Frauenporträt «Die Möglichkeiten nutzen»

Alexandra Schnyder hat keine Berührungsängste. (Foto/Video: FJ)

Wenn Alexandra Schnyder erzählt, hört man eine Frau, die klare Vorstellungen hat. Sie spricht ruhig, ihre Aussagen sind überlegt, ihre Gedanken fokussiert. Sie gehört zu jener Generation Frauen, die ihre Möglichkeiten kennt und nutzt; ohne Berührungsängste, pragmatisch, zielorientiert.

Alexandra Schnyder ist auf einem Bauernhof ausgewachsen, 25 Jahre alt, hat drei Geschwister und eine Lehre als Floristin gemacht. «Ein kreativer Beruf, man arbeitet mit den Händen.» Das sei ihr wichtig. War Bäuerin keine Option? Das wäre ihre zweite Wahl gewesen, sagt sie. Aktuell ist sie mit einem 80%-Pensum im Verkauf sowie in der Produktion tätig. Sie kreiert Blumen-Arrangements, unter anderem für Events, Hochzeiten oder Beerdigungen. Das ist zuweilen eine Herausforderung: «Am Morgen einen Strauss für eine Hochzeit, am Abend einen Kranz für eine Beerdigung. Da muss man sich schnell in einen Kunden hineinversetzen können.»

Neben den Blumengedecken bietet Schnyder auch Hautfachberatungen an und Kosmetik. Wer Probleme mit seiner Haut hat, bekommt von ihr kompetenten Rat und ein individuelles Pflegeprogramm. Sie hatte selber Probleme mit ihrer Haut, konnte diese dank professioneller Beratung jedoch lösen. «Darum habe ich gedacht, ich könnte meine Erfahrungen weitergeben.» Auch diese Beratungen sind für sie kreative Tätigkeiten: für die unterschiedlichsten Hauttypen individuelle Lösungen suchen und Pflegeprogramme zusammenstellen. Die Nachfrage sei gross. In den vergangenen zwei Jahren vor allem wegen den Corona-Massnahmen. «Unter der Schutzmaske ist es immer feucht und warm, eine Wohlfühloase für Bakterien.» Darum suchen auch immer mehr Männer ihren Rat.

Dienst im Panzer
Doch allein mit Blumen, Hautpflege und Kosmetik gibt sich Alexandra Schnyder nicht zufrieden. Sie leistet Militärdienst, absolvierte die Rekrutenschule als Panzersoldatin. Im Panzer sitzt sie im Geschützturm, lädt oder richtet die Kanone. Diese Ausbildung hat sie als erste Frau in der Schweiz bekommen. Dass sie bei den Panzern gelandet ist, sei Zufall.

Ihr gefällt der Militärdienst so sehr, dass sie die Ernennung zum Fachoffizier sofort annahm. «Meine Dienstzeit wäre bald abgelaufen. Als Fachof kann ich länger Einsatz leisten.» Jetzt zeigt sie an Orientierungstagen jungen Männern und Frauen, welche Möglichkeiten und Chancen sie in der Armee haben. Das findet sie «megalässig» und wichtig. Zudem ist für sie bedeutend, dass auch Frauen orientieren: «Es gibt zahlreiche Fragen, die ein Mann nicht so ausführlich und realitätsnah beantworten kann.»

Wie waren die Reaktionen auf Ihren Entscheid, Armeedienst in einem Panzer zu leisten? Durchwegs positiv, sagt sie. Die Familie habe sie bei all ihren Vorhaben unterstützt. «Meine Familie ist stolz auf das, was ich mache.» Auch ihre Kollegen hätten ihre Entscheide stets respektiert.

Andere Möglichkeiten entdeckten
Blumen, Hautpflege, Kosmetik und Kanone. Wie passt das alles zusammen? «Ja, das sind Gegensätze. Aber ich mag verschiedene Facetten.» Nach der Lehre als Floristin wollte sie etwas Neues erleben, sie wollte erfahren, wie es in einem anderen Umfeld ist. In der Armee habe sie andere Möglichkeiten entdeckt. «Und ich schiesse gern. Ich mag es, wenn es knallt», erzählt sie freimütig.

Ihren Armeeeinsatz sieht sie nicht als Dienst für das Vaterland, das töne nach Krieg. Vielmehr sieht sie darin einen Dienst für die Allgemeinheit. «Ich bin nicht dafür, dass alle Militärdienst leisten müssen. Aber ich bin dafür, dass alle einen Dienst für die Öffentlichkeit leisten.» Darin sieht sie enorm viel Potential, das nur zum Teil genutzt werde, weil Frauen zu keinem solchen Dienst verpflichtet werden. Aus ihrer Sicht erfordert die Gleichstellung, dass Männer und Frauen Dienst leisten, eine allgemeine Dienstpflicht. Aber: «Eine totale Gleichstellung schaffen wir nicht. Das ist biologisch nicht möglich. Das habe ich im Militär zu spüren bekommen.» Den Einwand, die Körperkraft könne kein Massstab sein, akzeptiert sie. Ihr geht es um Gerechtigkeit: «Gleiche Leistung soll gleich behandelt werden, egal ob sie ein Mann oder eine Frau erbringt.» Darum sollte jeder und jede Leistungen für die Gemeinschaft erbringen.

Es gibt noch Potential
Die Rechte der Frauen in der Schweiz beurteilt sie aus ihrer Erfahrung: «Persönlich habe ich zum Glück noch nie eine Situation erlebt, bei der ich etwas nicht machen konnte, weil ich eine Frau bin.» Sie hat wählen können, welche Ausbildung sie absolvieren möchte. In der Armee hat sie in einer Kampftruppe gedient. «Ich hatte noch nie einen Konflikt aufgrund meines Geschlechts.» Ihr sei aber bewusst, dass es in der Schweiz noch Potential gibt, in der Lohngleichheit zum Beispiel, oder in der Teilzeitarbeit, damit auch Väter bei den Kindern zu Hause sein können. «Ich bin froh, sind wir da, wo wir sind, und dass ich all diese Möglichkeiten habe.»

Diese Möglichkeiten hat Alexandra Schnyder genutzt, sie macht, was ihr gefällt. Auch in Zukunft: «Den Fachof mache ich, solange ich noch genug nah bei den jungen Bürgern und Bürgerinnen bin und solange ich der Armee einen Nutzen bringe.» Privat hat sie vor ein paar Monaten eine neue Stelle als Floristin angetreten. Damit sei sie zufrieden und glücklich. Zufriedenheit sei immer ihr oberstes Ziel. «Sobald ich sagen muss, jetzt braucht es eine Änderung – dieser Zeitpunkt wird kommen – werde ich Neues anpacken.» Zum Beispiel eine Weiterbildung im Bereich Führung, oder eventuell einen Ausland-Aufenthalt mit der Armee. Trotz aller Möglichkeiten, eines will sie immer behalten: «Fröhlich und aufgestellt bleiben, und so den Menschen etwas geben können.»

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