(K)ein Kampf um die Sitze

(Foto: Keystone)

Am 13. Februar wird gewählt. Doch für den Regierungsrat treten ausschliesslich Bisherige an, dasselbe gilt für die Gemeinderäte in Glarus Nord. Umkämpft ist dort einzig das Präsidium, in Glarus und Glarus Süd sind die neuen Kandidaten für die Präsidien fast gesetzt. Der FRIDOLIN befragte dazu drei politisch Erfolgreiche aus Glarus Nord, Glarus und Glarus Süd. Hier die Antworten.

Martin Laupper und «Filou». (Foto: FJ)

Martin Laupper und «Filou». (Foto: FJ)

Dr. Fritz Schiesser, Alt-Ständerat, bei einem Glas Wein. (Foto: FJ)

Dr. Fritz Schiesser, Alt-Ständerat, bei einem Glas Wein. (Foto: FJ)

Andrea Trümpy, Alt-Gemeindepräsidentin von Glarus beim Tee im City. (Foto: BUF)

Andrea Trümpy, Alt-Gemeindepräsidentin von Glarus beim Tee im City. (Foto: BUF)

Mit Martin Laupper, Nord-Gemeindepräsident von 2010 bis 2018, und seinem Hund Filou ging es auf eine Runde um den Flugplatz Mollis. Für ihn gibt es kaum eine interessantere Führungsaufgabe als ein Gemeindepräsidium. «Man sieht in alle relevanten Lebensbereiche einer Gemeinde und führt im Falle Glarus Nord politisch, strategisch und operativ die jeweiligen Geschäfte. Dabei geht es immer um das Wohl der Bevölkerung, mit der man im steten Kontakt ist und zusammenarbeitet.»

Glarus Nord
Die Organisation der öffentlich-rechtlichen Anstalten ist für ihn richtig so, wie diese aufgestellt sind. Sie sind unter der strategischen Führung der Gemeinde weitgehend autonome Unternehmen in öffentlicher Hand. Diese Organisationsform führt zu leistungsstarken gemeindeeigenen Betrieben mit hoher Motivation und operativer Leistungsstärke, ohne die Gemeindefinanzen zu belasten. «So kann beispielsweise das Neubauprojekt Altersheim von den APGN selbstragend finanziert werden und die Technischen Betriebe liefern nebst Millionen Investitionen in die Infrastruktur ausserhalb des Gemeindebudgets zusätzlich noch Jahr für Jahr Abgaben in die Gemeindekasse ab. Glasfasernetz, Netzausbau und digitales Netzmanagement, erneuerbare Eigenproduktion usw. – zu Beginn der neuen Gemeinde hinkten wir teilweise viele Jahre hinterher, jetzt ist das alles bereitgestellt.» Es bringe nichts, die TBGN neu organisieren zu wollen. «Voraussetzung ist nur, dass die Gemeinderäte die definierte Eignerstrategie durchsetzen und Aufsicht, respektive Kontrolle sicherstellen. Anders verhält es sich bei den Gemeindeversammlungen. Wenn von 10000 stimmberechtigten Personen im Durchschnitt nur 300 an der Gemeindeversammlung teilnehmen, stimmt etwas nicht.»

Urne, Gemeindeversammlung, Parlament
Ein Grund, warum die Teilnahme unattraktiv geworden sei, sind die vielen vor allem auch kleineren Verpflichtungskredite. «Kredite bis zur Höhe von einer Million Franken sollte der Gemeinderat in eigener Kompetenz freigeben können. Jetzt müssen auch Strassen- und Leitungssanierungen vors Volk, die sowieso gemacht werden müssten und wo das Stimmvolk dabei sinnvoll kaum Einfluss nehmen kann. Besser wäre es, wenn die Stimmenden wieder die strategischen Entscheide fällen – wie beispielsweise zum Budget, zur Lintharena oder zum Schulhausneubau. Das gäbe auch den Parteien die Möglichkeit, sich dazu zu positionieren.» Urnenabstimmungen kann Laupper sich vorstellen. Das System mit dem Parlament auf Gemeindeebene habe zwar in den kantonalen Gesetzen Konstruktionsfehler gehabt, aber die Zusammenarbeit Parlament und Gemeinderat mit einem entsprechend geeigneten Kompetenzrahmen würde die Gemeindeversammlungen entlasten. Für das Gemeindepräsidium kennen andere Kantone die Findungskommission, welche Kandidatinnen und Kandidaten mit den nötigen Kompetenzen sucht und diese danach zur Wahl vorschlägt.

