internationale Automobil-Ausstellung – realisieren wollen. Ihre Vorstellungen sind bemerkenswert klar, mindestens was den Inhalt und die Textsprachen betrifft. Sie haben bloss keine Ahnung, wie man ein Buch macht. Deshalb wirken die beiden etwas nervös hinter der Plastikschutzscheibe auf dem Pult.

Etwas jung
Was ich zuerst nicht so recht anzusprechen traue: «Mit eurer Autobiografie seid ihr reichlich früh dran.» Normalerweise schreibt man Biografien am Ende des Lebens, oft werden dabei die Ereignisse verklärt und überhöht, und wer es sich leisten kann, erzählt alles einem Ghostwriter, der es dann in schöne Worte fasst und zu einem Bestseller macht. Dea und Solange dagegen haben – grosszügig gerechnet – zwei Jahre Distanz zu den Ereignissen, die sie berichten wollen. Trotzdem wollen sie jetzt, am Ende der Schule und zu Beginn der Lehrzeit, eine Erinnerung in Worten schaffen. «Auch für unsere Kinder.» Das Konzept, eine Familie zu gründen und Kinder zu haben, scheint dabei völlig natürlich, ebenso das Wissen darüber, dass ein Lebensabschnitt nun abgeschlossen ist.

Chuzpe
Mit einem ordentlichen Mass Chuzpe, also zielgerichteter Frechheit, starten sie in ihr Projekt. Davon zeugen auch ihre Fragen: «Welche Tipps können Sie uns zur Gestaltung des Buches geben?» A5 – respektive A4 quer doppelseitig. Jedes Kapitel mit einem Bild beginnen. Am besten so, dass am Schluss aus dem Word ein PDF geschrieben werden kann, das dann an die Digitaldruckerei geht, die zwei oder drei Exemplare des Werks ausdruckt. Denn die Individuelle Arbeit soll ja nicht mehr als 50 Franken pro Person kosten. «Welche Tipps können Sie uns für die Buchübersetzung geben?» Meine Antwort: «Sie können das selbst auf Deutsch übersetzen, danach würde ich es jemandem zum Korrekturlesen geben.» Dea schreibt nämlich lieber auf Englisch – das ist die Sprache, die sie auch gerne liest. Aufgewachsen im Glarnerland war sie oft im Kosovo in den Ferien. Solange ist erst mit zwölf aus Portugal in die Schweiz gekommen, sie schreibt in ihrer Muttersprache Portugiesisch. Von den Lusiaden des Dichters Luís de Camões hat sie in der Schule gehört, Fernando Pessoa kennt sie nicht.

Der Gegenstand
Die nächste Frage bringt uns auf den Gegenstand des Buches, auf den Stoff sozusagen. «Was könnte uns helfen, nicht in Stress zu geraten?», fragen Dea und Solange, meine Antwort: «Planung, Deadline setzen und auch einhalten. Strukturieren.» Dann kommen wir zur Frage, wie sie die Titel formulieren. Kurz, prägnant und treffend, denn ein Titel muss Lust darauf machen, weiterzulesen. Ja, aber was? Ich mache ein paar Vorschläge – Warum ich Dea heisse? Mein schlimmster Unfall, wie ich Schwimmen lernte. So kommen wir zusammen auf erste Ideen für Kapitel. Solange nämlich trägt einen französischen Namen, der über das Brasilianisch zu ihr kam. Man spricht ihn wie Solansche aus. «Der Name gefiel meinem Vater. Aber eigentlich sollte ich ja Viviana heissen, weil ich aus Viana komme.» Wo das ist? Viana do Castelo liegt ganz im Norden Portugals, nahe der spanischen Grenze, nördlich von Braga, südlich von Vigo in Galizien. Der Name Dea kommt liegt ursprünglich aus dem Lateinischen beziehungsweise Griechischen. Das lateinische Wort «Dea» leitet sich vom Griechischen «Thea» ab, was auch «Göttin» bedeutet. Wann hat Solange denn schwimmen gelernt? Schliesslich liegt Viana am Meer und hat einige der schönsten Sandstrände Portugals. «In der dritten Klasse, im Schwimmbad in der Schule.» Dea ist überrascht: «Warum nicht im Meer?» Da war Solange nur bis zu den Knöcheln drin – Schwimmen im Meer, viel zu gefährlich. «An welchen Geburtstag erinnerst du dich noch, Solange?» An den zwölften. «Wir feierten in einem Restaurant, wo man Karaoke singen konnte.» Auch Dea hat solche Erlebnisse. Als sie mit sechs Jahren in den Sommerferien einen Teller in den Pool warf, um danach zu tauchen. Doch der Teller zerbrach, sie trat drauf und schnitt sich «den halben Fuss» ab. Der wurde im Spital notdürftig zusammengeflickt und musste in der Schweiz noch zweimal operiert werden. Hochdramatisch.

Wir einigen uns darauf, dass beide jeweils ein Ereignis pro Jahr aufschreiben, das gibt 32 Geschichten, also 64 Seiten, wenn man jede Geschichte noch übersetzt. Zu jedem Ereignis suchen sie ein Bild heraus, das dann in den Text eingefügt wird. So einfach wie möglich. Ehrlich gesagt bin ich schon jetzt gespannt, was dabei herauskommt. Denn das Leben ist das, was man draus macht, und Biografie ist, woran man sich erinnert.

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