Passt nicht, kann weg!

Zaungast im «Stöckli»: Bekommen die Räte und das Departement von Frau Bundesrätin Simonetta Sommaruga die Chance, das Medienpaket nachzubessern? (Foto: FJ/Archivaufnahme vom 29.11.2021)

Den Anlass zu diesem Leitartikel gab das Verlegerteam des FRIDOLIN – es wog erst Pro und Contra sorgfältig ab und kam zum Schluss: Das Mediengesetz schadet dem FRIDOLIN. Natürlich sind wir – als Redaktion – frei, anders zu denken. Doch wir sind ebenfalls dagegen, und das hat gute Gründe.

Normalerweise sitzen wir Medienschaffenden neben dem Schauplatz auf dem Zaun und beobachten, wie die Kämpfe ausgetragen werden. Darüber berichten wir im Medium, bei dem wir in Lohn und Brot stehen. Normalerweise müssen wir keine Partei ergreifen, im Gegenteil: unsere edelste Aufgabe ist es, alle Standpunkte zu sehen und alle zu Wort kommen zu lassen – möglichst unabhängig, unabhängig von Geschäftsinteressen, Inserateaufkommen, Mehrheitsmeinungen.

Verkehrte Welt
Beim Mediengesetz aber ist es umgekehrt: Da sitzen Sie, die Stimmberechtigten, auf dem Zaun und schauen zu, wie wir Medien und Journalisten uns auf eine Seite stellen. Wir sind nicht unabhängig. Entweder wir lehnen das Mediengesetz ab, weil es nicht für uns geschneidert wurde und uns deshalb nicht passt, oder wir nehmen es an, weil es uns nützt. Die Staatspolitiker fragen sich in allen Blättern, ob es demokratisch gut oder schlecht sei, die Medien zu fördern. Die einfache Antwort: wir Journalistinnen und Journalisten könnten theoretisch durchaus trotz staatlicher Förderung gegen den Staat schreiben, doch ergibt sich praktisch eine natürliche «Bisshemmung» vor der Hand, die einen füttert. Das ist wie bei den Haustieren.

Das Abo ist ein Ladenhüter
Die wichtige Frage muss aber lauten: was soll gefördert werden und welche Geschäftsmodelle werden davon profitieren? Sind es dynamische Online-Formate, sind es Gratiszeitungen, die ihre Arbeit über Inserate finanzieren? Sind es die kleinen Verlage, die in einer Region Qualitätsjournalismus abliefern und über das schreiben, was lokal und regional von Interesse ist? Oder sind es Zeitungs-Zusammenschlüsse grosser Medienverlage mit einer Zentralredaktion, welche Informationen zusammenträgt und dosiert über die hauseigenen Medien in gut verdaulichen Häppchen wieder verteilt? Das jetzt vorgelegte Gesetz ist massgeschneidert für die Grossen aus dem Verlegerverband SCHWEIZER MEDIEN. Wenig überraschend, denn dieser Verband hat den Bundesrat ja bei der Ausarbeitung beraten und er legte dabei das Geschäftsmodell seiner Mitglieder zugrunde. Es gibt Verlagshäuser, denen das Gesetz passt. Es sind jene, die es unterstützen. Medienverlage – vor allem die grossen – verdienen das Geld heute nicht mehr mit dem Journalismus oder mit den Abos für ihre gedruckte oder Online-Zeitung. Sie haben ihre lukrativen Online-Marktplätze für Immobilien, Autos, Kontaktanzeigen usw. in separate Firmen ausgelagert, die Millionengewinne schreiben. Die Zeitungs- und die Onlineabos sind nur noch ihre Versicherung, um Fördergelder zu generieren.

Es geht nicht um den Journalismus
Wir sind überzeugt, dass Abonnements ein Auslaufmodell sind. Im Zeitalter von weltweiter Verfügbarkeit aller Informationen im Web wird niemand ernsthaft Geld dafür ausgeben, dass ihm ein Medium eine Information vermittelt. Deshalb finanzieren wir Schweizerinnen und Schweizer schon jetzt unser Staatsfernsehen und -radio über eine Zwangsgebühr. Mit dem Medienpaket soll ein weiterer Teil unserer Medien Millionenzuschüsse bekommen, die aber willkürlich verteilt werden. Glarus24 oder Linth24 bekommen als Online-Medien ohne Bezahl-Abos keine Förderung. Wir bekommen zwar Zuschüsse bei den Post-Taxen, wenn wir den FRIDOLIN in den Thurgau senden, gehen aber bei der Verteilung im Kanton an alle Haushalte leer aus, weil wir die Verteilung selbst organisieren. Südostschweiz, Tages-Anzeiger, NZZ aber können mit dem Medienpaket gleich doppelte Subventionen holen – einmal bei der vergünstigten Zustellung der Zeitung im Abonnement (speziell, wenn sie diese früh zustellen oder am Wochenende), dann auch bei der Online-Förderung von Aboangeboten. Das ist der Grund, weshalb Sie immer gleich das Online-Abo mitbekommen, wenn Sie die gedruckte Zeitung abonnieren.

…es geht um Strukturerhaltung
So werden verstaubte Strukturen zementiert, welche durch die gesellschaftliche Entwicklung vom Zeitungsmodell zur Online-Zeitung und von der Abo-Zeitung zur Gratis-Zeitung seit 20 Jahren überholt sind. Was subventioniert wird, ist nicht Vielfalt, sondern mehr Einheitsbrei. Schon jetzt wird ein identischer Artikel etwa von CH Media (Tochtergesellschaften: CH Regionalmedien AG3 Plus Group AGAT Verlag AGImpuls Media Group AG) in 18 Zeitungen gedruckt und auf 8 Lokalradiostationen sowie auf 14 Lokalsendern verlesen – von Genf bis St. Gallen. Damit werden Redaktoren, Moderatoren, Radio- und Fernsehsprecher am Leben erhalten, welche die Meldung oder den Bericht von einer Zentralredaktion abrufen und damit das Volk belustigen.

Kreativer und regionaler wäre es, direkt jene zu fördern, die auf die Gasse gehen und Reportagen liefern. Warum nicht Volontariate für junge Journalistinnen fördern? Warum nicht – wie bei einer Stiftung – Gelder bereitstellen für die, die etwas aufdecken wollen, für die, welche auf ihrer Redaktion ein offenes Ohr für die Anliegen der Bevölkerung haben, für die, welche komplizierte Sachverhalte so einfach erklären, dass die Bürgerinnen und Bürger es auch verstehen. Den Journalismus fördern anstatt die Medienhäuser.

Sagen Sie Nein zum Medienpaket, geben Sie dem Bundesrat und dem Parlament in Bern die Chance, nachzubessern. Entweder indem auch die kleinen Verlage, die Gratiszeitungen und die Online-Angebote effektiv gefördert werden – das wäre dann wenigstens fair – oder noch besser direkt die Journalistinnen und Journalisten, die wirklich dafür sorgen, dass Sie bei allen Schlachten in der ersten Reihe sitzen.

FJ

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