Repräsentation
Bei den Versammlungen sieht Laupper die Gefahr, dass die drei Prozent der Bevölkerung, die dort anwesend sind, die Geschicke der restlichen 97 Prozent bestimmen. Zwar seien Versammlungen, wo keine «umstrittenen» Geschäfte beraten werden, besonders spärlich besucht, die Parteienvertreter könnten hier aber – zusammen mit dem Gemeinderat – die Positionen aus der Bevölkerung repräsentativ mit einbringen. Schwieriger werde es, wenn an der schwach besuchten Versammlung eine gut organisierte Gruppe die Mehrheit bildet. Da können sich Eigen- oder Partialinteressen durchsetzen, die nicht im Sinne der Gesamtgemeinde sind. Grundsätzlich, so Laupper, müssten solche Entscheide in der Gemeinde mindestens von 30 bis 40 Prozent der Stimmberechtigten gefällt werden, so wie das jetzt bei Wahlen an der Urne geschieht.

Glarus
Während in Glarus Nord das Gemeindepräsidium umkämpft ist, tritt in der Mitte einzig Peter Aebli für dieses Amt an. Andrea Trümpy blickt auf eine langjährige und vielfältige politische Karriere zurück. Sieben Jahre lang war sie in Glarus Gemeinderätin und danach drei Jahre Gemeindepräsidentin; notabene die erste Frau in diesem Amt. Zuvor und danach hatte sie verschiedene politische Ämter inne: Schulrätin, Präsidentin des Kantonalen Gewerbeverbands, Vorstandsmitglied der FDP-Frauen Schweiz, um nur einige zu nennen. Sie weiss, was einen bei einem solchen Abenteuer erwartet.

Unbegreiflich
Wie beurteilt sie die aktuelle Situation in der Gemeinde Glarus, wo sich ein einziger Kandidat für das Präsidium des Gemeinderates bewirbt? «Unbegreiflich», sagt sie. Sie ist der Überzeugung, dass es genügend aktive Gemeinderäte gibt, die dafür geeignet sind. Unter anderem weil sie Exekutive-Erfahrung mitbringen. Und Lebenserfahrung. Erstes muss man sich hart erarbeiten. Die Ochsentour. «Darum finde ich Jungparteien eine tolle Sache.» Da könne man ein Netzwerk knüpfen, und man sei im steten Austausch mit anderen Meinungen. «Für mich ist das das O und A: Dem Bürger zuhören.» Die Dialogfähigkeit. Als Präsidentin ging sie bewusst manchmal in eine Beiz. Wenn sie das Lokal betreten hatte, tönte es: «Die Gemeindepräsidentin kommt.» Da gab es viele Fragen und zuweilen auch Kritik. Die Höhle des Löwen. «So hatte ich Gelegenheit zu erklären, wieso der Gemeinderat einen Entscheid so und nicht anders gefällt hat.»

Also sind die politische Erfahrung, der Mut, sich der Kritik zu stellen, offene Ohren für andere Meinungen und ein breites Netzwerk Voraussetzungen, um ein solches Amt ohne Frust ausüben zu können? Sie ergänzt: «Und man kann den Löffel nicht um fünf Uhr hinschmeissen.» Also das Engagement.

Selbstkritisch bleiben
Solche Anforderungen und Bedingungen sind in der heutigen Zeit nicht en vogue. Es ist verständlich, dass nur sehr wenige eine solche Herausforderung annehmen wollen. Wenn Andrea Trümpy erzählt, hört man einen weiteren Grund, wieso sie sich in ein solches Abenteuer stürzte, und damit eine Ausnahme war und offenbar immer noch ist: Man muss Freude daran haben, es aber auch aushalten können im Rampenlicht zu stehen. «Ich war gerne Gemeindepräsidentin.»

Klar werde einem die Arbeit nicht immer einfach gemacht. Aber den Schoggi-Job gebe es ja nirgends. Sie zitiert Dr. Alfred Heer, den langjährigen Gemeindepräsidenten von Glarus: «Als Gemeindepräsident musst Du wie eine Laterne sein: Oben musst Du leuchten und unten pisst Dir jeder ans Bein.» Das sei für sie aber nie ein Grund gewesen, das Amt abzulegen. Bereits vor einiger Zeit hat sie in einem Interview gesagt: «Ich kenne meine Grenzen und sah die drei Jahre als Gemeindepräsidentin als Höhepunkt meiner politischen Karriere.» Damit weist sie auf eine weitere Eigenschaft, die Frau und Mann für ein politisches Engagement mitbringen sollen: Selbstkritik.

Glarus Süd
Auch in Glarus Süd ist der Kampf ums Gemeindepräsidium nicht gerade heftig. Dafür sind die drei freiwerdenden Gemeinderatssitze umkämpft. Die FDP hat ein Dreierticket zur Wahl aufgestellt, die SVP tritt mit zwei Kandidaten an, die Mitte schickt einen neuen Kandidaten ins Rennen. Zudem treten auch eine parteilose Kandidatin und ein parteiloser Kandidat zur Wahl an. Der FRIDOLIN setzte sich mit Alt-Ständerat Fritz Schiesser zu einem Glas Walenstadter an den Tisch. «Schon früher war bei den Gemeindeversammlungen die Beteiligung nicht riesig», erinnert er sich. «Aber für die Bürger war das Umfeld in einer Gemeinde wie Haslen einfacher, um das Wort zu ergreifen. Interessenskonflikte gab es schon damals. Wer etwas tut, kommt manchmal in Konflikte.» Die Beteiligung heute sei sehr unterschiedlich. «Manchmal kommen bloss 200 Leute, aber als es um die Schule ging, wo alle betroffen sind, waren fast 1000 Leute in der Halle. Ich war erstaunt, wie viele kamen.» Allerdings wäre, so Schiesser, ein Entscheid selbst dann demokratisch, wenn im Extremfall nur der Gemeinderat dafür ist und neun anwesende Bürger ihn ablehnen. «Das ist die Versammlungsdemokratie von Gemeindeversammlung und Landsgemeinde, wie wir sie kennen. Andere Länder kennen Mindestprozentsätze, damit eine Abstimmung gültig ist. Aber so etwas ist bei unserem Glarner Demokratieverständnis undenkbar.» Wer nicht an der Versammlung teilnehme, trage die Schuld. Doch es wäre, so Schiesser, eine fatale Entwicklung, wenn Minoritäten Geschäfte blockieren können.

Zwei Kategorien
Damit die Versammlungen nicht unnötig lang werden, könnte Schiesser sich ein System mit zwei Kategorien von Geschäften vorstellen. Jene, welche diskussionslos verabschiedet werden können, und jene, welche umstrittener sind. Diese müsste die Gemeindeversammlung entscheiden, den Rest könnte auch der Gemeinderat – eventuell zusammen mit einem Parlament – erledigen. «Das Budget wäre das Gestaltungselement für die Bevölkerung, aber dieses hat heute eine derartige Komplexität, dass viele es nicht durchschauen können. Auch Sachgeschäfte sind heute oft sowohl technisch als auch juristisch sehr komplex, etwa die Raumplanung. Das erschwert die Beteiligung an der Versammlung.»

Autorität und Ermessensspielraum
«Früher war das Gemeindepräsidium ein Nebenamt, jedenfalls in kleinen Gemeinden. Jetzt ist man zu 60 bis 70 Prozent angestellt, doch der Präsident muss sich trotzdem mit aller Kraft für die Gemeinde einsetzen. Das können nicht alle leisten. Zudem müssen sich die Präsidenten heute in den Sozialen Medien auf harte Auseinandersetzungen gefasst machen.» Zu Zeiten eines Dr. Alfred Heer in Glarus etwa habe die Bevölkerung die Autorität des Gemeindepräsidenten und dessen Entscheide widerspruchslos akzeptiert, heute sei die Kritikwilligkeit und -bereitschaft sehr hoch. Was Schiesser erstaunt: «Dass nicht mehr junge Frauen an diesen Ämtern interessiert sind. Aber da fehlen wohl noch die Vorbilder auf kantonaler Ebene. Das wird besser, wenn eine zweite Frau in die Regierung kommt. Die junge Generation wird das gleichberechtigter anschauen.» Und noch ein Hindernis sieht er: «Bei den Leuten aus meiner Zunft.» Oft fehle den Räten heute der Mut, ihren Ermessensspielraum auch auszunutzen. «Neben der rechtlichen Zuständigkeit sollten Lösungen gesucht werden, die das gesellschaftliche Umfeld und das Zusammenleben berücksichtigen. Doch die Leute wagen gar nicht mehr, so zu denken, wegen der Juristen.» Ob es den Räten gelingt, die politische Beteiligung wieder zu verbessern – wie es in den Legislaturzielen steht? Landsgemeinden mit so schwacher Beteiligung und so vielen Traktanden wie die vom letzten Herbst jedenfalls darf es nicht mehr oft geben. «Sonst ist die Landsgemeinde tot.»

Fridolin Jakober und Fredy Bühler

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